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Politikwerbung auf Steuerzahlers KostenAus Angst vor Altona 21

Hamburgs Stadtentwicklungsbehörde plant einen Deckel über die A 7. Wegen der "kritischen Haltung" der Bevölkerung hat sie ein PR-Konzept bei Profis bestellt.

Schön, oder? Dafür, dass alle Menschen die gedeckelte A 7 mögen, sollen in Hamburg PR-Profis sorgen. Bild: BSU

HAMBURG taz | Für den geplanten Deckel über der Autobahn 7 nördlich des Elbtunnels hat die Hamburger Stadtentwicklungsbehörde eine PR-Strategie in Auftrag gegeben. Eine Werbeagentur entwarf ein "Kommunikationskonzept", das der "kritischen Haltung der Hamburger Bevölkerung gegenüber teuren Großprojekten" begegnen soll. Eine Bürgerinitiative, die die Verwandlung der Autobahn in einen Tunnel kritisch sieht, spricht nun von "Manipulation und Überwachung auf Kosten des Steuerzahlers".

Während die Proteste gegen "Stuttgart 21" in aller Munde sind, hat Hamburgs Senat seine eigenen unerfreulichen Erfahrungen mit Großprojekten: Die spektakuläre Elbphilharmonie wird um ein Vielfaches teurer und viele Jahre später fertig als geplant. Und die Grün-Alternative Liste (GAL) musste zur Zeit des schwarz-grünen Senats feststellen, dass auch Wunschprojekte auf heftigen Widerstand stoßen können. Die damalige grüne Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk erfuhr das, als sie eine Schnellstraße verlegen wollte, die den Stadtteil Wilhelmsburg zerschneidet.

Die noch von Hajduk beauftragte PR-Firma Fischer Appelt zieht daraus Konsequenzen: Die Kostensteigerungen bei der Elbphilharmonie seien per Salamitaktik enthüllt und nicht plausibel begründet worden. Und die Debatte um Stuttgart 21 bewege sich auf technischer, politischer und moralischer Ebene und mache eine sachliche Betrachtung fast unmöglich. "Der Gutachterstreit schließt die Öffentlichkeit aus und führt dazu, dass die publikumswirksam berichteten Themen nicht mehr von Land und DB beherrscht werden", stellen die PR-Leute mit Blick auf den Stuttgarter Bahnhofsstreit fest.

Der Deckel

Die Überdachung der A 7 schlüge zwei Fliegen mit einer Klappe.

Lärmschutz: Die Autobahn wird um eine Spur verbreitert. Den fälligen Lärmschutz bezahlt der Bund.

Stadtentwicklung: Der Senat möchte dieses Geld verwenden, um Deckel zu bauen, die durch die Autobahn getrennte Stadtteile wieder miteinander verbinden.

Finanzlücke: Weil Deckel teurer sind als eine Lärmschutzwand, ist weiteres Geld nötig. Der Senat möchte dafür Kleingärten aus Altona auf die Deckel verlegen und die frei werdenden Grundstücke als Wohnungsbauland verkaufen.

Beim Autobahndeckel in Hamburg soll das nicht passieren: Der Senat, schreibt das Büro, solle "der Bevölkerung eine rationale, nachvollziehbare Begründung liefern". Die konstruktiven wie auch destruktiven Interessengruppen sollten beobachtet werden. Multiplikatoren - große Firmen, aber auch Taxifahrer - sollen ein rosiges Bild verbreiten, Journalisten in Gesprächen und Workshops für das Projekt gewonnen werden. Die Öffentlichkeit müsse durch Wiederholung der immer gleichen Botschaft bei der Stange gehalten werden. "Negative Nachrichten", heißt es in dem Papier weiter, "müssen unbedingt aktiv kommuniziert werden", bei gleichzeitiger Betonung der positiven Botschaften.

"Es ist nicht unüblich, dass man sich überlegt, wie man möglichst früh und umfassend die Öffentlichkeit einbindet", rechtfertigt Behördensprecher Frank Krippner die 14.500 Euro schwere PR-Studie. Im vergangenen Jahr habe die Behörde 120.000 Euro für die Öffentlichkeitsarbeit zum Deckel ausgegeben, im laufenden Jahr 2011 seien 60.000 veranschlagt.

