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Politische Mobilisierung im Web 2.0"Gutes Image für lau"

Auf dem jüngsten Podium beim taz-Kongress diskutierten die Pioniere der politischen Onlinewelt darüber, wie wichtig das Internet mittlerweile für Wahlkämpfe ist.

Das große Vorbild im Hintergrund: Obama. Bild: caterina werner

Barack Obamas erfolgreicher Onlinewahlkampf war die Reverenzgröße der Diskussion. Seit Obama im Internet Millionen von Unterstützern für seine Politik mobilisierte, spielt das Web 2.0 zunehmend auch für den deutschen Wahlkampf und in der politischen Lobbyarbeit eine wichtige Rolle. Nach dem Vorbild Obamas melden sich auch deutsche PolitikerInnen wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier beim Sozialen Netzwerk Facebook an und lassen sich auf Twitter das Zwitschern beibringen.

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Ein Blog oder auch Weblog (Wortkreuzung aus den englischen Begriffen World Wide Web und Log für Logbuch) ist ein auf einer Webseite geführtes und damit meist öffentlich einsehbares Tagebuch oder Journal. Häufig ist ein Blog endlos, d. h. eine lange, abwärts chronologisch sortierte Liste von Einträgen. „Typisch fürs Blogen sind die Kommentarfunktion und dass die Textgattung zwischen Meinung und Bericht changiert, und dass man Videos und Bilder dazustellen kann“, sagt Blogerin Julia Seeliger. „Aber eigentlich kann man machen, was man will.“

Twitter ist ein soziales Netzwerk und ein Mikro-Blogging-Dienst. Angemeldete Benutzer können Textnachrichten mit maximal 140 Zeichen senden und die Nachrichten anderer Benutzer empfangen. Die Nachrichten werden „Tweets“ (engl. to tweet, dt. zwitschern) genannt. Auf Twitter kann man andere Benutzer „verfolgen“ und deren Nachrichten abonnieren. Ebenso können andere Benutzer die eigenen Nachrichten „verfolgen“.

Die TeilnehmerInnen des Podiums haben das Web 2.0 schon länger für ihre Arbeit entdeckt: Felix Kolb ist Mitgbegründer von Attac Deutschland und arbeitet derzeit für Campact.de , eine Online-Plattform nach dem Vorbild von MoveOn.org. Die Kunst- und Medienwissenschaftlerin Ute Pannen hat über den Online-Wahlkampf von Barack Obama publiziert und betreibt den Politblog apparentpolitics.com. Ricardo Remmert-Fontes setzt sich für den Schutz von Bürgerrechten und Privatsphäre ein. Er ist Mitbegründer des Aktionsbündnisses Freiheit statt Angst.

Benedikt Lux ist Abgeordneter der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus und beschäftigt sich mit den Themen Gefahrenabwehr, Kriminalitätsbekämpfung und Datenschutz. Julia Seeliger war Mitglied im Grünen-Parteirat und betreibt seit inzwischen fünf Jahren den Blog Zeitrafferin. Außerdem gestaltet Seeliger Blogs für Grüne Politiker, unter anderem für den Spitzenkandidaten der Grünen für die Europawahl, Reinhard Bütikofer. Online kann man sich ein „gutes Image für lau“ verschaffen, sagt sie.

Was den Stand der Online-Mobilisierung in Deutschland betrifft, waren sich die DiskussionsteilnehmerInnen einig: Heute kommt man am Internet nicht mehr vorbei, wenn man politisch etwas bewirken will. Dennoch müsse man zwischen dem Netz und der Realität unterscheiden.

Wie viele Freunde ein Politiker auf Facebook hat, sei zwar für diejenigen interessant, die ebenfalls bei dem Sozialen Netzwerk angemeldet seien, sagte der Grüne Abgeordnete, Benedik Lux. In der Realität spiele das aber noch keine entscheidende Rolle. „Man kann sich dem nicht entziehen, aber man sollte es nicht überschätzen“, sagte Lux. Es gäbe immer noch viele Menschen, mit deren Lebensrealität Facebook und Twitter nichts zu tun hätten.

