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Polizeigewalt in BerlinEin Tritt, zwei Schläge, keine Verurteilung

Ein Bundespolizist muss sich wegen Körperverletzung im Amt verantworten. Das Gericht sieht von einer strafrechtlichen Verfolgung ab.

Stress suchen: Bundespolizisten vor dem Berliner Hauptbahnhof Foto: imago

Die Anklage lautete Körperverletzung im Amt, doch verurteilt wurde der Bundespolizist dafür nicht. Stattdessen sah das Gericht von einer Strafverfolgung ab. Die Staatsanwaltschaft hatte dem 41-jährigen Beamten vorgeworfen, bei einem Einsatz einen bereits gefesselten Mann getreten und geschlagen zu haben. Der Richter am Amtsgericht Tiergarten verfügte am Mittwoch im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft statt einer Verurteilung über Auflagen. Der Beschuldigte muss nun innerhalb von sechs Monaten 2.500 Euro an die Staatskasse zahlen.

Laut Staatsanwaltschaft sei das Opfer des Polizisten im Oktober 2024 auf dem Europaplatz durch „aggressives Verhalten auffällig“ geworden. Als Be­am­t:in­nen die Person fesselten und mit zur Wache am Hauptbahnhof brachten, sei das Opfer gestolpert. Daraufhin habe der beschuldigte Polizist den Mann in den Bauch getreten und zweimal mit der Hand auf den Kopf des am Boden Liegenden geschlagen. Eine Beamtin zeichnete das Ganze mit ihrer Bodycam auf.

Der Polizeibeamte ließ bei der Verhandlung von seiner Anwältin ein Schreiben vorlesen, in dem er sich für sein Verhalten entschuldigte. Er habe in einer „stressbelasteten Situation die Kontrolle verloren“. Da das Opfer ohne festen Wohnsitz sei und deswegen schwer erreichbar, gab der Polizist an, sich stattdessen mit dem Betreuer des Mannes in Kontakt gesetzt zu haben. Bereits vor der Gerichtsverhandlung habe man sich so auf einen Opfer-Täter-Ausgleich geeinigt. Vergangene Woche überwies der Beamte 500 Euro an den Geschädigten. Damit sei der Sachverhalt auch für das Opfer erledigt, hieß es in einem Schreiben des Betreuers.

Auf Grundlage der Strafprozessordnung Paragraf 153a verkündete das Gericht zunächst von einer strafrechtlichen Verfolgung abzusehen, wenn der Polizeibeamte den Auflagen nachkommt. Bezahlt er die 2.500 Euro innerhalb des festgelegten Zeitraums, ist er auch nicht vorbestraft. Falls nicht, werde das Verfahren neu aufgerollt. Außerdem läuft gegen den Bundespolizisten ein Disziplinarverfahren. Möglicherweise könnte seine Probezeit um zwei Jahre verlängert werden.

Damit entspricht dieses Verfahren dem Trend: In den seltensten Fällen werden Po­li­zis­t:in­nen bei Körperverletzung im Amt verurteilt. Ein Forschungsprojekt an der Ruhr-Universität Bochum aus dem Jahr 2023 kam zu dem Ergebnis, dass lediglich in 2 Prozent der Fälle Anklage erhoben oder ein Strafbefehl beantragt werde. Dann kann es je nach Schwere des Vergehens bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe geben. Verurteilt würden von den 2 Prozent Angeklagten knapp die Hälfte. Das sei deutlich geringer als bei anderen Verfahren, heißt es im Forschungsbericht.

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1 Kommentar

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  • „Eine Beamtin zeichnete das Ganze mit ihrer Bodycam auf“

    Aus der Rubrik Einzelfälle: Wirkungsvolle Demonstration der Nutzlosigkeit von Bodycams, wenn die Kollegin sauber aufzeichnet, dass auf ein bereits fixierten, lediglich stolpernden Mann eingetreten wird und doch keine relevante Strafverfolgung des Polizisten erfolgt.