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Politische GewaltLinke Gewalt gebrandmarkt

Innensenator Körting (SPD) stellt eine Studie über linke Gewalttäter vor und fordert deren Ausgrenzung. Vor allem die Linkspartei müsse sich klarer distanzieren. Polizei und Verfassungsschutz applaudieren.

Geht gar nicht, sagt Innensenator Körting: Abgefackelter PKW in Berlin Bild: AP

Autobrände, ein gewalttätiger 1. Mai wie seit Jahren nicht mehr, Angriffe auf Polizeistationen - Innensenator Ehrhart Körting (SPD) forderte am Mittwoch bei der Vorstellung einer Studie über "Linke Gewalt" in Berlin eine deutlichere gesellschaftliche Ausgrenzung von Linksextremisten. Ähnlich dem demokratischen Konsens, rechts motivierte Gewalt abzulehnen, gelte es auch, einen "Konsens in der Ausgrenzung links motivierter Gewalttäter zu erzielen".

Seine Forderung sieht Körting durch die neue Studie des Berliner Verfassungsschutzes untermauert: 835 linke Gewalttaten gab es zwischen 2003 und 2008, davon waren 268 Brandstiftungen und 91 gefährliche Körperverletzung (siehe unten). Damit hätten Linksextreme bewiesen, dass auch sie "großen Sachschaden und schwere Verletzungen von Menschen in Kauf nehmen, wenn sie diese als Feinde ansehen", so Körting.

Die Studie

Die komplette Studie "Linke Gewalt in Berlin" kann man auf den Internetseiten des Berliner Verfassungsschutzes

runterladen.

Körting steht innenpolitisch unter Druck, vor allem wegen der vielen brennenden Autos. Doch gerade dazu sagt die Studie wenig. Insbesondere in Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte und Pankow hätten Autos gebrannt - die Zahlen sind in den vergangenen zwei Jahren sprunghaft angestiegen. Die Hälfte der Anschläge traf Autos und Gebäude von Unternehmen, die andere Hälfte fast immer Privat-Pkws.

Auch wer hinter den Zündeleien steckt, bleibt unklar. Geschnappt wurden bis Ende 2008 lediglich 18 Verdächtige. Es sei von einem "nicht geschlossenen Täterkreis" und einigen "Trittbrettfahrern" auszugehen, heißt es lediglich. Die Täter seien "häufig nicht ermittelbar".

Körting vermutet hinter den Brandstiftungen nicht nur linke Täter, sondern auch "Pyromanen und Trittbrettfahrer". Dennoch gebe es keine Distanzierung zu den Bränden aus der Szene. "Wer meint, Sachen und Menschen mit Brandsätzen und Steinen attackieren zu müssen, muss öffentlich geächtet und strafrechtlich verfolgt werden", so Körting. Dass sich die Szene auf "soziale Gerechtigkeit" und "Antifaschismus" berufe, sei nur ein Versuch, eigene "Intoleranz und Gewaltbereitschaft" zu rechtfertigen.

Scharf griff Körting auch seinen Koalitionspartner an, die Linkspartei. Es sei nicht hinnehmbar, wenn deren Bundestagsabgeordnete Inge Höger Gewalt der linken "militanten gruppe" rechtfertige. "Es gibt keine Rechtfertigung für Gewalt, auch keine politische."

Beifall erntete Körting von Verfassungsschutzchefin Claudia Schmid. Linke Gewalt müsse "klar und eindeutig geächtet" werden - auch von der Linkspartei. Bereits in den Schulen und Kiezen müssten Diskussionen angestoßen werden. Dies gelte besonders für Friedrichshain-Kreuzberg, wo linke Gewalt verdichtet auftrete.

Auch Polizeipräsident Dieter Glietsch lobte Körtings Vorstoß. Parteien müssten sich klar von gewaltbereiten Linken abgrenzen und dürften auch bei Anti-rechts-Aktionen nicht mit diesen paktieren. Wichtig sei zudem Prävention, so Glietsch. "Wissen und Bildung sind Schutzfaktoren gegen Extremismus."

