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Polizeiskandal in WeimarDruck auf Polizeiführung steigt

Die taz deckte diverse Vorwürfe gegen Polizeibeamte in Weimar auf, etwa Körperverletzung und Stalking. Nun tagte der Thüringer Innenausschuss dazu.

Fehlerkultur? Fehlanzeige. Aber das soll sich nun ändern Foto: Karina Hessland/imago

Leipzig taz | Der Thüringer Innenausschuss hat am Donnerstagabend über die Vorwürfe gegen Polizeibeamte aus Weimar informiert. Zuvor brachten taz-Recherchen neue Missstände in der Polizeistelle zutage. Ein Beamter soll sich mehrfach im Dienst der Körperverletzung schuldig gemacht haben sowie im Besitz falsch registrierter Waffen gewesen sein und seine Ex-Frau gestalkt haben. Ein weiterer Beamter soll zudem für das Verschwinden von Betäubungsmitteln verantwortlich sein. Bereits im Mai wurden massive Vorwürfe veröffentlicht.

So schilderten es Beamt:innen der taz zunächst in einem anonymen Brief, ein weiterer Polizist bestätigte die Vorwürfe. Ein Schreiben, adressiert an den Weimarer Polizeichef René Treunert aus dem Jahre 2019, stützt die Aussagen. Treunert soll jedoch, so die Hinweisgebenden, „massiv Druck“ ausgeübt haben, damit in der Sache nicht ermittelt werde.

Nun hat der Thüringer Innenausschuss auf Wirken des innenpolitischen Sprechers der Linksfraktion, Steffen Dittes, hin über den Fall informiert. Dabei wurde bekannt, dass weder die Landespolizeidirektion noch das Innenministerium bis zur Anfrage durch die taz von den Vorwürfen gewusst hatten. Lediglich über einen strafrechtlich relevanten Vorwurf gegenüber dem Beamten Sebastian K. habe die Landesdirektion Kenntnis gehabt.

Erst am vergangenen Freitag trafen sich Treunert und die Landespolizeidirektion zu einem Gespräch darüber, nun wird intern zu den Vorwürfen ermittelt. Nach Bekanntwerden hatte sich Innenminister Georg Maier (SPD) öffentlich geäußert, der Sache nachzugehen.

Keine internen Ermittlungen

Aus Polizeikreisen wird sich gegen die erhobenen Vorwürfe gewehrt. Am Donnerstag hatte der MDR berichtet, die internen Ermittlungen würden „ein anderes Bild zeigen“, als es in der taz dargestellt worden sei. Demnach habe es „Anfang August 2019 Mitarbeitergespräche mit dem Beamten gegeben“, in dem der Beschuldigte Sebastian K. von privaten und psychischen Problemen berichtet habe.

Tatsächlich sind diese Informationen jedoch nicht neu: Bereits vergangene Woche erklärte Treunert der taz, der Sachverhalt sei „einvernehmlich zu einer Lösung gebracht“ worden. Allerdings scheint es zu keinem Zeitpunkt interne Ermittlungen gegeben zu haben. Die Hinweisgebenden bestätigten der taz, dass sie zu keinem der Vorwürfe gehört wurden. Die Landespolizeidirektion gibt wegen laufender Ermittlungen keine Auskunft.

„Auf den Vorwurf einer Beleidigung oder Körperverletzung muss sofort mit einem Ermittlungsverfahren reagiert werden, das aufklärt, was passiert ist“, sagte Steffen Dittes der taz. „So etwas klärt man nicht mit einem Mitarbeitergespräch. Die entscheidende Frage ist also: Warum ist das nicht passiert?“

Linke fordern mehr

Diese Frage wird der Innenausschuss nun klären müssen. Zur nächsten Sitzung am 3. Dezember wird das Thema erneut auf der Tagesordnung stehen. Der Thüringer Innenminister Georg Maier sagte zur taz, es sei ihm „ein dringendes Anliegen, dass es eine gute Führungskultur innerhalb der Polizei gibt.“ Die Hinweise nehme man sehr ernst, den Vorwürfen werde nachgegangen.

Schon zuvor habe er ein Treffen der Führungskräfte anberaumt, in dem er für eine offene Fehlerkultur warb. Außerdem kündigte Maier an, in den kommenden Wochen die Polizeivertrauensstelle, eine dem Innenministerium unterstehende Beschwerdestelle für Bürger:innen, auch für Polizist:innen öffnen zu wollen.

Ob das die Fehlerkultur fördern wird, ist unklar. Bereits Anfang des Jahres sagte die Leiterin der Vertrauensstelle zur taz, sie habe keine Ermittlungskompetenzen, da sie Beschwerden nur an die Polizei weitergeben kann. Den Linken geht das jedoch nicht weit genug. Sie fordern die Einrichtung einer unabhängigen Polizeibeschwerdebehörde mit Ermittlungskompetenzen, wie es sie beispielsweise in Dänemark gibt.

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1 Kommentar

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  • Die thüringische "Polizeivertrauensstelle", an die sich bspw. wegen polizeilichen Fehlverhaltens beschwerende Bürger:innen wenden sollen, ist unter dem Innenministerium - und damit unterhalb des obersten Dienstherrn der türingischen Polizei - angesiedelt.



    Sollen sich die beschwerenden Bürger:innen und Polizist:innen/ "Wistleblower" innerhalb dieser Struktur ernstgenommen fühlen? Eine diesbezügliche Beschwerdestelle gehört weg vom Innenministerium mit samt dem zuständigen Innenminister - sonst sind diesbezüglich Konflikte vorprogrammiert.