piwik no script img

Polizei stellt Einsatzstrategie vorAufgalopp in Gorleben

Beim Castortransport will die Polizei "konsequent gegen Gewalttäter vorgehen". Damit meint sie alle, die sich nicht an Gesetze halten und nennt Clowns und Bauern mit Treckern.

Rund 16.000 Polizisten aus der ganzen Bundesrepublik werden im Einsatz sein. Bild: dapd

Die Polizei will beim bevorstehenden Atommülltransport nach Gorleben friedlichen Protest ermöglichen, gegen Gewalttäter aber konsequent einschreiten. Gewalt übt aus polizeilicher Sicht bereits aus, wer sich nicht an die Gesetze hält.

Die Organisatoren der Proteste im Wendland verwahren sich gegen die Gleichsetzung von Gewalt und Straftat. Nicht jeder, der Gesetze übertrete, sei ein Gewalttäter. Bei den Aktionen gegen den Castor dürften aber keine Menschen zu Schaden kommen. So lässt sich zusammenfassen, was Castorpolizei und Castorgegner gestern in Hannover mit Blick auf das kommende Wochenende vortrugen.

Thomas Osterroth, Einsatzleiter für den Schienentransport, geht davon aus, dass die meisten Protestaktionen friedlich verlaufen. Die Grenze zu nicht friedlichem Protest überschreite schon, wer andere bei Gesetzesbrüchen unterstütze. Eine Straftat sei auch das Ausbuddeln von Schottersteinen aus dem Gleisbett der Castorstrecke. Auch "Personen auf den Gleisen" werde die Polizei nicht längere Zeit dulden.

Für Gesamteinsatzleiter Friedrich Niehörster sind neben "Schotterern" und "Autonomen" auch "aggressive Clowns, die den Beamten lächerlich machen wollen", und die Trecker der atomkraftkritischen Landwirte ein Problem: "Traktoren sind Blockademittel und Provokationsmittel gegenüber den Beamten."

Gleichwohl zeigte sich Niehörster neugierig, mit welchen Mitteln die Atomkraftgegner den Castortransport blockieren wollen. Nach den Sitzblockaden und den Ankettaktionen in den vergangenen Jahren sei er "gespannt", mit welchen Neuerungen die Demonstranten dieses Mal aufwarteten. Das Know-how für fortgeschrittene Blockadetechnik sei vor Ort vorhanden, im Wendland gebe es "alle Arten von Handwerkertum". Die Polizei werde ihrerseits auf Bewährtes zurückgreifen und den Einsatz von Wasserwerfern als "Hilfsmittel der körperlichen Gewalt" nicht ausschließen. Angemessen dosiert und aus größerer Entfernung abgeschossen, sei ein Strahl aus dem Wasserwerfer nicht schlimmer als eine Dusche mit einem Eimer Wasser.

Die Frage, ob wegen der angekündigten Massenproteste auch eine Umkehr des Castortransports möglich sei, stellt sich Niehörster angeblich nicht. "Wir werden diese Behälter an ihr Ziel bringen." Auch für Anti-Atom-Aktivist Jochen Stay bemisst sich ein Erfolg der Castorproteste nicht daran, ob der Atommüllkonvoi zum Umdrehen gezwungen wird. "Entscheidend ist, dass die Bundesregierung umkehrt."

Kerstin Rudek, Vorsitzende der Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, kündigte "sehr kreative, sehr vielfältige" Protestaktionen an. Von der Castorschotterei mochte sie sich nicht distanzieren. Die BI selbst halte sich ans Bürgerliche Gesetzbuch und biete auch denen eine Plattform, die das erste Mal in Gorleben demonstrierten. Zum Schottern rufe die Bürgerinitiative nicht auf, es gebe im Wendland "aber viel Sympathie dafür".

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • K
    kritiker

    Ja, natürlich ist das Demokratie, und das sieht im Übrigen auch schon immer so aus. Noch nie über den Begriff "Staatsgewalt" nachgedacht?

     

    Der erste Demonstrant wurde im Übrigen bereits 1952 bei einer Demo gegen die Wiederbewaffnung erschossen. In Notwehr, wie immer, selbstverständlich.

     

    Nachzulesen z.B. bei Wikipedia: Philipp Müller (KPD)

  • SM
    Sabine Meier

    Man gewinnt langsam den Eindruck die ganze Politik mitsamt der Leitung der Exekutive ist reif für eine geschlossenen Anstalt.

    Mir machen die Angst. Entweder die machen langsam mal wieder Politik für und mit dem Volk oder es kommt irgendwann zu einer blutigen Auseinandersetzung. Warum nur siegt Gier und Korruption immer gegen Anstand und Vernunft. Die Bezeichnung Bananenrepublik für die BRD ist allmählich eine Beleidigung für jede Bananerepublik.

