Polizei-Chef über BKA-Reform: "Wir sind auf Kooperation angewiesen"

Die geplante BKA-Reform wird bei der Terror-Abwehr nicht zur Konkurrenz der Behörden führen, meint Klaus Hiller, Präsident des Landeskriminalamtes in Baden-Württemberg.

Das Ablegen der Kofferbomben auf dem Kölner Hauptbahnhof im Juli 2006 hätte auch mit Online-Durchsuchung nicht verhindert werden können. Bild: ap/bka

taz: Herr Hiller, bisher war ausschließlich die Landespolizei für die Gefahrabwehr zuständig. Mit der BKA-Reform soll nun erstmals auch das Bundeskriminalamt präventive Befugnisse erhalten. Sind Sie sauer, dass Ihnen das BKA bald die Terrorabwehr wegnimmt?

Klaus Hiller 57, ist seit 2005 der Präsident des baden-württembergischen Landeskriminalamts. Er begann seine Laufbahn 1971 bei der Bereitschaftspolizei in Lahr (Schwarzwald), zuletzt war er Chef der Polizeidirektion in Offenburg. Gestern hat auch der Bundesrat der lange umstrittenen BKA-Reform zugestimmt. Damit bekommt das BKA präventive Befugnisse, die bislang ausschließlich bei den Länderpolizeien lagen.

Klaus Hiller: Hier wird nichts weggenommen. Die Landeskriminalämter sind ja weiter für die präventive Terrorabwehr zuständig - künftig aber gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt. Dass das BKA bisher keine präventiven Befugnisse hatte, war in der Tat eine unverständliche Lücke, die man sich angesichts der Bedrohungslage nicht mehr leisten kann und will.

Sie sehen da also keine Konkurrenz zwischen Bundes- und Landeskriminalämtern?

Überhaupt nicht. Wir arbeiten schon bisher bei der Strafverfolgung eng und vertrauensvoll zusammen und werden das künftig auch bei der Gefahrenabwehr tun. Die BKA-Reform, wie sie sich jetzt als Kompromiss darstellt, ist unter den Landeskriminalämtern nicht umstritten. Dass sie im Vorfeld kritisch diskutiert wurde, ist völlig normal im Föderalismus. Es wäre doch grotesk, wenn wir angesichts der Terrorgefahr in Kompetenzstreitigkeiten verfallen. Denken Sie nur an die Anschläge von Bombay …

Wie soll diese Zusammenarbeit denn konkret aussehen? Muss das BKA das LKA Baden-Württemberg künftig fragen, wenn es Terrorhinweise in Stuttgart prüfen will?

Das BKA nimmt die Terrorabwehr laut Gesetz "im Benehmen" mit den Ländern wahr. Das BKA muss uns also nicht um Erlaubnis bitten, wird uns aber sofort informieren, wenn es in Baden-Württemberg tätig wird. Glauben Sie mir: Es gibt hier keine Gegensätze, wir sind alle auf Kooperation angewiesen. Das BKA kann ja ohnehin nicht alles selbst leisten, sondern wird uns im Wege der Amtshilfe um Unterstützung bitten, zum Beispiel wenn eine Wohnung in Baden-Württemberg zu überwachen ist.

Und wenn etwas schiefgeht, wer trägt dann die politische Verantwortung: der Bund oder das jeweilige Land? Wirft diese Doppelzuständigkeit nicht ganz neue Probleme auf?

Polizei-Zusammenarbeit ist doch nichts Neues! Nehmen wir als Beispiel die Ermittlungen gegen die islamistische Sauerland-Gruppe, die Autobombenanschläge plante. Diese wurde anfangs präventiv überwacht. Da arbeiteten zunächst die Landeskriminalämter von Baden-Württemberg, Bayern, Saarland und Hessen zusammen. Das BKA war in den Informationsaustausch eingebunden. Nach einigen Monaten wurde vom Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahren wegen Verdacht auf Bildung einer terroristischen Vereinigung eröffnet. Das BKA übernahm nun die Ermittlungen und bildete gemeinsam mit den betroffenen Ländern eine Ermittlungsgruppe. So sieht die Praxis heute schon aus.

Kritiker fürchten, dass sich das BKA der Kontrolle der Bundesanwaltschaft entzieht, indem es solange wie möglich im Bereich der Prävention verbleibt?

Warum sollte es? Weder für die Landeskriminalämter noch für das BKA wäre dies plausibel. Bund und Länder haben stets ein vorrangiges Interesse, die Kompetenz der Bundesanwaltschaft möglichst frühzeitig zu nutzen. Die Bundesanwaltschaft war, gerade im Bereich des internationalen Terrorismus, noch nie ein Hemmschuh für uns. Den Gegensatz, den manche Kritiker konstruieren, sehe ich nicht. Außerdem laufen im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum in Berlin alle Informationen über Terror-Strafverfolgung und -Gefahrenabwehr zusammen. Dort ist auch die Bundesanwaltschaft beteiligt und deshalb immer gut informiert.

Das BKA darf künftig heimlich auf private Computer zugreifen. Das LKA hatte und hat diese Möglichkeit zur Online-Durchsuchung nicht. Verändert das die Polizeiarbeit?

Nein, die Bedeutung der Online-Durchsuchung wird häufig überschätzt. Es ist kompliziert, heimlich in einen Computer einzudringen, das wird es nur ganz selten geben. Aber bei wirklich schwerwiegenden Bedrohungen brauchen wir dieses Instrument. Zum Schutz der Bevölkerung vor Anschlägen darf es in Zeiten der Terrorgefahr keine überwachungsfreien Räume geben. Zu Zeiten der RAF stellte sich die taktische Frage: Was verrät uns das Notizbuch oder der Papierkorb? Heute ist eben die Festplatte eines PC für uns wichtig.

Hätten Sie die Kofferbomber von NRW mit Hilfe präventiver BKA-Befugnisse und Online-Durchsuchungen rechtzeitig entdecken können?

Vermutlich nicht, weil es wohl um eher spontan handelnde Täter ging. Auch mit den neuen Befugnissen wird es nie hundertprozentige Sicherheit geben.

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