Polizeiausbildung in Berlin: Scharfe Kritik an Polizeiakademie
Gutachter aus Bayern legt Bericht zur Polizeiakademie vor: Mangel an Lehrern, erheblicher Unterrichtsausfall, schlechte Unterbringung.
Mangelhaft, nachsitzen! So könnte man den Befund des externen Sachverständigen Josef Strobl zusammenfassen. Im Auftrag des Senats hatte der pensionierte Polizeidirektor aus Bayern die krisengeschüttelte Polizeiakademie begutachtet. Am Montag stellte er im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses seinen Abschlussbericht vor. Innensenator Andreas Geisel (SPD) versprach, Strobls Handlungsempfehlungen „zeitnah und zielorientiert zu prüfen“. Ferner kündigte Geisel an, dass die Polizeiakademie am 1. Juli eine neue Führung bekommt: Tanja Knapp, bisher Chefin des Kreuzberger Abschnitts 53, wird nun nach Ruhleben wechseln.
Nach allem, was er über Knapp gehört habe, scheine sie die Richtige zu sein, sagte Strobl. „Gleichwohl ist sie nicht zu beneiden.“ Es werde wohl Jahre dauern, das zerstörte Vertrauen der Lehrkräfte zurückzugewinnen. Knapps Vorgänger Jochen Sindberg und sein Stellvertreter Boris Meckelburg hatten Anfang 2018 um Ablösung gebeten. Die frühere Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers hatte die beiden 2015 beauftragt, die Polizeischule in eine Polizeiakademie umzustrukturieren. Aber Sindberg und Meckelburg hatten keine glückliche Hand. Statt die Mitarbeiter bei der Reform mitzunehmen, seien sie arrogant und polemisch aufgetreten und hätten ihre Vorstellungen durchgedrückt, heißt es aus den Reihen der Lehrkräfte.
Die Polizeiakademie war im Herbst 2017 durch meist anonym erhobene Vorwürfe in die Schlagzeilen geraten. Polizeischülern aus Einwandererfamilien wurde pauschal Disziplinlosigkeit unterstellt, von Gewaltvorfällen war die Rede und davon, dass die Schule von kriminellen Clans unterwandert werde. Seit März 2018 hatte sich der 61-jährige Strobl in der Akademie durch die Akten gewühlt, Lehrkräfte, Auszubildende und Führungskräfte befragt. Hinweise auf Straftaten oder disziplinarrechtliche Verfehlungen fand er dabei eigenen Angaben zufolge nicht.
Die Lehrstätte an sich sei aber in einem denkbar schlechten Zustand, sagte Strobl und listete auf: viel zu wenige Lehrer, erheblicher Unterrichtsausfall, mangelhafte Unterbringung, untaugliche Einstellungsverfahren. Rechne man dauerkranke Lehrer ein, fehlten an der Akademie 50 Lehrkräfte.
Von allen Bundesländern hätten Berliner Polizeilehrer mit 26 Wochenstunden das größte Stundenkontingent. Im Vergleich zu anderen Polizeischulen leiste sich die Akademie aber auch einen viel zu großen Verwaltungsapparat. Die Bezahlung wiederum entspreche der der Kleinstadtpolizei. Was die Unterrichtsinhalte betrifft, sieht Strobl vor allem im Deutschunterricht Änderungsbedarf. Richtige Kommasetzung sei nicht so wichtig, auch das Einstellungsdiktat sei zu schwer. Nachbesserungsbedarf bestehe aber bei der Kommunikationsfähigkeit der künftigen Polizisten. Denn: „Das Wort ist die wichtigste Waffe.“ In gebührender Form und nicht in Kurzsprache: „Hey, Alter, gib mal Pappe.“
Bei seinen Rundgängen über den Campus habe er vermisst, dass sich die Leute grüßen, sagte Strobl. Beide Seiten, Schüler und Lehrer, hätten sich in den Gesprächen mit ihm mehr Ordnung gewünscht. Bei Verfehlungen habe es in der Vergangenheit zu viel Laisser-faire gegeben. „Deshalb muss man nicht gleich strafen.“ Hinschauen, nicht wegschauen und das Problem direkt ansprechen, das sei oft ein guter Weg. Probleme gebe es auch bei der Einhaltung der Dienstzeiten: „Jeder gleitet so vor sich hin.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!