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Polizei filmt DemosVorsicht, Kamera!

Die Bereitschaftspolizeien der Länder filmen mit mobilen Kamerawagen präventiv Demonstrationen, obwohl das rechtlich nicht erlaubt ist. Die Politik sieht bislang keinen Handlungsbedarf.

Filmt präventiv die Demonstranten: ein Kamerawagen der Polizei, hier bei der Nazi-Demo in Lübeck. Bild: Markus Scholz

HAMBURG taz | Die Hamburger Polizei filmt rechtswidrig Demonstrationen. Das hat eine kleine Anfrage der innenpolitischen Sprecherin der GAL-Fraktion, Antje Möller, an den Hamburger Senat ergeben. „Die Videoüberwachung friedlicher Demonstrationen ist polizeiliche Praxis geworden“, kritisiert Möller. „Anlasslos und systematisch – die Praxis muss ein Ende haben.“

Wer in Hamburg von seinem Recht auf Demonstration öfter Gebrauch macht, kennt sie schon: Die roten oder blauen Kleinbusse mit dem kleinen schwenk- und zoombaren Kamera-Arm auf dem Dach, der die Versammlung unscheinbar aber live auf Monitore übertragen, aber auch zwecks Auswertung speichern kann.

Über vier dieser so genannten „Beweissicherungsfahrzeuge“ verfügt die Hamburger Bereitschaftspolizei. Auch bei anderen Länderpolizeien kommen die Fahrzeuge in großen Städten oder zuletzt am Wochenende in Lübeck und Plön zum Einsatz.

Video-Observation

Der Einsatz von Videotechnik gehört zum Standardrepertoire polizeilicher Arbeit, ist aber verfassungsrechtlich bei Demonstrationen nicht unbedenklich oder unzulässig.

Erlaubt ist der Einsatz von Videokameras bei Versammlungen unter freien Himmel nach der Strafprozessordnung zur Verfolgung von Straftaten.

Unzulässig ist der Einsatz von Kameras zur Gefahrenabwehr, die durch die Polizeigesetze der Bundesländer geregelt ist, wenn es dadurch zu Beschränkungen des Versammlungsrecht kommt.

In einem Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Videoüberwachung einer Straße mit Kriminalitätsschwerpunkt (Hamburger Reeperbahn) zur Gefahrenabwehr zwar zulässig ist, jedoch zum Schutz der Anwohner keine Hauseingänge gefilmt werden dürfen.

Seit April 2010 werden die Gefährte systematisch eingesetzt. Seither wurden die Observationsfahrzeuge laut Hamburger Senat bei 39 Demonstrationen eingesetzt. „Darunter waren 30 Anlässe, bei denen aufgrund fehlender Gefahrenlage auf eine Speicherung des Videomaterials verzichtet wurde“, so die Senatsantwort – zuletzt bei dem „Stopp ACTA“-Protest und der norddeutschen Anti-Nazi-Demonstration.

Auch wenn die Aufzeichnungen nicht gespeichert worden sind, war der Einsatz des Kamerawagens dennoch rechtwidrig. So sieht es zumindest das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen in Münster. In einem ähnlich gelagerten Fall hatten die Richter entschieden, dass das Übertragen der Bilder auf einen Monitor das „Versammlungsgrundrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt“.

Selbst wenn die Bilder nicht gespeichert würden, werde die „grundrechtlich relevante Eingriffsschwelle überschritten und die innere Versammlungsfreiheit der Teilnehmer beeinträchtigt“, so die Richter. Bürger hätten aus Sorge vor staatlicher Überwachung von der Teilnahme an der Versammlung „abgeschreckt“ werden können, erklärt das OVG Münster.

Den Einwand der Polizei, das Aufzeichnungssystem habe sich lediglich in einem „jederzeit arbeitsfähigen Zustand“ befinden müssen, falls es zu Straftaten kommen sollte, ließen die Richter nicht gelten. Ein „polizeiliches Vorsorgekonzept“ hätte dadurch gewährleistet werden können, in dem eine im Stand-by-Modus geschaltete Kamera erkennbar von der Versammlung abgewendet vorgehalten worden wäre. Die Polizei sei dann in der Lage gewesen, „innerhalb weniger Sekunden eine Gefahrenlage im Bild einzufangen, ohne dafür anlasslos durchgehend Bilder der Versammlung auf einen Monitor zu übertragen“. In einem anderen Fall hatte das Verwaltungsgericht Berlin ebenso entschieden.

„Die Polizei darf nicht grundlos mit dem Kamerawagen vor einer Demonstration her fahren“, sagt der Hamburger Verwaltungsrechtler Carsten Gericke. Beim Filmen unterscheide das Verfassungsgericht nicht in der Frage, ob die Bilder nur auf einen Monitor übertragen oder gespeichert werden. „Das kann ein Demonstrationsteilnehmer, der sich abgeschreckt fühlt, gar nicht erkennen“, sagt Gericke.

So sieht es auch Michael Ebeling vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung Hannover, der gerade eine Verfassungsklage gegen das neue niedersächsische Versammlungsgesetz eingereicht hat. Denn auch im neuen Gesetz spielt die Videoüberwachung eine Rolle. „Ich kenne Leute, die wirklich nicht zu einer Demo gegangen sind, weil sie Angst vor dem Filmen hatten“, sagt Ebeling.

Für die Hamburger Verwaltungsrechtlerin und Richterin am Hamburgischen Verfasungsgericht Cornelia Ganten-Lange ist die Rechtslage eindeutig. In zwei Entscheidungen habe das Bundesverfassungsgericht festgehalten, dass das Filmen „ohne Ermächtigungsgrundlage“ – also zwecks Beweissicherung bei Straftaten – ein Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht sei. „Es gibt eine relativ klare Rechtssprechung“, sagt Ganten-Lange, „Verstößt die Polizei dagegen, muss die Maßnahme in jedem Einzelfall gerichtlich angegriffen werden.“

Auf die Frage, der GAL-Politikerin Antje Möller, ob dem Hamburger Senat die Rechtslage bekannt sei, antwortete dieser nur lapidar: „Die rechtlichen Vorgaben des Versammlungsgesetzes werden beachtet.“

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