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Polizei am Bremer HauptbahnhofSchieben und abschieben

Bremens Innensenator räumt ein, dass seine Vertreibungspolitik gegen die Drogenszene am Bahnhof erfolglos ist. Dennoch setzt er auf mehr vom Gleichen.

Nicht alle sind am Bremer Hauptbahnhof gern gesehen: Süchtige will der Innensenator vertreiben Foto: Hauke-Christian Dittrich

Bremen taz | Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) hat der Drogenszene in der Innenstadt den Kampf angesagt: Ganze 2.996 Einsatzstunden hat seine Polizei in den vergangenen sechs Wochen rund um den Hauptbahnhof verbracht, sie hat 1.293 Personen kontrolliert, 175 Strafanzeigen erstattet.

Schon im Sommer hatte es Großkontrollen und Sondereinsätze gegeben, mit Platzverweisen und allem Pipapo. Sogar eine Fußgängerbrücke hatte die Innenbehörde für drei Monate sperren lassen: Dort brauchte dann zwar kein Bürger mehr Angst vor Süchtigen zu haben, aber es konnte sie eben auch niemand benutzen.

Dennoch heißt es in der aktuellen Vorlage für eine Sitzung der Innendeputation am gestrigen Mittwoch: „Eine merkliche Verbesserung ist jedoch trotz dieses hohen Aufwandes nicht eingetreten, da die zum Teil sehr schwer suchterkrankten Menschen kaum Verhaltensänderungen aufzeigten.“

Eine Überraschung ist das Scheitern für Fachleute nicht: Die Leiterin der Drogenberatungsstelle „Comeback“, Cornelia Barth, hatte schon beim groß inszenierten Aufschlag im Sommer prognostiziert, dass die Kon­su­men­t­*in­nen bleiben würden: Rund um den Bahnhof finden Süchtige ihre Dealer. Und auch die offiziellen Hilfsstrukturen der Stadt wie der Szenetreff „Käfig“ sind dort verortet. „Aber selbst unabhängig von Hilfsangeboten werden sich Menschen in der Mitte der Stadt treffen“, so Barth.

Zuckerbrot und Peitsche, Schieben und Ziehen

Dass auch Innensenator Mäurer den Erfolg seiner Hundertschaften im Nachhinein als eher gering einschätzt, ändert zumindest für sein Ressort nichts an der grundsätzlichen Strategie. Mäurer spricht nun vom „Schieben und Ziehen“ – wobei sein Ressort beim Schieben bleiben möchte.

Fürs Ziehen sind andere verantwortlich, Gesundheits- und Sozialressort etwa. Seit Mittwoch gilt rund um den schon länger bestehenden Drogenkonsumraum an der Friedrich-Rauers-Straße, 500 Meter vom Bahnhof entfernt, ein sogenannter Akzeptanzort.

Zum Start sind Poller zur Verkehrssicherung gesetzt, der Müll ist beseitigt, Bänke sind aufgestellt. „Ich will nicht sagen, dass das ein attraktiver Ort ist“, sagt Daniel Heinke, Leiter der Abteilung für öffentliche Sicherheit im Innenressort, „aber es kann ein akzeptierter Raum werden, ein vernünftiger Ort für die Zielgruppe.“

Die Hauptattraktion, die Drogensüchtige anziehen soll, sind freilich nicht die Bänke, nicht die sozialen Angebote, auch nicht das Essensangebot, das hier eventuell noch aufgebaut wird; die Hauptattraktion ist vielmehr: Dro­gen­nut­ze­r*in­nen werden im Akzeptanzraum nicht kontrolliert, nicht genervt und nicht vertrieben. Polizei und Ordnungsamt schauen weg.

Dealer sollen abgeschoben werden

Neben diesem offensiven Ignorieren sieht das Innenressort seine eigene Aufgabe aber vor allem unvermindert im Schieben – sprich: im Verdrängen. So wurde am Hauptbahnhof trotz der bisherigen Misserfolge auch am vergangenen Wochenende wieder ein großer Sondereinsatz gefahren: Von Freitag bis Sonntag wurden laut Polizei „unzählige Personen“ rund um den Hauptbahnhof überprüft.

Der Fahndungserfolg ist angesichts dessen eher mäßig: Ein Dutzend Strafanzeigen und die Beschlagnahme von 100 Verkaufseinheiten nicht näher bestimmter „Drogen“ sowie zahlreicher Messer verkündete die Polizei.

