Polizeiruf 110 "Klick gemacht": Kriegsdebatten und Entlastungszünder
Was mit einem Anschlag auf einen Afghanistan-Veteranen beginnt, verliert sich im Debattendialog über das Für und Wider des Afghanistan-Einsatzes. Trotzdem sehenswert (So.,20.15, ARD)
„Tragische Funkstörung“ heißt es im Bundeswehrjargon: Während eines Einsatzes in Kundus schickte das Hauptquartier einen Konvoi auf eine Route, die alles andere als sicher war. Taliban griffen an, drei Soldaten starben. Ein halbes Jahr später wird der Oberleutnant, der für den Funkspruch verantwortlich war (Dirk Borchardt), entführt und in einem einsamen Wald auf eine Mine mit Entlastungszünder gestellt. Nimmt er den Fuß runter, geht die perfide Apparatur hoch. Über Video wird diese Zitterpartie auf den Polizeirechner übertragen.
Bei der hektischen Suche nach den Entführer und ihrem Opfer, kommen sich zwei Profis näher, die auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein könnten: Zum einen ist da Kriminalhauptkommissar Friedrich Papen (Jörg Hube), ein kompakter Bajuware mit 68er-Vergangenheit und einem Haufen fernöstlicher Weisheiten im Gepäck. Zum anderen Bundeswehrhauptmann Ulrike Steiger (Stefanie Stappenbeck), die als Spross einer Soldatenfamilie von militärischer Disziplin vollkommen durchdrungen ist.
Der pazifistischer Koloss und die zarte Soldatin – das sind auf den ersten Blick ideale Kontrahenten für einen Debattenkrimi. Doch unter dem gesellschaftspolitischen Disput, der bestens zur aktuellen Diskussion um Ex-Verteidigungsminister Jung passt, leidet zuweilen die Figurenzeichnung in „Klick gemacht“ (Buch: Christian Jeltsch, Regie: Stephan Wagner).
Wie in einem Fernsehtalk werden Für und Wider des Auslandseinsatzes diskutiert: Während Soldatin Steiger noch einmal das abgenutzte Struck-Zitat von der Verteidigung Deutschlands Sicherheit am Hindukusch ins Spiel bringt, zeigt der "Polizeiruf" auch eine Reihe von traumatisierten Afghanistan-Heimkehrern. Bjarne Mädel (der „Ernie“ aus „Stromberg“) spielt zum Beispiel einen zitternden und saufenden Rollstuhlfahrer, der stark an Tom Cruise im Vietnam-Drama "Geboren am 4. Juli" erinnert. Am Ende sprengt er sich selbst in die Luft.
So verwandelt sich der Politdiskurs auf denkbar lärmige Weise in ein Antikriegsstatement. Auch wenn es ehrenwert erscheint, dass sich der BR einen Fernsehfilm leistet, der die Forderung "Raus aus Afghanistan!" wie eine "Pace"-Fahne vor sich herträgt – den komplizierten psychologischen und sozialen Verstrickungen des Konflikts wird er nicht gerecht. Das wird einem umso bewusster, wenn man den "Polizeiruf" mit bereits gesendeten Filmen zum Thema vergleicht: Die letzte "Bloch"-Folge etwa wurde konsequent aus der Perspektive eines versehrten Heimkehrers erzählt und legte sehr viel aufreibender Zeugnis von schuldhaften Verstrickungen und posttraumatischen Belastungsstörungen ab.
Sehenswert ist dieser "Polizeiruf", mit dem in München ursprünglich nach der Ära Tauber-Obermaier eine neue Ära eingeläutet werden sollte, trotzdem allemal. Und zwar wegen Jörg Hube, einem der wirklich Guten. Halb Buddha, halb Brechstange bringt er eine sonderbar sanfte Nervosität auf den Bildschirm, der man sich gerne die nächsten Jahre ausgesetzt hätte. Doch Hube verstarb nach den Dreharbeiten im Juni 2009. Ab nächstem Jahr ermittelt Stefanie Stappenbeck dann weiter mit Matthias Brandt. Auch ein Guter.
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