Glietsch verwies auf Erfolge gegen Brandstifter. Mit 15 Personen habe man 2009 fast so viele Verdächtige geschnappt wie in den sechs Jahren zuvor zusammen. Die Polizei habe täglich Beamte "im dreistelligen Bereich" im Einsatz. "Es ist aber Unfug zu glauben, dass sich die Brände allein polizeilich lösen ließen."

Thomas Härtel, Staatssekretär und Chef der Landeskommission "Berlin gegen Gewalt", plädierte deswegen dafür, auch Themen wie Gentrifizierung, die die linksextreme Szene für sich reklamiere, politisch zu vereinnahmen. Das Myfest am 1. Mai habe gezeigt, dass Prävention gegen linke Gewalt gelingen könne.

Unterstützung bekam Körting auch aus Hamburg. Er könne den Vorstoß nur unterstützen, sagte Heino Vahldieck, Verfassungsschutzchef der Hansestadt. Für linke Gewalt gebe es keine Rechtfertigung. "Das muss auch mal so ausgesprochen werden." Gerade in der Linkspartei gebe es "deutliche Probleme", sich von linker Gewalt zu distanzieren. Vahldiecks Unterstützung überrascht wenig: Längst sind die Autobrände auch in Hamburg an der Tagesordnung. Seit Jahresbeginn brannten dort über 150 Autos.

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16 Kommentare

 / 
  • K
    Kommentator

    1.

    Wenn jedes brennende Auto eine linkspolitisch motivierte Straftat sein soll,

    dann müsste aber auch jeder verprügelte Nichtnazi eine Nazistraftat sein.

     

    2. Nachdem ich hautnah miterlebt habe, wie solche Straftaten (Verfassungsschutzbereicht) "erfassst"/erlogen werden (unbeteiligt!), glaub ich nur noch an Manipulation bei solchen Statistiken.

     

    PS: Gewalt ist immer schlecht, auch strukturelle Gewalt.

    Aber Gegengewalt gegen Gewalt ist danach auch immer gut.

    Dann seid ihr aber Anarchisten, liebe CDU/SPD/SPD/NPD-Kommentierer.

  • S
    schlegel

    @ schülerin

     

    Haarscharf an einer Persiflage vorbeigeschrammt. Aber Sie meinen das wohl auch ernst.

     

    Nach Ihrer "Logik" orientiert sich das Handeln eines jeden daran, was er als Recht und Unrecht empfindet. Danach würde derjenige, dem seine körperliche Unversehrtheit egal ist, auch andere verletzen dürfen. Bravo, wenn sich dieser Humbug durchsetzt, dann stehen uns rosige Zeiten bevor.

     

    Hinsichtlich Oscar Wilde muss ich Ihnen zustimmen: Die Gewalttäter beweisen immer wieder aufs Neue, dass selbstgerechte Schwachköpfe sind!

  • S
    schülerin

    Sich gegen politisch motivierte Gewalt zu stellen hieße aber auch, sich von jeglichen Formen des Staates unser seiner Staatsgewalt zu distanzieren.

    Wo liegt bitte der Unterschied, wenn Linke ein Auto anzünden oder der Staat abschiebt? (Es gibt bestimmt bessere Beispiele, fiel mir grad nichts andere ein).

    Und jetzt kommt mir bloß nicht mit demokratischer Legitimation, denn auch dies ist ein Zwang, eine Art von Gewalt.

     

    Aber diese bürgerliche Definition von Gewalt ist schon immer ein Problem gewesen, sie hängt unweigerlich mit der Ideologie des Privateigentums zusammen.

     

     

    Ich bitte außerdem darum, zwischen Beschädigung von Eigentum und körperlicher Schädigung von Menschen zu differenzieren. Denn ein Mensch, der Privateigentum ablehnt, bzw. eine andere Auffassung davon hat als die „bürgerliche Gesellschaft“, und das machen viele Linke, sieht Sachbeschädigung nicht als Gewalt an.

