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Polizei schießt auf UnbeteiligtenZufallsopfer mit Kopfschuss

Bei der Suche nach einem Straftäter schießt die Polizei einem Unschuldigen in den Kopf. Er ist in Lebensgefahr, sein Anwalt spricht von schlampigen Ermittlungen.

Nach dem Polizeieinsatz mit lebensgefährlichem Ausgang. Foto: dpa

Schwerin dpa | Nach dem Schuss eines Polizisten auf einen Autofahrer in Lutheran bei Parchim hat der Anwalt des am Kopf lebensgefährlich Verletzten schwere Vorwürfe erhoben. „Da ist schlampig ermittelt worden, es saßen die Falschen im Auto“, sagte Rechtsanwalt Benjamin Richert am Montag und bestätigte damit Medienberichte. Der Rechtsanwalt kündigte eine Strafanzeige gegen die Polizisten an, unter anderem wegen Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr.

Ein Mobiles Einsatzkommando (MEK) der Polizei aus Hamburg wollte am Freitag einen wegen Körperverletzung verurteilten Mann aus der Rotlichtszene festnehmen, der seine Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten nicht angetreten hatte. Er war jedoch nicht in dem Auto, dafür zwei laut Richert unbeteiligte Männer. „Das waren Zufallsopfer, ein krasser Irrtum“, sagte er. Der Angeschossene habe sein rechtes Auge verloren. Sein Schädel sei verletzt, und er liege im künstlichen Koma.

Nach seinen Worten hatten die beiden, die lose mit dem Gesuchten bekannt seien, den Wagen bei dessen Mutter ausgeliehen. Sie wollten demnach Dachbleche für den Bau eines Holzlagers transportieren.

Das Auto war von Zivilfahrzeugen des MEK in der Ortschaft Lutheran abgedrängt und eingekeilt worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Schützen unterdessen wegen Körperverletzung im Amt, wie ein Sprecher sagte.

Wie der Rechtsanwalt weiter sagte, hatten Polizisten bereits zwei Tage zuvor in Plau einen Container gestürmt, der Arbeitern einer Baufirma als Pausenraum diente. Der Grund sei gewesen, dass das Auto des Gesuchten in der Nähe gestanden habe. Eine Sprecherin des Landeskriminalamtes Mecklenburg-Vorpommern erklärte, ein SEK der Landespolizei habe die Bauarbeiter, die in ihrem Fahrzeug saßen, zum Aussteigen aufgefordert und ihre Personalien überprüft. Dabei habe sich herausgestellt, dass der Gesuchte nicht dabei war.

Richert vertritt nach eigenen Worten auch den Gesuchten. Er habe seinem Mandanten empfohlen, sich zu stellen, sagte der Jurist. Das habe der Mann auch für die nächsten 10 bis 14 Tage zugesagt. Bis dahin wolle er noch verschiedene berufliche und private Dinge regeln.

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7 Kommentare

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  • Warum wird hier wegen Körperverletzung ermittelt? Ein Kopfschuss ist doch ganz klar Mordversuch! Polizei ermittelt gegen Polizei, mal sehen ob das vors Gericht kommt (https://www.youtube.com/watch?v=xQoWU22-q-8).

  • (...) lose mit dem Gesuchten bekannt seien, den Wagen bei dessen Mutter ausgeliehen.(...)

     

    ...lose bekannt, aber das Auto geliehen bekommen...

     

    (...) einen wegen Körperverletzung verurteilten Mann aus der Rotlichtszene festnehmen, der seine Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten nicht angetreten hatte.(...)

     

    (...)Das habe der Mann auch für die nächsten 10 bis 14 Tage zugesagt. Bis dahin wolle er noch verschiedene berufliche und private Dinge regeln.(...)

     

    Klingt nach einem hoeflichen Kerl, wenn er erst noch ''private Dinge" regelt, bestimmt besucht er seine Oma. Vermutlich ist das MEK einfach so gerufen worden, weil grade kein anderer Zeit hatte. Und natuerlich hat der Fahrer auch direkt alle Anweisungen der Polizei befolgt und wurde aus purer Boshaftigkeit des Beamten beschossen. [/ironie aus]

     

    Anderer Blickwinkel: Fluechtiger verurteilter Gewaltverbrecher aus dem Rotlicht-Milieu wird vom MEK gesucht, weil gefaehrlich. Bekannte von ihm fahren sein Auto, widersetzten sich bei der Kontrolle, und dann fallen Schuesse...

     

    Polizei-bashing ist leider total im Trend...

    (Uebrigens ist die Ladung auf dem Pickup nicht richtig gekennzeichnet. Die steht hinten ueber.)

    • @Cp.Obvious:

      Komisch. Hab ich das mit dem "widersetzen sich der Kontrolle" doch glatt überlesen...

       

      Ach nee, doch nicht, ist ja nur eine freie Erfindung, damit es in die eigene Vorstellungswelt noch reinpasst, nicht wahr? Blöd nur, dass die Zufallsopfer nicht nur unschuldig, sondern auch noch unbewaffnet waren. Damit hätte ja nun wirklich kein MEKler rechnen können, "unbewaffnete" Verdächtige, sowas gibts wohl nur noch auf dem platten Land in MeckPomm...?

       

      Naja, Hauptsache die Staatsanwaltschaft folgt den Angaben der Polizei hinsichtlich einer "Gefährdungslage", welche den "Schusswaffengebrauch vermutlich rechtfertigte". Wow. "vermutlich" ist schon ausreichend? Fast so schön wie "potentiell".

       

      Ach so, ja, natürlich. Auf "Anweisungen nicht befolgen" steht heutzutage schon mal Kopfschuss - zumindest, wenn man wegen zweieinhalb Jahre Gefängnis gesucht wird. Uli Hoeness hatte übrigens dreieinhalb. Ob die fleissigen Beamten dessen Verbleib im Zweifel auch mit Kopfschuss ermittelt hätten, wenn er nicht bei drei aus dem Auto...? Is ja auch egal, schliesslich liegt ja die Ladung nicht so ganz korrekt auf der Fläche, wie das Foto zeigt, das vielleicht nur wenige Stunden später gemacht wurde, also nachdem der Pickup von Zivilfahrzeugen von der Strasse gedrängt und eingekeilt wurde (wobei sich Dachbleche als Transportgut ja bekanntlich nicht verschieben können, egal in welche Richtung), nur wenige Stunden also, nachdem ein paar maskierte, schwarz gekleidete Gestalten mit gezogenen Knarren aus eben diesen Zivilfahrzeugen sprangen und dem Verdächtigen seine Rechte verlasen bevor sie das Feuer eröffneten... oder doch eher umgekehrt?

       

      Angeblich war das Opfer ja ebenfalls "polizeibekannt", hätte also ahnen können was kommt... oder tat er das vielleicht auch? Aber gut, dass die Sondereinheiten der Polizei keine Probleme mit schiesswütigen "Rambos" haben, die ballern ja wirklich nur dann unbewaffneten Fahrern den Kopf weg, wenn die Ladung nicht ordentlich gesichert wurde.[/ironieoff]

  • Bin eigentlich Pro-Polizei: Aber hier ist ganz viel danebengegangen

  • Ich warte schon auf die Apologeten aus dem üblichen politischen Spektrum mit ihrem "Kann ja mal vorkommen".

  • Wohl zuviel Rambo&Co geguckt auf der Wache.

     

    Aber im Ernst: Entwaffnet die Polizei nach englischem Vorbild.

  • wenn andre im Auto gesessen wären, wäre Kopfschuss berechtigt gewesen?