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PolizeigewaltOrdnungshüter im falschen Film

Polizisten sollen in Göttingen einem Journalisten zu Unrecht Gewalt vorgeworfen haben - die Beamten stehen nun selbst vor Gericht. Weil der Vorgang aufgezeichnet wurde, haben sie schlechte Karten.

Auf Tuchfühlung: Polizisten und Demonstranten bei der Göttinger Demo. Bild: dpa

Das Video ist etwas verwackelt, auch die Tonqualität ist nicht besonders. Ein uniformierter Polizist beugt sich über eine am Boden liegende, korpulente Person. Vom rechten Rand schiebt sich ein Mann ins Bild, er berührt den Beamten an der Schulter. Schnitt. Ein anderer Polizist drängt den Mann in ein Geschäft und gegen den Türrahmen. Der Mann ruft: "Lassen Sie mich los, ich bin Journalist!"

Der Film entstand am 13. Mai 2006 in Göttingen. Die rechtsextreme NPD hatte für diesen Tag eine Demonstration durch die Universitätsstadt angekündigt. Tausende protestierten gegen Rechts. Auf dem geplanten Aufmarschweg der Neonazis wurden Barrikaden errichtet. Die NPD musste ihre Demo abbrechen und zum Bahnhof zurückmarschieren.

Von dort macht sich ein freier Journalist aus Kassel gegen 14 Uhr auf den Rückweg zu seinem an der Stadthalle geparkten Auto. Er beobachtet, wie Beamte eine Gruppe junger Leute stoppen, um deren Personalien zu kontrollieren. Die Angerufenen bleiben stehen, nur ein junger Mann dreht sich um und will weggehen - es handelt sich um die schwergewichtige Person aus dem Video. Ein Beamter, so schildert jedenfalls der Journalist die Situation, schlägt dem Korpulenten mit der Faust gegen die die Brust und wirft ihn zu Boden. Hier beginnt die Videosequenz.

Nazigegner und die Polizei

Die antifaschistische Szene ist in Göttingen stark und aktiv. Hochburgen der Neonazis in der Umgebung sind der Harz und das thüringische Eichsfeld, wo der mehrfach vorbestrafte NPD- und Kameradschaftsführer Thorsten Heise auf einem Gehöft residiert.

Polizei und Antifa sind sich in der Stadt spinnefeind. Autonome sehen ihren Protest kriminalisiert, die Polizeiführung wirft den "Linksextremisten" hohe Gewaltbereitschaft vor.

Schweres Erbe: Nach einer Demonstration gegen Nazis kam vor mehr als 20 Jahren die Göttingerin Conny Weßmann ums Leben. Die Polizei hatte eine Gruppe Antifas verfolgt, die Studentin rannte panisch auf eine Straße und wurde von einem Auto überfahren.

Wie der Journalist festgenommen, in einen Gefangenenbus verfrachtet und zu einer Sammelstelle für verhaftete Demonstranten gebracht wird, ist nicht mehr zu sehen. Erst gegen 18 Uhr kommt er frei - mit einer Anzeige wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Drei Polizisten sagen aus, der Journalist habe die Identitätsfeststellung eines mutmaßlichen "Störers" gewaltsam behindert, sich seiner eigenen Festnahme widersetzt und dabei einen der ihren verletzt - seine angeblich durch Widerstandshandlungen erlittene Fingerverletzung zeigt der betroffene Beamte allerdings erst Wochen später seinem Hausarzt an.

Das Göttinger Amtsgericht lehnt die Eröffnung eines Prozesses gegen den Journalisten wegen zu dünner Beweislage ab, das Landgericht verwirft eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft. Auch ein vom Innenministerium wegen der angeblichen Verletzung angestrengter Schadensersatzprozess geht zu Gunsten des Journalisten aus - die Richterin weigert sich, die Beamten überhaupt anzuhören. Der Journalist dreht den Spieß nun um und zeigt die drei Polizisten seinerseits wegen falscher Verdächtigung an. Gestern standen die 48, 35 und 34 Jahre alten Männer aus Hannover deshalb vor dem Göttinger Amtsgericht.