Felix Kolb von Campact.de, der online für Demonstrationen gegen Castortransporte oder für das Verbot von Genmais mobilisiert, misst dem Internet dagegen eine größere Bedeutung zu. Aber auch er sagt: „Wenn man wirklich politische Macht entfalten will, darf man dabei nicht stehen bleiben.“

"Das Web 2.0 eignet sich hervorragend dazu, die Nutzer zu Botschaftern der eigenen Kampagne zu machen", sagte auch Ricardo Remmert-Fontes. Seine Erfahrung mit Twitteraccounts, die er für verschiedene Ortsgruppen eingerichtet hatte, zeigte jedoch, dass das Internet von vielen noch kaum genutzt werde. "Protest muss auch im realen Leben stattfinden", sagte Remmert-Fontes. „Man muss sich treffen und reale Kampagnen machen.“ Auch Julia Seeliger, die selbst fast ausschließlich online arbeitet stimmte zu: "Es reicht nicht, dass man sich nur im Internet engagiert. Was online geschieht, muss auch in den Printmedien ankommen." Nur über diesen Umweg erreiche man auch die Politiker, die ihre Informationen nach wie vor ausschließlich über den gedruckten Pressespiegel bezögen.

Felix Kolb von Campact.de verwies jedoch darauf, dass das Engagement im Internet für viele Politiker auch als Gradmesser dienen könne, wie relevant ein Thema für die Menschen sei. „Fünfhunderttausend Emails können genauso relevant sein wie eine Demo mit 5000 Demonstranten“, sagte er. Zudem spräche die Beteiligung im Internet auch Menschen an, die für Protestaktionen im realen Leben möglicherweise keine Zeit hätten.

Medienwissenschaftlerin Ute Pannen sagte außerdem, dass Onlinekampagnen vor allem dann auch eine Relevanz für die reale Politik bekämen, wenn man sie mit anderen Portalen, wie zum Beispiel dem Portal für E-Petitionen im Bundestag verlinke.

Auch wenn die politische Arbeit im Internet in Deutschland im Gegensatz zu den USA noch nicht so weit fortgeschritten sei, könne man dennoch von Obamas Wahlkampf lernen, sagte sie weiter. Er habe es geschafft, den Online- und den Offlinewahlkampf perfekt miteinander zu verbinden. Obama habe es geschafft, die Energie und das Engagement, das seine Unterstützer im Internet aufgebaut hatten, auch auf das reale Leben zu übertragen. „Das Internet hilft, den Wahlkampf zu organisieren, aber der eigentliche Wahlkampf fand auch bei Obama auf der Straße statt“, sagte Pannen. Dennoch hätte Obama ohne die Onlinekampagne niemals diese Popularität erreicht. „Als er 2007 mit dem Wahlkampf begann, hatte er nach einem halben Jahr schon eine Million „Freunde“, während seine demokratische Gegenkandidatin Hilary Clinton lediglich rund einhunderttausend Online-Freunde hatte.“ Das müsse nicht bedeuten, dass ihn alle diese Menschen auch gewählt haben, sagte Pannen. Aber die Tatsache, dass die Medien darüber berichtet hätten, habe seine Popularität noch verstärkt. Heute hat Barack Obama rund sechs Millionen „Freunde“ im Netz. Auch Facebook eigne sich, ebenso wie Twitter, dazu, den Menschen mitzuteilen, was man gerade tut. Über die Statuszeile könne man die Menschen ganz direkt und persönlich auf Veranstaltungen hinweisen. Der Umweg über die Presse, den Politiker sonst gehen müssen, wenn sie der Öffentlichkeit etwas mitteilen wollen, werde damit übersprungen, sagte Pannen. Auch hätten soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter einen enormen Multiplikationseffekt. „Jeder Freund, der eine Nachricht bekommt, sendet sie über die Startseite automatisch in seine Freundeskreise weiter.“

Pannen wies jedoch auch darauf hin, dass sich Obamas Wahlkampf nicht unbedingt auf den deutschen Wahlkampf übertragen ließe. „In den USA wollten alle, die Bush-Ära beenden und haben den Wandel herbeigesehnt“, sagte Pannen. „Deshalb konnte Obama in viel stärkerem Maße in der Gesellschaft polarisieren.“ Am wichtigsten sei nach wie vor eine gute Botschaft. Ohne eine gute Botschaft könne man in Deutschland keinen erfolgreichen Onlinewahlkampf machen, sagte Pannen.

Dass die älteren Generationen von der gesellschaftlichen Kommunikation ausgeschlossen würde, wenn sich diese mehr und mehr ins Internet verlagert, glaubten die DiskussionsteilnehmerInnen nicht. „Natürlich nutzen die Menschen über vierzig das Internet deutlich weniger“, aber auch die 60-jährigen fangen mit etwas Verzögerung an, bei Facebook mitzutun“, sagte Ute Pannen. Die Jugendlichen könnten als Mittler zur älteren Generation auftreten, sagte sie und verwies auf die Kampagne „The great schlep“ während des US-amerikanischen Wahlkampfs, bei der Jugendliche als Botschafter für ihre Großeltern aufgetreten waren. „Man muss sich keine Gedanken machen, dass die Älteren außen vor bleiben.“

Beim Thema Datenschutz in Sozialen Netzwerken waren die Diskussionsteilnehmer weitgehend ratlos. „Früher durfte man bei linken Veranstaltungen nicht mal sein Handy mitnehmen und Namen wurden nicht genannt“, sagte Moderator und tazredakteur Felix Lee. „Jetzt findet man plötzlich alle Leute auf Facebook und weiß welche Musik sie hören und was sie zum Abendessen gegessen haben.“

Auch Felix Kolb zeigte sich besorgt über die Leichtfertigkeit, mit der viele Benutzer persönliche Daten, Bilder und Informationen in sozialen Netzwerken online stellen. Er verwies jedoch darauf, dass es sich bald nicht mehr um eine freiwillige Entscheidung handeln könnte, sich daran zu beteiligen. „In dem Moment, in dem viele Menschen mitmachen und sich über diese Bedenken hinwegsetzten, kann es politisch kostspielig werden, da nicht mehr mitzumachen.“ Deshalb müsse man sich dafür einsetzten, dass auch ausländische Netzwerke den deutschen Datenschutzbestimmungen entsprächen.

Julia Seelinger wies darauf hin, dass man beim Thema Datenschutz zwischen freiwilliger Datenspeicherung im Netz und der Vorratsdatenspeicherung durch den Staat unterscheiden müsse. „Bei der Staatlichen Vorratsdatenspeicherung muss man Repressionsmaßnamen befürchten. Wenn ich meine Daten freiwillig online stelle habe ich das nicht.“ Auch könne es eine bewusste Strategie sein, seine digitale Identität im Netz selbstbestimmt zu gestalten, sagte Seelinger. „Indem ich möglichst viele Daten über mich selbst ins Netz stelle, kann ich beeinflussen, was man im Netz über mich findet und möglicherweise das überdecken, was Dritte über mich schreibe.“

Zum Schluss einigten sich die DiskussionsteilnehmerInnen auf eine Zukunftsprognose: Der erste wirkliche Internetwahlkampf in Deutschland werde erst 2013 stattfinden. „Dann, wenn die neuen Medien in der Gesellschaft mehr Akzeptanz gefunden haben und sich die Menschen sich darin tatsächlich aktiv beteiligen.“

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2 Kommentare

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  • M
    Marcus

    Ganz schön viele Tippfehler. Keine Zeit, mal drüberzulesen?

  • U
    User2009

    Medienkompetenz; Mangelhaft. Anders kann man das Verhalten der Volksvertreter und Amtsinhaber mit dem Medium Internet und vor allem der Kommunikationsmöglichkeit mittels E-Mail nicht bewerten. Es ist jedoch das gleiche Fehlverhalten wie in der gesamten Gesellschaft und in der Wirtschaft. Wenn man mitkriegt dass irgendwo etwas gut funktioniert, muss man es auf die Schnelle auch haben ohne sich in ausreichendem Maße Gedanken über die Pflege, Aktualisierung und somit die redaktionelle Betreuung der Inhalte zu machen. Sehr schlimm ist der Umgang mit der Kommunikation mittels E-Mail, hier lädt man die Bürgerinnen und Bürger sehr oft ein auf diesem Wege den Kontakt zu suchen, bleibt ihnen jedoch die Antwort schuldig.