Polizeigewerkschafter über Castor-Transport: "Wir sind am Ende"
20, 30 oder mehr Stunden ununterbrochen im Einsatz, das darf nicht sein, meint der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Konrad Freiberg. Er warnt, die Polizei dürfe nicht kaputtgespart werden.
taz: Herr Freiberg, wie ist Ihre bisherige Bilanz des Castortransports?
Konrad Freiberg: Wir sind froh, dass insbesondere die Blockade der Gleise weitgehend gewaltfrei über die Bühne gegangen ist. Alle Verantwortlichen vor Ort haben gut mit der Polizei zusammengearbeitet und waren bestrebt, Gewalt zu verhindern. Bedauerlicherweise gab es aber auch Gewaltanwendung von jungen Demonstranten - gegen Polizisten, beim sogenannten Schottern oder durch das Anzünden eines Polizeifahrzeugs.
Und Ihre Bilanz als Gewerkschafter?
Konrad Freiberg, 59, geboren in Schwarzenbek (Schleswig-Holstein), ist Kriminalhauptkommissar. Er ist seit 1968 Polizist, seit zehn Jahren Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei und SPD-Mitglied.
Wir haben Kollegen - und das sind keine Einzelfälle, sondern ganze Hundertschaften -, die 20, 30 oder mehr Stunden ununterbrochen im Einsatz waren. Und das darf natürlich nicht sein.
Wie konnte das passieren?
Die deutsche Polizei, insbesondere die Bereitschaftspolizei, ist personell am Ende. Das sieht man daran, dass man versucht hat, aus ganz Deutschland Beamte nachzuholen, was aber erst nach dem Wochenende geklappt hat. Und dann war es manchmal schwierig, die Beamten an die Einsatzorte zu bringen, weil die Wege blockiert waren. Deshalb meine Mahnung: Man kann die Polizei nicht derart kaputtsparen. Sonst kann man solche Einsätze künftig nicht mehr durchführen.
Besonders schwierig für die Beamten soll die Situation in der Nacht zum Montag gewesen sein.
Da gab es große Schwierigkeiten, vor allem mit der Verpflegung. Durch die Blockaden kamen viele Caterer nicht durch.
Gab es keine Suppe, oder kam sie nicht durch?
Es gab schon welche, die kam aber gar nicht oder erst sehr spät durch. Da gab es immense Klagen der Kollegen. Zu Recht. Man kann nicht 30 Stunden bei Wind und Wetter am Gleis stehen, hat noch die Auseinandersetzung, aber keine Verpflegung. Jetzt muss geklärt werden, wer dafür die Verantwortung trägt.
Was war das für eine Suppe?
Das weiß ich nicht.
War dieser Einsatz vermeidbar?
Wenn man einen unter schwierigsten Bedingungen erzielten Konsens aufkündigt, muss man wissen, was man dadurch hervorruft - nämlich gesellschaftliche Konflikte und Gewalt. Darum haben wir es kritisiert, den Atomkonsens aufzugeben. Als Polizei fühlen wir uns zwischen der Politik und den Bürgern. Aber man kann mit der Polizei keine gesellschaftlichen Konflikte lösen. Die Politik muss sich um Konsenslösungen bemühen.
Was müsste jetzt passieren?
Ich würde mich freuen, wenn die Bundesregierung die Laufzeitverlängerung zurücknehmen würde. INTERVIEW: DENIZ YÜCEL
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