     

    „Man hat oft gesagt, mit Gewalt lasse sich nichts beweisen. Das hängt jedoch ganz davon ab, was man beweisen will“

    „Agitatoren sind Störenfriede, die in eine zufriedene Schicht der Bevölkerung Unzufriedenheit säen. Deshalb sind Agitatoren so notwendig.“

    Oscar Wilde, 1891

     

    Die politische Agitation (lat. agitare = aufregen, aufwiegeln )

  • A
    anon

    "Wissen und Bildung sind Schutzfaktoren gegen Extremismus" JA, verdammt! Aber:

    Das ist als würde die Union für den Atomausstieg plädieren...

    Wunschdenken!!!

  • R
    RedHead

    Es gibt keine Rechtfertigung für Gewalt, auch keine politische? Heißt das nun, dass in Zukunft keine Demonstranten mehr zusammengeknüppelt werden? Heißt das, dass die Truppen aus Afghanistan abgezogen werden (und der Al Kaida und der Taliban die Sache mit dem Gewaltverzicht nochmal genauer erklärt wird)? Sicherlich nicht, denn im Grunde haben die Regierenden überhaupt nichts gegen die politische Gewalt des von ihnen kontrollierten Gewaltmonopols.

    Auch ich möchte an dieser Stelle dazu aufrufen, sich bei so genannten Anti-Rechts-Veranstaltungen nicht mit der bürgerlichen Zivilgesellschaft zusammen zu arbeiten, diese Leute haben meist kein Problem mit Nationalismus, Kapitalismus, Rassismus, Sexismus usw.

    Ich wünsche mir, irgendwann in einer Welt zu leben, in der Gewalt im speziellen und Herrschaft im allgemeinen nicht mehr notwendig ist. In naher Zukunft sehe ich das aber leider nicht kommen.

  • US
    Uwe Sak

    Das der sogenannte Verfassungsschutz, der sich u.a. dadurch hervortut eine demokratische Partei wie die Linkspartei zu bespitzeln, Beifall klatscht ist doch logisch.

    Es gefällt dem sogenannten Verfassungsschutz natürlich überhaupt nicht, dass es Forderungen gibt ihn einfach abzuschaffen.

  • T
    t-claudius

    Provokative Fragen zur Bewertung von Gewalt:

    Kann Gewalt politisch sein, oder sind es die Menschen?

    War Robin Hood ein linker Gewalttäter?

    Wenn zwei Menschen, die Opfer der gleichen Straftat werden, an deren Folgen unterschiedlich schwer zu tragen haben, ist dann für die beiden Täter das gleiche Strafmaß gerecht?

  • R
    Raphael

    Welche Art der Distanzierung wird eigentlich gefordert? Reicht es denn, wenn ein anderer Abgeordneter oder der Parteivorsitzende der Frau Höger widerspricht? Muss eine öffentliche Mitteilung herausgegeben werden oder vielleicht eine eidesstattliche Versicherung? In einer Zeit, wo sowieso ALLES negativ ausgelegt wird, was mit der LINKen zu tun hat, würde man denen danach doch nur wieder "Lippenbekenntnisse" vorwerfen, "Heuchlerei" etc...

     

    In jeder anderen Partei wird ein gewisses Maß an Pluralismus hingenommen, nur bei den LINKEn spricht wieder eine Person für den ganzen "STASI-HAUFEN".

  • R
    Ricola

    @mixas

     

    Ich verstehe Ihre Argumente nicht, soll der Staat der über das Gewaltmonopol verfügt aufhören sich gegen Übergriffe zu wehren? Sie scheinen nicht gerade ein Humanist zu sein... wenn sie auf der einen Seite Gewalt kritisieren und auf der anderen Seite dann billigen...

  • L
    Linkshänder

    Die Linkspartei unterstützt friedliche, gewaltlose Deomos. Das sollte auch dem SPD Seeheimer bewusst sein. Eine Erklärung seitens der Partei die Linke können sie auf linksraktion.de einsehen. Unter Archiv. Diese Handlungen, Autos zu verbrennen ist ein wirtschaftlicher Schaden, manchmal Versicherungsmäßig abgedeckt. Hoffen wir darauf dass sich der Hass nicht auf Menschen überträgt. Die SPD und die Grünen auf Bundesebene tragen eine Mitverantwortung dieser Eskalation. Durch eine unsoziale Politik bedingt. Immer mehr Menschen werden ihre Grundrechte genommen. Rücksichtslos. Hat man kein Geld um zu Klagen, versuchen so die Menschen aufmerksamkeit zu erlangen. Die Regierung kann es verhindern. Aber nicht mit immer mehr Inhaftierung, sondern mit einer christlichen, sozialen Politik. Ich habe das Gefühl es wird noch schlimmer 2010.Existenzangst treibt den Menschen in den Tod, oder bestärkt ihn etwas unternehmen zu müssen.Es wird einen Bürgerkrieg geben, wenn die Wirtschaftsdiktatur nicht aufgehalten wird. Das wollen wir alle nicht. In den 70igern hatte man noch Verstand. Dieser scheint vielen abhanden gekommen zu sein.

