Polizeieinsatz: Blutiges Ende eines Freitags
Ein Tatverdächtiger widersetzt sich seiner Festnahme und verletzt zwei Beamte - sagt die Polizei. Der Festgenommene berichtet hingegen von schweren Misshandlungen durch die Polizisten
So hatte sich Michael Hubert das vergangene Wochenende nicht vorgestellt. Der Freitagabend des 40-Jährigen endete mit drei Platzwunden, einer Rippenprellung, blauen Augen und einer geschwollenen Lippe in einer Tempelhofer Verwahrungszelle. Die Verletzungen waren das Ergebnis seiner Festnahme.
Laut der offiziellen Polizeimeldung war eine Streife Samstag früh benachrichtigt worden, dass Hubert und seine Freundin in der Görlitzer Straße eine 29-jährige Frau belästigt haben sollten. Als die Beamten vor Ort eintrafen und Huberts Identität feststellen wollten, seien sie erst beleidigt und dann "unvermittelt" angegriffen worden. In der anschließenden Rangelei hätten die beiden Polizisten und Hubert Verletzungen davongetragen. Gegen ihn liegt nun eine Strafanzeige wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung vor. So weit die Version der Polizei.
Der als selbstständiger Versicherungsvertreter tätige Michael Hubert und seine 34-jährige Freundin Stephanie Noack haben eine ganz andere Sicht der Dinge. Gegen fünf Uhr morgens sei vor der Kreuzberger Maruba-Bar, dessen Mitinhaber Hubert ist, eine vollkommen aufgelöste, hysterische Frau aufgetaucht. Als Hubert nach draußen ging, wäre sie ihn konfus angegangen, hätte sich aber kurz darauf beruhigt und erzählt, sie sei im Görlitzer Park Opfer eines Raubüberfalls geworden.
Wenig später erschien die Polizei. Einer der Beamten sei "wie ein Sheriff" auf Hubert zugekommen und hätte ihn in aggressivem Ton gefragt, "was da los ist". Hubert glaubte, dass er als Täter dargestellt werden sollte. "Ich habe den Beamten in höflichem Ton gefragt, was er denn für einen Schulabschluss habe." Das sei wohl der Auslöser für alles Folgende gewesen. Zunächst sei jedoch keine Reaktion erfolgt, deshalb hätten Hubert und seine Freundin den Heimweg angetreten. Sie trennten sich kurz, Hubert wollte rasch zu seinem Auto und Noack ein Taxi suchen, da beide leicht alkoholisiert waren. Hubert hatte seit 22 Uhr "fünf bis sechs Bier" getrunken.
Fünf Minuten später sei er bei seinem Wagen angelangt, und seine Freundin habe ihm per Handy mitgeteilt, dass sie ein Taxi gefunden hätte. Just in dem Moment hätte er mehrere Schläge - "ich glaube, mit einem Knüppel" - auf den Hinterkopf erhalten. "Ich ging zu Boden, dann wurden mir Handschellen angelegt." Laut um Hilfe schreiend habe er von den Beamten Schläge ins Gesicht und gegen den Körper bekommen. Außerdem wären Sätze gefallen wie: "Jetzt kannst du mal sehen, wie es dir ergeht, du Arschloch!" Stephanie Noack hörte am Telefon alles mit - das Handy war Hubert aus der Hand gefallen, die Leitung bestand jedoch weiter.
Die Polizisten hätten erst aufgehört zu schlagen, als sie mit dem Taxi ankam, so Hubert. Mindestens acht Polizisten seien vor Ort gewesen, sagt Stephanie Noack. "Ich sah, wie Michael mit blutverschmiertem Gesicht auf dem Boden lag." Der kann sich nicht erklären, wie die angeblichen Verletzungen der Beamten zustande gekommen sein sollen. "Ich hatte doch gar keine Chance, mich zu wehren."
Nach der Festnahme wurde Hubert im Urban-Krankenhaus ambulant versorgt: "Patient wird von Polizei in Handschellen vorgeführt", heißt es im Krankenhausprotokoll. Als Hubert bat, die Fesseln zu lockern, hätte einer der Beamten gesagt: "Du kannst auch noch mehr kriegen." Die Handschellen seien ihm noch fester gezurrt worden.
Die Polizei will zu den Vorwürfen keine Stellungnahme abgeben. Michael Hubert hat keine Bedenken, seine Geschichte öffentlich zu machen: "Ich habe mir nichts vorzuwerfen." Er habe immer geglaubt, dass die Polizei ihre Grenzen klar einhalte. "Samstag früh bin ich eines Besseren belehrt worden." Gegen die Beamten hat er Strafanzeige erstattet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Wie er die US-Wahl gewann
Die Methode Trump