Weil das alles nicht fruchtet, plant Mäurer nun noch härtere Maßnahmen. Der neue Plan: Die Dealer werden nicht mehr als einzelne Kriminelle betrachtet, sondern als gewerbsmäßige Bande. Das setzt das mögliche Strafmaß rauf. Außerdem, so heißt es aus dem Innenressort, sei bei den vielen Kontrollen erkannt worden, dass die meisten Dealer aus Guinea stammten und kein Aufenthaltsrecht hätten.

Bei der Bürgerschaftssitzung am vergangenen Donnerstag hatte Mäurer angekündigt, mit diesem Wissen in Zukunft auch mehr Dealer abzuschieben – exakt das hatte zuvor in der Debatte auch der AfD-Abgeordnete Thomas Jürgewitz gefordert.

Straßenhändler im Visier

Es geht dabei explizit nicht um die großen Drahtzieher: Die werden aktuell schon einigermaßen erfolgreich strafrechtlich verfolgt, weil französische Ermittlungsbehörden ihre geheimen Chats über Encrochat geknackt hatten. 68 Haftbefehle vor allem gegen Hintermänner gab es bereits.

Die angekündigte neue Abschiebestrategie richtet sich hingegen hauptsächlich gegen die Ebene der kleinen Straßenhändler. Anders als die Kon­su­men­t*in­nen sollen die Dealer auch am Akzeptanzort weiter durch die Polizei verfolgt werden. Ob die Händler tatsächlich den Ort wechseln oder mit ihren Angeboten weiter am Bahnhof bleiben, ist also fraglich.

Die Künstlergemeinschaft am Güterbahnhof zwischen Friedrich-Rauers-Straße und Hauptbahnhof sieht sich jedenfalls schon jetzt als Leidtragende der Verdrängung und Verlagerung: Man merke, dass „unser Areal zunehmend von Dro­gen­kon­su­men­t:in­nen und Wohnungslosen frequentiert wird“, heißt es in einem offenen Statement der Künstler*innen. Denn: „Vielen Kon­su­men­t*in­nen ist die Friedrich-Rauers-Straße zu weit vom Hautbahnhof entfernt.“

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2 Kommentare

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  • Das Vorgehen von Herr Mäurer ist unverständlich, es sei denn, man erkennt, dass er sein Blick auf ein Teil der konservativen (rechten?) Wählerschaft richtet.



    Vorgehen gegen kleine Dealer am Bahnhof (und anderswo) ist absolut unwirksam. Nimmt man einer fest, gibt es zwei die die Stelle einnehmen. Das hat die Stadt Amsterdam bereits vor 40 Jahre in ihrem Streit um den "Kopf der Zeedijk", die Drogenszene direkt dem Hauptbahnhof gegenüber, lernen müssen. Aus nächster Nähe habe ich damals erlebt wie versucht wurde geghen Dealern vorzugehen, vergebens. Bis man erkannt, das man nicht sosehr gegen die kleine, sondern gegen den Drahtziehernvorgehen sollte.Heute werden, nicht nur in Amsterdam, Häuser und Geschäfte gandenlos geschlossen (zugezimmert!), wenn bei eine Kontrole harte Drogen angetroffen werden bzw. die Grenzen des "tollerierten Besitzes" überschritten werden. Ohne Rücksicht auf die soziale Position der Bewohner oder Betreiber. Das zeigte Wirkung, die Zeedijk ist relativ sauber, normale Geschäfte sind langsam aber sicher zurück gekommen.



    Wenn Herr Mäurer aber unbedingt mit eine hohe Zahl von Strafanzeigen glänzen will und gleichzeitig die Bewohner*Innen dieser Stadt in ihr Sicherheitsgefühl stärken möchte, sollte er die für seine sinnlose Putzaktionen am bahnhof eingesetzte Poliezkräfte vielleicht eine Zeitlang einsetzen um im ÖPNV die Regeln zu handhaben.

  • Im Weser Kurier gab es letztens einen Bericht zur Situation am Hauptbahnhof der die Bedeutung der Art der konsumierten Drogen hervorgehoben hat. Speziell wurde Crack angesprochen. Es wurde beschrieben, dass abhängige 24/7 Stunden vor Ort sind, weil Crack nur sehr kurz wird und auch nicht substituiert werden kann. Sie fahren nicht einmal mehr in ihre Wohnungen.



    Dealer, die Crack verkaufen, sollten noch einmal extra hart belangt werden.