Polizei-Akademie Berlin: Strukturreform sorgt für Probleme
Innenausschuss veranstaltet Anhörung zur Polizeiakademie. Personalratsvertreter beklagen Überbelastung der Lehrkräfte
Die Diskussion über die Polizeiakademie geht weiter. Inzwischen hat die Polizeiführung einen Bericht zu den Vorwürfen vorgelegt, die seit Wochen im Zusammenhang mit der Polizeischule erhoben werden. Als haltlos erwiesen haben sich dabei Behauptungen, dass Polizeischüler mit Migrationshintergrund zunehmend negativ auffielen. Das heißt aber nicht, dass auf dem Campus in Ruhleben, wo der Nachwuchs für den mittleren Dienst ausgebildet wird, alles im Lot ist. Am Montag beschäftigte sich der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses erneut mit der Polizeiakademie. Diesmal in Form einer Anhörung.
Um mit der steigenden Zahl der Schüler mithalten zu können, war in der Schule Ende 2016 eine Strukturreform erfolgt. Seither heißt die Einrichtung auch Akademie. Für die Lehrkräfte sei das mit einem „Philosophiewechsel“ verbunden gewesen, sagt Jochen Sindberg, Leiter der Polizeiakademie am Montag. „Früher war das eine Lehrstätte von Hierarchie.“ Externe Sachverständige aus dem Berufsschulbereich und interne Arbeitsgruppen hätten an der Transformation zu einer modernen Bildungseinrichtung mitgewirkt. Das heiße aber nicht, dass die Auszubildenden machen könnten, was sie wollten. Disziplin sei sehr wichtig. Aber mit „Unterwerfungspädagogik“ könnten keine mündigen, verantwortungsfähigen Polizisten geformt werden.
Thorsten Schleiheider und Victoria Kreutzer, beide Mitglieder des Personalrats, beschrieben die Situation aus Sicht der Beschäftigen. Die gestiegene Arbeitsbelastung drücke „doll“ auf die Stimmung, hieß es. Derzeit gebe es 1.200 Polizeischüler in drei Jahrgängen, früher habe die Zahl bei 500 gelegen. Aus dem schriftlichen Bericht der Polizeiführung, der der taz vorliegt, ergibt sich, dass eine Lehrkraft vor der Reform im Durchschnitt 825 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten zu absolvieren hatte. Künftig werden es 976 Einheiten sein. Zudem würden 150 Lehrkräfte eingespart, merkte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, am Montag an. Kein Wunder, wenn es Spannungen gebe.
Mitarbeiter, die sich bei der Behördenleitung beschwerten, würden „als Querulanten abgestempelt“, sagten die Personalratsvertreter. Zwischen Altem und Neuem müsse es einen vernünftigen Mittelweg geben, forderten sie. Kreutzer und Schleiheider kritisierten auch, dass Polizeischüler künftig ab dem 2. Semester regelmäßig Praktika auf den Abschnitten absolvieren sollen. Den Abschnittsbeamten müsse freigestellt werden, Praktikanten zu nehmen, sonst seien diese im Streifenwagen nur „Achslastbeschwerer,“ sagte Schleiheider.
Auf dem Campus in Ruhleben wird der Polizeinachwuchs für den mittleren Dienst ausgebildet. Anwärter für den gehobenen Dienst werden an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Lichtenberg unterrichtet. Das praktische Training findet für alle in Ruhleben statt.
Aufgrund eines von der früheren rot-roten Landesregierung verhängten Einstellungsstopps wurden zwischen 2003 und 2006 gar keine neuen Polizisten ausgebildet. Erst seit 2016 werden wieder 1.224 Anwärter pro Jahr ausgebildet: je zur Hälfte im mittleren und im gehobenen Dienst.
Pro Klasse gebe es eine Person, „die Bauchschmerzen“ bereite, sagte der Psychologe Ahmad Mansour bei der Anhörung. Das könne ein deutschstämmiger Polizeischüler mit einer sehr rechtslastigen und ausländerfeindlichen Einstellung sein oder auch ein junger Mann türkischer oder arabischer Herkunft, der frauenfeindliche oder antisemitische Meinungen vertrete. Beides komme vor und sei nicht zu akzeptieren. Mansour unterrichtet als Gastdozent an der Polizeiakademie interkulturelle Kompetenz. „Wir brauchen eine differenzierte Debatte über die Zustände, um Lösungen zu finden“, forderte er.
Im Januar wird im Innenausschuss weiterdiskutiert. Denkbar sei es auch, einen unabhängigen Sachverständigen mit der Untersuchung der Probleme zu betrauen, sagte Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD). 17 neue Stellen und 500.000 Euro zur „Prozessoptimierung“ sehe der Haushaltsplan 2018/2019 für die Polizeiakademie vor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Selenskyj bringt Nato-Schutz für Teil der Ukraine ins Gespräch
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Überraschende Wende in Syrien
Stunde null in Aleppo