Polizeiaktion auf Dresdner Anti-Nazi-Demo: 138.000 Handydatensätze ausgespitzelt
Reiche Beute: Bei der Handy-Überwachung der Anti-Nazi-Proteste in Dresden landeten 138.000 Datensätze auf dem Polizeirechner. Sachsens CDU-Innenminister verteidigt das.
DRESDEN taz | Nachdem die taz über die großräumige Handyüberwachung bei den Anti-Nazi-Protesten in Dresden berichtet hatte, hat jetzt die zuständige Polizeibehörde in Dresden Stellung bezogen. Dabei wurden Details zum Ausmaß der so genannten Funkzellenauswertung bekannt.
So wurden den Ermittlern von den Mobilfunkprovidern vom 19. Februar diesen Jahres, wie es in der Erklärung heißt, "etwa 138.000 Datensätze mit Verbindungsdaten" übermittelt. Diese wurden „von insgesamt 14 Tatorten jeweils in engen, spezifischen Zeitfenstern erhoben“, heißt es. Wie groß diese Zeiträume sind, bleibt unbekannt. Wie groß genau das Gebiet ist, in dem die benannten 14 Tatorte sein sollen, ebenfalls.
Grund für die Abfrage der Verbindungsdaten bei den Providern, die von der Polizeibehörde drei Tage nach den Protesten bei der Staatsanwaltschaft Dresden beantragt und vom zuständigen Ermittlungsrichter vom Dresdner Amtsgericht angeordnet wurde, seien mehrere schwere Landfriedensbrüche gewesen. „Aus Gruppen heraus hatten Unbekannt an mehreren Orten Einsatzkräfte und polizeiliche Einrichtungen angegriffen und beschädigt“, so die Polizeidirektion Dresden.
„Unser Ziel ist die Aufklärung der schweren Straftaten. Dafür müssen wir wissen, wer sich zum Tatzeitpunkt innerhalb der Funkzelle aufgehalten hat“, teilte Dresdens Polizeipräsident Dieter Hanitsch mit. Die Daten wurden in mehreren Fällen allerdings auch zweckentfremdet und flossen in Ermittlungen wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ein. „Aufgrund der Festlegung der Staatsanwaltschaft ist eine Verwertung in Bezug auf Blockadeaktionen ausgeschlossen“, stellt die Polizeibehörde dazu zerknirscht fest.
Widersprüchliche Angaben machen die Behörden zur Frage, ob die rund 138.000 Datensätze noch immer gespeichert sind. So heißt es in der offiziellen Pressemitteilung von Polizei und Staatsanwaltschaft: „Verbindungsdaten von Personen, die nicht Gegenstand des Verfahrens sind, werden unverzüglich gelöscht“. Ein Polizei-Sprecher dagegen bestätigte der taz schriftlich, dass die Rohdaten noch gespeicher sind. Sie „werden auf Speichermedien der sächsischen Polizei gespeichert“, erklärte er.
Unterdessen hat sich am Montagnachmittag aus Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) zu dem Vorfall geäußert. „Ich habe heute von dem Sachverhalt erfahren. Selbstverständlich dürfen die Daten nur für die Aufklärung von erheblichen Straftaten verwendet werden“, erklärte er. Zugleich erinnerte er daran, dass am 19. Februar vermummte und gewaltbereite Rechts- und Linksextremisten eine Vielzahl von Straftaten begangen haben. „Polizei und Staatsanwaltschaft brauchen diesen Daten, um die Straftaten aufklären zu können“, so Ulbig.
Die Oppositionsparteien in Sachsen forderten am Montag Aufklärung von der Landesregierung. Die SPD-Fraktion hat eine umfangreiche parlamentarische Anfrage gestellt, die Grünen eine Sondersitzung des Innenausschusses beantragt. Kommende Woche befasst sich zudem der Landtag mit dem Thema.
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