  • KK
    Klaus Keller

    Versteh ich nicht, die Täter sind im Falle der Brandstiftungen weitgehend unbekannt werden aber der linken Szene zugeordnet.

     

    Kann mir das jemand erklären?

     

    Warum sollte die Straftat eines Nazis der in einem Viertel den Mercedes eines türkeiaffinen Berliners abfackelt der linken Szene zugeordnet werden?

    Weil schon einmal in Berlin ein Auto von einem linken Autonomen angezündet wurde.

    Was ist das für eine Logik?

     

    Oder anders wenn ich nicht weis wer der Täter ist kann ich die Tat auch nicht "zuordnen"

     

    klaus keller hanau

  • OK
    Oliver Kröger

    Ich frage mich, worin eigentlich genau das Problem besteht, sich klar gegen politisch motivierte Gewalt zu positionieren.

    Gerade die politisch links stehenden Parteien und Medien sollten sich in der gegenwärtigen Diskussion klar äussern. Erhöhte Glaubwürdigkeit und eine Schärfung/Definition des Profils wäre die Folge. Dazu ist allerdings ein abtrainieren des Beissreflexes "Der Verfassungsschutz ist doch eh nur gegen uns..." notwendig.

     

    Wenn hier Versachlichung und Realitätsbezug einkehrt, könnte das erheblichen Eindruck auf bisher unentschiedene, abwartende Wähler/Bürger/Menschen aus der Mitte der Gesellschaft haben. Da gibt es nämlich eine Menge, die inhaltlich links stehen, aber mit dogmatischem Schweigen und selektiver Wahrnehmung des Rechtsstaat wenig anfangen können.

  • A
    Antonio

    @Lear: Von welcher Gewalt? Etwa auch der strukturellen, indem Menschen durch ALG II gezwungen werden immer geringer bezahlte Jobs anzunehmen, Familien sich wegen Jobs trennen???

    Hier werden Menschenleben zerstört und wenn dann mal ein Auto brennt, ist das Geheule groß... Das für den Ökosprit ein paar Kinder verhungert sind, ist dabei auch nebensächlich...

    Nun wacht doch mal auf... Es geht um mehr, als nen kleinen Blechhaufen und zudem ist ÖPNV eigentlich schon die bessere Alternative, gerade in Großstädten... Vielleicht sollte mensch sich mehr inhaltlich mit allem auseinandersetzen, statt affirmativ das runterzulaber, was die Bild vorgibt...

  • A
    azimut

    es gab einmal den spruch "gewalt ist die kapitulation des geistest" besonders rechten wurde dieser spruch immer vor die nase gehalten. nun es gibt leider kaum noch einen unterschied zwischen links und rechts(beide sind gewalttätig ohne ende) das ist schade..sehr schade denn das linke denken stand mal für frieden und gewaltlosigkeit.

  • LB
    Lear Berlin

    Ich denke, dass sich vor allem Medien

    wie die taz, sich in der Frage

    der Abkehr zur Gewalt deutlich positionieren

    müssten.

  • M
    mixas

    Solange Polizeigewalt übersehen wird und Straftaten von Polizisten so gut wie nie geahndet werden ist die Forderung nach konsequenter Ächtung von Gewalt eine Lachnummer. Zwei Sprichworte dazu, Jeder packe sich an die eigene Nase und der klügere gebe zuerst nach. Die Deutungshoheit darüber, was Gewalt ist und was legitimes Mittel der Durchsetzung der eigenen Ziele hat hier wie dort sowieso der Ausführende.