Polizeieinsatz nach Performance in Berlin: Kunstaktion legt Apple-Store lahm
Eine Performance im Apple-Flagship-Store läuft aus dem Ruder: Der Laden wird evakuiert, den Besuchern droht eine Strafanzeige.
Gegen 2 Uhr nachmittags ging ein Anruf bei der Polizei aus dem Apple-Laden am Berliner Kurfürstendamm ein: Unbekannte hätten eine silbrige Substanz im ganzen Laden verteilt, die aussehe wie hochgiftiges Quecksilber. Polizei und Feuerwehr rückten sofort aus, evakuierten den Laden und setzten 28 Personen fest, darunter einen blau-rot angemalten Mann in hautengem Sportanzug, dem dicke Zöpfe vom Kopf baumelten.
Tatsächlich handelte es sich bei der Aktion mitnichten um einen versuchten Giftanschlag auf Deutschlands größten Apple-Verkaufsladen. Vielmehr waren BesucherInnen des internationalen Kunstfestivals „Foreign Affairs“ gemeinsam mit dem renommierten Performancekünstler Johannes Paul Raether – das war der blau-rot angemalte Mann – im Rahmen eines Rundgangs unterwegs. Thema: die Fetischisierung gewisser elektronischer Markengeräte, mit Raether als einer Art Schamane, der den Süchtigen zur Selbstheilung verhelfe.
Die BesucherInnen waren um 13 Uhr am Haus der Berliner Festspiele mit Audioguides ausgestattet worden und folgten dem Künstler zum Laden des Elektronikherstellers. Raether habe im Zuge eines „techno-magischen Rituals“ 20-Cent-Stück-kleine Metallringe verteilt, die sie in der Hand halten sollten, berichtet ein Teilnehmer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Im Apple-Laden sollten sie eine Internetseite aufrufen, die sie weiter in der Geschichte leiten sollte. Weil die Metallringe in der Hand schmolzen, hätten sie sie neben die Computer auf die Arbeitsplätze gelegt. Nicht größer als ein Tropfen seien sie da gewesen.
Doch kein Quecksilber
Der Securitydienst in dem streng videoüberwachten Laden reagierte dennoch panisch. Die herbeigerufene Polizei sammelte 27 der insgesamt 40 TeilnehmerInnen der Aktion nebst Künstler ein. Verweise auf die Ungefährlichkeit des Materials und auf das Programm des staatlich geförderten Kunstfestivals konnten die Situation nicht entschärfen. Die Polizei ließ die Unglücklichen erst nach über vier Stunden, der Feststellung der Identitäten und Erstellung von Fotos wieder frei. Eine Kurzanalyse hatte inzwischen ergeben, dass es sich bei der Substanz um „Aluminium mit weiteren nichtgiftigen Metallen“ handelt, so die Polizei.
Gegen die 28 Personen werde Strafanzeige erstattet, wegen „gemeinschaftlicher Sachbeschädigung“, so die Polizei. Ob tatsächlich etwas beschädigt wurde, konnte sie nicht sagen. Die Festivalleitung stellte klar, sie sei davon ausgegangen, dass es zu keinerlei Rechtsverstößen bei der Aktion kommen werde. Man bedauere die „dramatische Entwicklung“. Das Festival „Foreign Affairs“ findet in diesem Jahr passenderweise unter dem Titel „Unsicherheit“ statt und läuft noch bis zum 17. Juli am Haus der Berliner Festspiele.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg