Polizei droht mit Räumung von besetztem Platz: Da warens plötzlich zwei
Freunde der Bauwagengruppe Zomia gründen Dependance und besetzen freies Areal in Bahrenfeld. Senat stellt Strafantrag und lässt Polizei zur Räumung auffahren.
Nachdem die angeblich so aufnahmewillige rot-grüne Mehrheit in der Bezirksversammlung Altona dem von der Räumung bedrohten Wilhelmsburger Bauwagenplatz lediglich einen Behelfsplatz am Holstenkamp anzubieten wusste, suchte sich Zomia am Mittwoch einfach selbst eine geeignete Freifläche.
Mit zehn Wagen besetzte die Gruppe ein Grundstück in der Schützenstraße Ecke Leverkusenstraße in Bahrenfeld und konnte dort bis zu 200 UnterstützerInnen begrüßen. Am Abend musste sie das Areal wieder verlassen, nachdem die Räumung angedroht worden war.
"Wir hatten uns schon vor zwei Wochen überlegt, ein Transparent ,Welcome Zomia' anzubringen", sagt eine Anwohnerin, als sie am Mittag die Bauwagen-Leute erspäht. Auch die Lebensmittelhändlerin freut sich offenbar über die neuen Nachbarn.
"Endlich kommt hier wieder ein bisschen Leben in die Straße", sagt sie mit Blick auf ein Banner in den Bäumen - "Häuser und Plätze denen, die sie bewohnen." Daneben hängen die Konterfeis des Bezirksamtsleiters Mitte, Markus Schreiber (SPD), und des rechtspopulistischen ehemaligen Innensenators Ronald Schill. "Zeiten ändern sich", steht darüber - "Politiker nicht".
Das städtische Gelände direkt neben dem ehemaligen Bauwagenplatz Schützenstraße ist frei, seit hier vor zwei Jahren das Verwaltungsgebäude einer Fischfabrik abgerissen wurde. Verwaltet wird es vom Immobilien-Management der Finanzbehörde. Die hat bislang keinen Investor finden können, der gemäß Bebauungsplan "störendes und produzierendes Gewerbe" dort betreiben möchte.
Just am Abend vor der Besetzung hatte nach eigenen Angaben der Bauausschuss des Bezirks Altona mitgeteilt bekommen, dass eine Kfz-Werkstatt Interesse an der Fläche angemeldet und von der Bezirksverwaltung einen Vorbescheid bekommen habe.
"Das heißt noch nicht, dass da tatsächlich gebaut wird", so Robert Jarowoy, Abgeordneter der Linksfraktion und Vorsitzender des Bauausschusses, beim abendlichen Besuch auf dem Platz. Kurz zuvor war den Anwesenden mit Räumung gedroht worden, hatte die Polizei schweres Räumgerät in Stellung gebracht. "Das ist eine politische Entscheidung im Rathaus, die ich nur zu überbringen habe", sagte Bauwagenbeauftragter des Bezirks Altona, Klaus Meyer.
Aus Sorge um ihre Fahrzeuge entfernten die Bauwagenbewohner sie vom Gelände. Eine kurzfristig angemeldete Kundgebung untersagte die Polizei mit der Begründung, es handele sich um Privatgelände.
Sie stellte sich damit gegen ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, demzufolge auf städtischen Grundstücken das Versammlungsrecht uneingeschränkt Anwendung findet. "Sie dürfen nur Richtung Holstenkamp ziehen und da wohnen Sie dann", wies der Polizei-Einsatzleiter die Wagenleute an. Nach längeren Verhandlungen durfte doch noch ein Demonstrationszug in Richtung Schanzenviertel ziehen.
Innensenator Michael Neumann (SPD) bedauerte am Nachmittag gegenüber der taz, dass es "zu dieser Eskalation gekommen ist". Er hoffe auf eine friedliche Lösung "auf Grundlage des Altonaer Vorschlags, einen Platz am Holstenkamp zur Verfügung zu stellen".
Leser*innenkommentare
haha
Gast
Einseitigere Berichterstattung geht nicht, Herr von Appen, Frau Kaiser !
TinTin
Gast
Nein,
anders herum wird ein Schuh daraus:
man muss inzwischen jeden x-beliebigen Platz besetzen, damit sich im Kopf der Politiker überhaupt noch was bewegt...
Sind wir doch mal ehrlich: jeder dahergelaufene Immobilienentwickler bekommt unentgeltlich eine sogenannte "Anhandgabe" städtischer Grundstücke,
wenn er sich bloß irgendwie entfernt dafür interessiert... teilweise für ein Jahr und länger!
Und bei Wagenbewohnern wird so ein Terz gemacht, obwohl sie nicht mal was geschenkt wollen.
Die Hamburger Regierung hat nach über zwei Jahren "Recht Auf Stadt"-Bewegung nichts dazu gelernt.
Stefan Jahn
Gast
Nur weil "normale Wohnungssuchende" sich "keine Traumstandorte" mehr aussuchen können, heißt das nicht, das andere das dann auch nicht dürfen. Das, was du schreibst, ist die Logik der Hamburger SPD. Und die versucht mit diesem "Argument", Wohnungsuchende und Bauwagenbewohner in "gut" und "schlecht" zu spalten (scheint in deinem Fall ja gelungen zu sein).
Umgekehrt wird aber ein Schuh draus:
Genauso wie Bauwagenbewohner, können auch Wohnungssuchende Wohnungen und Häuser besetzen. Das ist bei dieser desaströsen Wohnungspolitik mehr als gerechtfertigt.
Im übrigen: Die Ausweichfläche, von der du sprichst, ist eben nicht akzeptabel. Das sagt sogar die Hamburger SPD ("Übergangslösung")! Die Fläche ist zu klein und liegt genau neben/in einem Gelände/Gebäude der Altenpflege. Der Lärm und die Action, die von einem Wohnprojekt wie Zomia ausgeht, kann man den alten Menschen einfach nicht zumuten. Ich gehe auch mal davon aus, das die SPD auch hier wieder niemanden gefragt hat. Mal ganz davon abgesehen, das ich nach der ganzen Taktiererei der SPD davon ausgehe, das diese "Übergangslösung" keine endgültige Lösung nach sich ziehen wird, sondern Zomia auch dort wieder geräumt werden wird. Das ganze Theater, was jetzt veranstaltet wird, hat doch nur einen Zweck: Den öffentlichen Druck, der auf Schreiber lastet, zu kanalisieren.
grünspan
Gast
Ich muß gestehen, das ich zwar durchaus Sympathien für die Bauwagenleute hege und finde, auch diese Wohnform muß in einer Millionenstadt wie Hamburg möglich sein. Das sie in Wilhelmsburg von unserem Zaun-Sheriff vertrieben werden sollen, wo sie niemanden stören und eine eh nicht genutzte Fläche nutzen, finde ich völlig daneben.
Ihnen ist vom Bezirk Altona eine Ausweichfläche angeboten worden, die ist ihnen aber nicht gut genug. Und da hört mein Verständnis dann doch auf.
Wir normalen Wohnungssuchenden können uns auch schon längst keine Traumstandorte mehr aussuchen, weil die nicht bezahlbar sind. Und die vom Bezirk Altona angebotene Fläche, liegt durchaus akzeptabel. Ich wohne selber dort in der Nähe.
Zu meinen, man kann jeden x beliebigen Platz einfach besetzen und er stünde einem zu, das geht mir auf den Keks.
Meine Sympathien sind verpufft.