Obwohl Nazigegner ihre Barrikaden weit abseits des Zentrums aufgetürmt hatten, herrschte den Angeklagten zufolge am fraglichen Tag auch in der Fußgängerzone praktisch Bürgerkrieg. "Es war eine grundaggressive Stimmung", sagt der beschuldigte Beamte Olaf K. "In Göttingen gab es schon immer ein erhebliches Gewaltpotenzial und Ausschreitungen." Kollege G. spricht von "quasi militärisch" agierenden linksautonomen Kleingruppen.

Gruppenführer Kai W., der den korpulenten Mann zu Fall gebracht hat, bleibt dabei, dass er die Berührung durch den Journalisten gespürt und "als Angriff wahrgenommen" hat. Nur ein Antippen sei das jedenfalls nicht gewesen: "Wenn man eine Schutzweste, die wir tragen, nur locker berührt, dann würde ich das gar nicht merken." Sein Kollege K. bekräftigt: "Der wollte den Kollegen an der Festnahme hindern."

Auf dem Video, das sich der Journalist im Verlauf der langen Verfahren beschafft hat, ist von einer Attacke oder Widerstandshandlung nichts zu sehen. "Ich habe den Polizeibeamten nur angefasst und gefragt: ,Was soll denn das?'", berichtet er. Und er sagt auch, warum er sich überhaupt in das Geschehen eingemischt hat: In seiner Heimatstadt Kassel sei ein Mensch bei einer Festnahme ums Leben gekommen. "Ich hatte das Gefühl, dass die Gesundheit des mit der Faust geschlagenen Mannes in Gefahr ist." Ein Urteil war bei Redaktionsschluss noch nicht gesprochen.

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5 Kommentare

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  • G
    G-H-L

    Ah jetzt verstehe ich was gemeint ist. Tippt man einem Polizisten auf die Schulter, so ist das ein Angriff auf einen Beamten.

    Bekommt man von diesem einen Knüppel über den Schädel gezogen, so ist das vom Gesetz legitimiert.

  • MN
    Mein Name

    Was denn nun erst schreibt ihr am 29. Oktober 2005 und nun plötzlich Mai 2006??? Das veerwirrt mich. Ich war bei beiden Demos und laut der Beschreibung im Arkitel mit den Barris und so weiter kommt das ganz wohl ehr mit dem 29. Oktober 2005 hin als Mai 2006. Denn 2005 haben knapp 2000 Autonome gut 32 brennde Barris errichtet und 2006 gabs nur ein paar kleiner versuche aber nicht genug Leute dafür... Verwirrende Sache.

  • OS
    olli stein

    Mit Bedauern musste ich diesen Text lesen.

    Der durch die Medien sooft kritisierte Chorgeist der Polizei findet nun in der Jounalismus-Branche statt.

    Der Text ist in vielen Teilen falsch zitiert, aus dem Zusammenhang gerissen und einsitig berichtet.

    Das Video, was ich sehen durfte, zeigt einen Stoß des sich in den Sperrbereich Zutritt verschafften Jounalisten.

    Der "brutale Faustschlag" wurde vom Festgenommenen, hier als Zeuge aufgetretenen, nicht bestätigt. "Er sei von Hinten zu Boden gezogen worden". Weitere Unwahrheiten und Widersprüche des Journalisten werden ebenfalls nicht angesprochen.

    Die Rechtsanwälte der Polizisten haben bereits bei entsprechend ergehendem Urteil Konsequenzen wegen dieser Falschaussagen des Journalisten angekündigt.

     

    Die Verletzung des Polizisten wurde noch am selben Tag aktenkundig gemacht.

     

    Mich kotzen einseitige Berichterstattungen an, wobei ich hier nicht parteiisch für die Polizei sein möchte. Dieser Institution bin ich ebenfalls eher kritsich eingestellt.

    Aber vielleicht regiert auch hier das Geld die Welt, ohne reißende Story keine Verkaufszahlen.

  • G
    göttinger

    Die Verhandlung ist zunächst vertagt und wird nächste Woche mittwoch fortgesetzt.

  • GH
    Gerald Hausmann

    Der Naziaufmarsch im Oktober 2005 wurde durch Barrikaden verhindert und nicht im Mai 2006. Dort dürften die Nazis nur eine Kundgebung am Bahnhof in Göttingen abhalten.

    Nachzulesen :

    http://www.goest.de/nazidemo.htm

    und

    http://www.goest.de/567328.htm