Politische Vorsätze für 2025: Die verflixten ersten zehn Tage
Unsere Kolumnistin blickt auf den Beginn des politischen 2025. Ihr Anspruch für das neue Jahr: Nicht den Verstand verlieren.
M ein Vorsatz für 2025 ist: Machen, dass es vorbeigeht. Mir ist bewusst, dass 2026 und alles danach wohl noch schlimmer wird. Und dass die „Das war das schlimmste Jahr!“-Memes auch schon zehn Jahre alt sind. Aber lasst mich. Das ist meine Neujahrskolumne. Ich brauche das jetzt!
Dabei gibt es nicht nur Negatives: Das Beste am Jahresstart 2025 ist bisher, dass sich die „Dieses Jahr endlich abnehmen!“-Posts, Veganuary, Dry January, „2025 wird mein Jahr!“ und die „Meine neue Sportroutine“-Selbstoptimierungs-Posts in Grenzen halten. Der Anspruch ist: Überleben ohne dabei den Verstand zu verlieren. Das ist das gesündeste Leben, das geht. Mehr ist nicht drin.
Ich hatte 2025 schon Eiscreme, um Musk zu verdauen, Wodka gegen Weidel (hilft nicht) und habe rituell gekifft, um Söder auszutreiben. Sport habe ich ausfallen lassen, um endlich rauszufinden, was die Kürzungen im Kulturhaushalt nun konkret für mich bedeuten, und um eine Fehlbesetzung im ARD-Kulturprogramm zu diskutieren. Ihr versteht das sicherlich.
Laut einer Umfrage der DAK ist der häufigste Neujahrsvorsatz der Deutschen für 2025 die Reduzierung von Stress. Das finde ich tatsächlich sehr sympathisch und nachvollziehbar. Da mache ich mit. Allerdings sollte die DAK mal ihre Erkenntnisse mit den Kolleg*innen von der AOK teilen.
Leute, die nicht sich selbst, sondern Ausbeutung und Unterdrückung optimieren wollen, haben es selbstverständlich leichter im Vorsätze-Game. Und auch sie sind aus der Weihnachtspause zurück: Die Unternehmerverbände Berlin-Brandenburg möchten Feiertage auf einen Sonntag verlegen, der Chef schlägt vor, dass Arbeitnehmer*innen am ersten Krankheitstag keinen Lohn mehr bekommen sollen, und der Kanzlerkandidat der CDU plädiert dafür, Deutschen unter gewissen Umständen die Staatsbürgerschaft zu entziehen.
Nicht allen Deutschen. Merz macht da Unterschiede, die ich hier nicht ausführen muss. Dieser Wahlkampf ist unerträglich. Als hätte jemand „Rassismus“ in die Stellenausschreibung für Bundeskanzler geschrieben.
Reicht dann auch mal mit Wahlkampf
Der Wahlkampf geht offiziell gerade erst los? Ich finde, das war schon mehr als genug. Kaum auszumalen, wie viel Hass und Hetze wir in den nächsten Wochen noch zu hören bekommen. Trump ist noch nicht im Amt, und trotzdem ist schon alles schlimm genug. Vielleicht bekomme ich aus den USA aber auch gerade einfach nur zu viel mit, weil ich nicht die ganze Zeit nach Österreich schauen mag.
Wo setzen wir an? Alles scheint gleich wichtig oÜder gleich belanglos. Ich könnte mich für alles, das in Gefahr ist, einsetzen oder gegen alles, das angegriffen und bedroht ist, protestieren. Meine politische To-do-Liste lässt sich nicht mehr nach Prioritäten ordnen.
Wenigstens dafür aber gibt es eine einfache Lösung: Ich verbinde mich mit Menschen, denen es ähnlich geht. Die sich gerade die gleichen Fragen stellen. Das mache ich jetzt. Jedoch mit dem dumpfen Gefühl, dass uns die Räume dafür ausgehen: Überteuerte Mieten, Kultur- und Sozialabbau nehmen uns die Räume in der Stadt. Und auch im digitalen Raum wird es immer komplizierter, sich gegenseitig zu finden und auszutauschen.
Mark Zuckerberg hat angekündigt, die Meta-Dienste nach X-Vorbild umzubauen. Und all das waren erst die ersten zehn Tage 2025.
Ich hätte nie gedacht, dass ich es mal vermisse, dass mir Leute von ihrer Frühjahrsdiät erzählen.
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