Polizeiaffäre: Fahndung nach den Kritikern
Präsident Jantosch schweigt weiter öffentlich und greift intern die Autoren des Briefes an. Gewerkschaft der Polizei fordert Innensenator Ahlhaus zum Eingreifen auf.
Hamburgs Polizeipräsident Werner Jantosch katapultiert sich weiter ins Abseits: Der wegen seines diktatorischen Führungsstil öffentlich aber anonym von hochrangigen Polizeiführern kritisierte Polizeichef lehnt weiterhin jegliche öffentliche Stellungnahme ab. Er gibt sogar der Gewerkschaft der Polizei (GDP) einen Korb, die den Dialog mit ihm suchte. Die GDP fordert nun das Eingreifen von CDU-Innensenator Christoph Ahlhaus.
Inzwischen hat nach taz-Informationen im Polizeiapparat die Fahndung nach der Gruppe von Polizeiführern und sogenannten "Nestbeschmutzern" begonnen, die in einem Brief harsche Kritik an der Führungsriege um Jantosch und die Polizeidirektoren Kuno Lehmann und Peter Born, geübt hatten. Den dreien wird vorgeworfen, ein "Kartell des Schweigens" errichtet zu haben, verpatzte Großeinsätze würden nicht mehr selbstkritisch aufgearbeitet, Kritiker in der Polizei diffamiert und strafversetzt.
Schikanöses Vorgehen
So hatte Lehmann beispielsweise den Streifenpolizisten Kamiar M., der sich 2007 beim damaligen Polizeipräsidenten Udo Nagel über ihn beschwert hatte, zu sich ins Büro zitieren lassen, um ihn dann vom Mobilen Einsatzkommando mit gezückten Schusswaffen überwältigen zu lassen. Anlass: M. war eines Sexualdeliktes beschuldigt worden, wurde aber inzwischen vom Amtsgericht freigesprochen.
In einer internen Mail hat Jatosch inzwischen die öffentlichen Vorwürfe scharf kritisiert: "Ich bedauere es sehr, dass ein solches diffamierendes Bild der Polizei Hamburg in die Öffentlichkeit getragen wurde. Wer so vorgeht, schadet dem Ansehen der Polizei ernorm", zitiert die Hamburger Morgenpost die Jantosch-Mail. "Niemand, wirklich niemand, muss sich um einen Mangel an demokratischer Werthaltung der Hamburger Polizeibeamten sorgen", so Jantosch. Er würde gern mit den Kritikern das offene Gespräch und den Dialog führen. "Das ist das Führungsverständnis der Polizei Hamburg."
Dass dem offensichtlich nicht so ist, musste der GDP-Landeschef, Uwe Koßel, am Freitag erfahren: "Herr Jantosch lehnte auf heutige Anfrage der GDP Gespräche ab und steht nicht zur Verfügung", sagt Koßel, dem nun langsam Zweifel an Jantosch aufkommen. "Wenn sich Personen über das Verhalten der Polizeiführung anonym äußern müssen, dann ist dies ein schlechtes Zeichen für die Polizei und spricht für mangelnde Offenheit in der Polizeiführung", kritisiert er. In einer modernen und leistungsfähigen Polizei müsse Kritik angenommen und dürfe nicht unterdrückt werden. Nur so könne sich Polizeiarbeit verbessern und Veränderungen in der Gesellschaft Rechnung tragen. Die GDP stehe weiterhin zum Dialog bereit.
Senator soll eingreifen
Koßel bekräftigte nochmals, dass nun Innensenator Ahlhaus (CDU) gefordert sei. Er könne nicht einfach schweigen, da er sich in Polizei-Interna nicht einmischen wolle. Ahlhaus sei schließlich der politische Verantwortliche für die Polizei. "Statt seine ganze Energie auf seine Bürgermeisterkandidatur zu verwenden, ist Herr Ahlhaus gefragt, jetzt an der richtigen Stelle anzupacken", sagt Koßel. "Er hat noch 14 Tage Zeit die Vorwürfe aufzuarbeiten". Selbst wenn er von den Missständen gewusst habe, müsse er nun fragen: "Zur Hölle noch mal, was ist da eskaliert"? sagt Koßel. "Der Brief war ein Hilferuf." Der Gewerkschafter versteht auch nicht, warum die Grünen "nicht in die Bresche springen, sondern ebenfalls abtauchen".
In die gleiche Kerbe schlägt auch die Linkspartei-Innenpolitikerin Christiane Schneider. Ahlhaus Schweigen sei die Fortsetzung des Problems. "Die oberste Polizeiführung schweigt und Herr Ahlhaus hat nichts zu sagen", empört sie sich. "Ich fordere den Innensenator auf, sich der Kritik aus den Reihen der Polizei zu stellen und das Primat der Politik gegenüber der Polizei durchzusetzen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren