Polizei stürmt Barrikaden in Kiew: „Wir bleiben stehen!“
Nach drei Wochen Massenprotesten in der Ukraine eskaliert die Lage. Die Polizei rückt gegen die Demonstranten auf dem Maidan vor. Doch die Menge dort wird nicht kleiner.
KIEW ap/dpa | In der ukrainischen Hauptstadt Kiew ist die Polizei in der Nacht zum Mittwoch hart gegen das Protestcamp auf dem Unabhängigkeitsplatz vorgegangen. Doch leisteten Tausende Menschen Widerstand gegen die Räumung und drängten die Polizisten zurück. Es gab Verletzte und Festnahmen.
Das Innenministerium droht mit einem harten Durchgreifen gegen Demonstranten. Jeder Widerstand werde als versuchte Organisation von Massenunruhen eingestuft, teilte das Ministerium am Mittwochmorgen in Kiew mit. Gegen Provokateure sollten Tränengas und andere Mittel eingesetzt werden.
Am Platz der Unabhängigkeit in Kiew – dem Maidan – standen sich am Mittwochmorgen Tausende Demonstranten und Truppen der Sondereinheiten Berkut (Steinadler) gegenüber. Die Lage war gespannt. Immer mehr Menschen strömten trotz eisiger Kälte von minus 8 Grad Celsius und einer Schneedecke auf den Maidan. Auf einer Bühne sprachen Regierungsgegner öffentlich Gebete und sangen Lieder.
Die Ukraine fordert 20 Milliarden Euro Finanzhilfe von der Europäischen Union für den Abschluss des ausgehandelten Abkommens über engere Zusammenarbeit und freien Handel. „Wir wollen Bedingungen schaffen, um die Verluste für die ukrainische Wirtschaft zu verringern“, sagte Ministerpräsident Nikolai Asarow am Mittwoch bei einer Kabinettssitzung. „Wir schlagen vor, diese Frage über die Zuweisung finanzieller Hilfe zu lösen“, betonte der Regierungschef der verarmten Ex-Sowjetrepublik örtlichen Medien zufolge. Die Ukraine hatte vor großen Problemen etwa für den wichtigen Agrarsektor gewarnt, falls Unternehmen aus der EU freien Marktzugang erhielten. (dpa)
Mit Hundertschaften umstellten Sicherheitskräfte am Maidan das Gewerkschaftshaus. Dort liegt das von der Opposition so bezeichnete Stabquartier des nationalen Widerstands gegen die Führung des prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Die Ausgänge in den Metrostationen im Zentrum waren gesperrt.
Klitschko ruft zum Widerstand auf
Oppositionsführer Vitali Klitschko rief seine Landsleute auf, sich den Protesten anzuschließen. „Wir sagen Nein zum Polizeistaat, Nein zur Diktatur“, rief er der Menge zu. Hunderte folgten dem Aufruf und strömten auf den Platz.
Am frühen Morgen waren starke Polizeikräfte gegen das Protestlager auf dem Maidan im Zentrum von Kiew vorgerückt und hatten versucht, die Barrieren um das Camp niederzureißen. Als sie auf Widerstand trafen, zogen sich die Beamten zunächst an die Ränder des Lagers zurück, setzten dann aber erneut zum Sturm auf das Camp an.
Einige Protestler skandierten Parolen wie „Schämt euch!“ und „Wir bleiben stehen!“ und stimmten die ukrainische Nationalhymne an. Vor Ort war auch ein orthodoxer Priester, der Gebete verlas. Etliche Demonstranten hielten zudem weiter das Rathaus besetzt, wie in den vergangenen Wochen. Sie besprühten die Eingangsstufen mit Wasser, damit sich Eis bildet und dies die Polizei vom Sturm auf das Gebäude abhält.
Am Maidan räumten die Sicherheitskräfte einige der Barrikaden ab. Die Reste wurden mit Bulldozern weggeschoben. Die Polizei teilte nach einem Bericht der Agentur Interfax mit, es gehe nur darum, die Zufahrten zum Maidan freizubekommen, nicht aber das Zeltcamp auf dem Platz selbst zu zerstören.
Ashton in Kiew
Die Proteste hatten vor drei Wochen begonnen, nachdem Präsident Viktor Janukowitsch ein unterschriftsreifes Assoziierungsabkommen mit der EU auf Eis gelegt und eine Hinwendung zu Russland angekündigt hatte. Die Opposition kämpft dagegen für einen pro-westlichen Kurs.
Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und die US-Staatssekretärin Victoria Nuland halten sich in Kiew auf, um zwischen der Regierung und der Opposition zu vermitteln. Janukowitsch selbst signalisierte zuletzt, dass das Assoziierungsabkommen mit Brüssel noch nicht vom Tisch sei und die Ukraine immer noch an einer Integration in Europa interessiert sei. Zudem stellte er die Freilassung von Demonstranten in Aussicht, die bei vorangegangenen Protesten festgenommen wurden.
Die Opposition fordert hingegen nichts weniger als den Rücktritt der Regierung und die Einsetzung einer neuen Führung, die das Abkommen mit der EU unterzeichnen soll.
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