Polizeikontrollen: Dein Nummernschild verrät dich
Das Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich mit dem automatisierten Kennzeichenabgleich. Allein in Hessen wurden dieses Jahr eine Million Fahrzeuge überprüft.
KARLSRUHE taz Immer mehr Bundesländer erlauben ihrer Polizei, die Autokennzeichen aller vorbeifahrenden Fahrzeuge per EDV mit dem Fahndungsbestand abzugleichen. Gestern verhandelte das Bundesverfassungsgericht über die Klagen von drei Autofahrern, die eine solche "Fahndung ins Blaue hinein" ablehnen. Den Richtern zeigten sie durch zahlreiche kritische Nachfragen, dass ihnen die grundsätzliche Bedeutung des Verfahrens bewusst ist.
Die Kameras stehen am Straßenrand, scannen in Sekundenbruchteilen das Kennzeichen und prüfen, ob das Fahrzeug gestohlen ist oder ob nach seinem Halter gefahndet wird. Hessen hat den automatischen Kennzeichen-Abgleich 2004 beschlossen, Schleswig-Holstein 2007. Diese beiden Polizeigesetze wurden gestern konkret überprüft. Sechs weitere Länder von Hamburg bis Bayern haben inzwischen aber ähnliche Regelungen eingeführt.
In Hessen wurden in diesem Jahr eine Million Fahrzeuge auf diesem Wege kontrolliert, dabei gab es rund 300 "Treffer". Kläger-Anwalt Udo Kauß aus Freiburg kritisierte nicht die Treffer, sondern dass bei dieser Prüfung zunächst jeder Autofahrer "anlasslos" miterfasst wird. Das sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in das "Recht, sich frei und ohne polizeiliche Kontrolle im öffentlichen Raum zu bewegen".
Hessens Innenminister Volker Bouffier erklärte den Eingriff dagegen zur "Bagatelle". Kennzeichen, nach denen nicht gesucht wird, würden schließlich sofort wieder gelöscht.
Der CDU-Politiker räumte ein, dass als Nutzen dieser Technik ganz überwiegend Fahrzeuge identifiziert werden, bei denen der Halter lediglich die Kfz-Haftpflicht nicht bezahlt hat. Doch er hält hier polizeiliches Eingreifen für notwendig: "Wer unversichert Auto fährt, begeht möglicherweise auch nach einem Unfall Fahrerflucht und hält sich sonst nicht an die Verkehrsregeln."
Überhaupt wunderte sich der hessische Innenminister über die Aufregung: "Die Polizei konnte schon immer ohne Anlass Verkehrskontrollen durchführen und dabei die Personalien mit dem Fahndungsbestand abgleichen. Jetzt ist eben alles effizienter." Für Anwalt Kauß hat der automatisierte Abgleich aber eine andere Qualität. "Wenn Sie das hier akzeptieren", wandte er sich an die Richter, "dann werden in einigen Jahren auch die Gesichter aller vorbeilaufenden Personen mit den Fahndungslisten abgeglichen."
Bouffier betonte gestern, dass der Kennzeichen-Abgleich generell keine Grundlage für Bewegungsbilder geben könne: "Das Kennzeichen gibt ja nur Auskunft über den Halter des Fahrzeugs, nicht wer gefahren ist."
Neben der Verletzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips rügten die Kläger auch, dass die Normen zu unbestimmt seien. Außerdem hätten die Länder solche Gesetze gar nicht erlassen dürfen, weil es es nur am Rande um Gefahrenabwehr gehe. Für Gesetze zur Aufklärung von Straftaten sei der Bund zuständig.
Das Urteil des Gerichts wird in einigen Monaten erwartet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!