  • D
    Daniel

    "Der entscheidende Punkt ist, dass Sie einen Begriff von Gewalt haben, der nicht dem meinen entspricht. Sie können über eine solche Gewaltform schreiben und dagegen polemisieren, Sie können aber wahrscheinlich nichts anfangen mit einer Definition, die da heißt:

     

    Gewalt ist erstmal eine sozialökonomische Kategorie. Was heißt Gewalt? Über Gewalt verfügt derjenige in einer Gesellschaft, der über Grundstruktursetzung einer Gesellschaft verfügt. Das sind Eigentumsverhältnisse, das sind Machtstrukturen, das sind bestimmte Institutionen, Verfügungsgewalt dort und dort und dort. Wer hat Eigentum gehabt, wer hat Verfügungsgewalt gehabt, etc. etc. Wohl nicht Studenten. Also die sozialökonomische Struktur der Gewalt ist nicht bei Studenten erstmal zu finden, es ist eine Gesellschaftsstruktur, die in sich die Gewalt produziert, reproduziert, unvermeidlicherweise, weil sie so ist, wie sie ist. Und sie prägt den Terrorismus, sie ist in sich voll mit Terrorismus geladen. [...]

     

    Ich will hier jetzt den Zusammenhang erstmal herstellen: ...sozialökonomische Struktur einer Gesellschaft, die in sich Gewalt hat. Die nicht gewaltlos ist, sondern voller Gewalt. Jetzt Gewalt verstanden als sozialökonomische Kategorie. Ob sie damit einverstanden sind, sei jetzt erstmal dahingestellt.

     

    Jetzt kommen wir zur politischen Form der Gewalt. [...] Wenn eine sozialökonomische Struktur ist, die Latenz von Gewalt in sich trägt und die Gesellschaft damit prägt, so kommt's zu Formen der Gewalt, und da gibt's die verschiedensten. Da gibt's natürlich auch die Gewalt derjenigen, die glauben, dass sie legal die Macht ausüben; und von den vielen illegalen Tätigkeiten der Organisationen, die legal die Macht in Händen haben, darüber brauche ich nicht mit Ihnen zu reden, die haben Sie kennengelernt in Berlin, besonderer Höhepunkt '67, was zur Erschießung von Benno Ohnesorg führte, da war eine legale Demonstration, angekündigt, alles was dazu gehört, und plötzlich wird von A bis Z illegal eine Polizeiaktion durchgeführt, um eine Demonstration zu zerschlagen und einen Despoten gut nach Hause kommen zu lassen, der heißt Schah von Persien. Diesen Zusammenhang dürfen Sie nicht aus dem Blick verlieren."

     

    - Rudi Dutschke, 1978, Quelle: http://www.youtube.com/watch?v=frg-hO7BK9o

  • J
    janedo

    @paulpanther

    vielleicht sollten wir auch wieder die todesstrafe einführen, aber niemandem davon erzählen. dann wird das land demokratischer !!!

  • P
    paulpanther

    warum sind die verantwortlichn eigentlich seit jahren so blöd, und veröffentlichen das datum der castor-transporte??? sollen sie es doch quasi "geheim" machen, so dass man nur ein bruchteil des polizei-aufgebotes bräuchte. das würde den steuerzahler ne menge geld sparen, was in sinnvollere projekte gesteckt werden könnte.

  • T
    Tacheles

    Angemessen dosiert und aus größerer Entfernung abgeschossen, sei ein Strahl aus dem Wasserwerfer nicht schlimmer als eine Dusche mit einem Eimer Wasser.

     

    Ich gehe nie wieder Duschen. Könnten mir doch die Augen aus dem Koppe fallen.

  • S
    Stefan

    Hach, wenn die Polizei die Schandtaten ihrer eigenen schwarzen Schafe einmal so differenziert untersuchen würde, wie sie hier Gewalt definiert...

     

    Irgendwie klingt das beängstigend. Da wird Lächerlich machen durch einen Clown bereits als offene Provokation bezeichnet, der man mit Gewalt begegnen muss? Und nach dem Unfug in Stuttgart werden weiterhin Wasserwerfer eingesetzt? Und die Bauern, die mit ihrem Treckern die Straßen versperren wollen, gelten auch gleich als Straftäter?

     

    Vielleicht sollten sich diejenigen, die sich diesen Sprachduktus für die Polizei ausgedacht haben, überlegen, in welchem Land wir leben! Gewalt fängt doch nicht dort an, wo niemand handgreiflich wird! Gewalt fängt dort an, wo jemand handgreiflich wird und die Gesundheit anderer gefährdet. Doch wie kann ein Trecker die Gesundheit gefährden? Wie kann "Lächerlich machen" die Gesundheit gefährden?

     

    Ist wirklich zu befürchten, dass es ein neues S21 gibt? Ich hoffe nicht. Ansonsten braucht sich die Polizei nicht zu wundern, dass der Respekt ihr gegenüber weiter abnimmt, die Gewaltbereitschaft aber zu. Liebe Uniformierte: Ihr habt eine Vorbildfunktion für dieses Volk! Nutzt sie endlich! Eure Kollegen, die täglich Streifendienst tun, werden es euch danken!

  • R
    roterbaron

    Seit wann hat die Polizei das Recht die Gesetze auszulegen? Was ein Gewalttäter ist und was nicht, haben die nicht zu bestimmen, das ist Sache von Juristen! Das hat meiner Meinung nach vor keinem Gericht ne Chance!

  • T
    Tom

    Ja, da werden Konflikte wieder auf dem Rücken der Polizei ausgetragen.

     

    Stellt Euch mal vor, es ist Castortransport und die Polizei demonstriert mit. Schade, das ziviler Ungehorsam bei der Polizei nicht geduldet wird.

  • OS
    Oma Schmitz

    Definitiv die schlimmste Form von "Clownsangst", die bisher in Deutschland aufgetreten ist.

  • C
    Celsus

    Interessant finde ich den Hinweis, dass aus Sicht der Polizei bereits derjenige Gewalt ausübe, der sich nicht an die Gesetze halte. Das ist falsch und kann auch nicht für eine einzelne Behörde richtig sein. Schließlich ist nicht jedes Delikt ein Gewaltdelikt und berechtigt auch nicht jedes Delikt gleich zum Gewalteinsatz der Polizei.

     

    Sollte aus dieser falschen rechtlichen Darstellung ein falsches Polizeihandeln hervorgehen, wird es einen weiteren Untersuchungsausschuss und weitere Ermittlungen gegen Polizeibeamte geben müssen.

     

    Zu hoffen ist, dass sich die Polizisten rechtstreu verhalten, auch wenn bislang die Politiker keine Nummern auf der Kleidung der Polizisten haben wollten, die eine Identfizierung ermöglichen.

  • C
    clown

    "Für Gesamteinsatzleiter Friedrich Niehörster sind neben "Schotterern" und "Autonomen" auch "aggressive Clowns, die den Beamten lächerlich machen wollen"

     

    was anderes als lächerlich machen kann man diese leute, die sich selbst zu niederen befehlsempfängern degradieren, sowieso nicht.

  • A
    Anonym

    Konsequentes Vorgehen seitens der Polizei heißt, mit allen Mitteln verhindern, dass Protestanten an die Schienen ran kommen.

    Mittel, die der Polizei im Wendland zur Verfügung stehen, sind der Knüppel!

    Für Inhaftierungen wird weder Zeit noch Platz sein. Und dessen sind sich die Polizisten bewusst!

    Das wiederum lässt darauf schließen, dass viele der Polizisten mit dem Bewusstsein in die Demo hineingehen, zuzuschlagen wenn es sein "muss".

     

    Und das nennen sie Demokratie?

  • GM
    Gosig Mus

    "Angemessen dosiert und aus größerer Entfernung abgeschossen, sei ein Strahl aus dem Wasserwerfer nicht schlimmer als eine Dusche mit einem Eimer Wasser."

     

    Aha. Angemessen dosiert ist auch ein Pflasterstein nicht schlimmer eine laue Sommerbrise. Dann ist ja alles gut.

  • Q
    Quersteller

    "Gewalt übt aus polizeilicher Sicht bereits aus, wer sich nicht an die Gesetze hält". Dann sind ja wohl die aggressiven Clowns in Berlin, die den Bürger lächerlich machen, die Gewalttäter. Denn die verstoßen gegen Art. 20 GG ((1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

    (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus) und gegen ihren Amtseid: "Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde." Und das Atomklo nützt nur den Stromkonzernen und dass dieses dem "Volk" (auch dem in X-tausend Jahren), das mehrheitlich gegen diesen asozialen Irrsinn ist, Schaden zufügt, ist wohl nicht von der Hand zu weisen.

  • S
    Stefan

    Innerhalb der Polizei kursiert immer noch das Ammenmärchen - oder besser: die Lüge - dass die Clowns mit ihrens Spritzpistolen "Säure auf die Beamten spritzen" würden, "um diese zu verletzen". Das geht zurück auf einen Vorfall vor vielen Jahren, bei dem sich in den Wasserpistolen Seifenblasenflüssigkeit befand. Der typische Bereitschaftspolizist wird auf Grundlage dieser Legende immer noch scharfgemacht, denn die Clowns "seien die allerschlimmsten", wie sich ein Polizist gegenüber mir äußerte.

     

    Die Bereitschaft, Behauptungen von Vorgesetzten kritisch zu hinterfragen, scheint nicht besonders verbreitet zu sein bei der Polizei. Aber vermutlich will man das auch einfach glauben, um das Feindbild aufrecht erhalten zu können.

  • BS
    Überkritische Schnecke

    Die Polizisten auf dem Bild sind vorbildlich: Sie benutzten ein natürliches Fortbewegungsmittel. Das gute alte Pferd.

     

    Im Gegensatz zu den Demonstranten, die mit Motorenlärm und Abgasen der Trekker IHREN EIGENEN LEBENSRAUM vergiften.