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12 Kommentare

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  • TR
    Thomas Renkenberger

    Eine Bürgerbewegung lässt sich nicht von PR-Agenturen einseifen. Wenn es stimmt, dass die Grünen in Hamburg dieses Konzept verfolgen, verdienen sie ihre Abwahl, denn sie haben aus den Erfahrungen in Stuttgart nichts gelernt. Die wechselnden Agenturen hier haben viel Geld für ihre Herzilein- etc. Kampagnen kassiert, aber niemanden überzeugt, außer die Bürger davon, dass sie nicht unter ihrem Niveau über den Tisch gezogen werden wollen.

    Nicht einmal mehr auf dem platten Land und kaum bei notorischen cdu-Vasallen greift das noch - die Zeiten haben sich geändert.

    Manche merkens später - und wer zu spät kommt...siehe Machtverlust der cdu in BW.

  • GM
    Gerda Müller

    Das Beispiel Elbphilharmonie trifft den Nagel auf den Kopf. Auch für die Hamburger Deckelverlängerung (den Lärmschutzdeckel in Bahrenfeld und Stellingen zahlt der Bund)gibt es keine vollständige und aktuelle Kostenzusammenstellung.

    Der Bürgerschaft wurden die Gesamtkosten nicht verraten. Die BSU nennt immernoch die geschätzten Kosten aus 2009 ohne Zwischenfinanzierung, Umzugskosten der Sportplatzvereine, Gestaltungswettbewerbe, Öffentlichkeitsarbeit, Kosten für den Planungsstab im Landesplanungsamt von 6-7 Leuten und und... Abgesehen von der normalen Kostensteigerung....

  • H
    hannah

    den gleichen Zirkus hat man doch in Stuttgart auch betrieben, wobei sich das reiche Stuttgart das einige Millionen Euro kosten ließ. Das Problem ist nicht die Meinungsmache, das Problem ist die Mitbestimmung der Bürger bei Großprojekten, die mit ihrem in der Regel sauer verdienten Steuergeld finanziert werden! Und Mitbestimmung ist auch in Hamburg nicht vorgesehen.

  • SN
    Saskia Neuner

    Liebe taz, ich bin ganz entsetzt von so viel Naivität bei Euch!

     

    Könnt ihr mir mal erklären, was daran verwerflich ist, wenn sich die Stadt bei so großen Projekten von einer Kommunikationsagentur beraten lässt?! Zumal in Altona, wo es nun weiß Gott genug Gründe gibt, nichts falsch machen zu wollen, bei dem aufgeregten Klima, das hier herrscht.

     

    Oder glaubt Ihr ernsthaft, in allen Behörden würden Dutzende von festangestellten Kommunikationsprofis sitzen, so dass man ja keine Dienstleister bräuchte?!

    Oder stellt Ihr Euch vor, dass jeder Stadtplaner zugleich automatisch ein gewiefter und erfahrener Öffentlichkeitsarbeiter ist?!

     

    Erschreckend naiv finde ich das!

  • E
    Ex-PR-Profi

    Dieses Gutachten von fischerappelt verwundert gar nicht, wenn man weiss, wie dort mit kritischen Mitarbeitern umgegangen wird. Aber so einfach wie unliebsame Angestellte lassen sich muendige Buerger nicht aus dem Weg schaffen.

  • MS
    Max Schulz

    Es ist hammermäßig lustig, dass die nassgekämmten PR-Profis meinen, dass Taxifahrer-Gemecker zur positiven Meinungsbildung beitragen soll.Das offenbart ein Fehlen von jedweder Bodenhaftung.

     

    Weniger amüsant ist, dass ausgerechnet eine grüne Senatorin mit einer Firma wie Fischer/Appelt zusammenarbeitet, deren Führungsetage zu 90 Prozent aus Männern besteht und die aufgrund ihres Umgangs mit Angestellten zu den Stammgästen vor den Hamburger Arbeitsgerichten gehören.

  • TR
    Thomas Renkenberger

    Eine Bürgerbewegung lässt sich nicht von PR-Agenturen einseifen. Wenn es stimmt, dass die Grünen in Hamburg dieses Konzept verfolgen, verdienen sie ihre Abwahl, denn sie haben aus den Erfahrungen in Stuttgart nichts gelernt. Die wechselnden Agenturen hier haben viel Geld für ihre Herzilein- etc. Kampagnen kassiert, aber niemanden überzeugt, außer die Bürger davon, dass sie nicht unter ihrem Niveau über den Tisch gezogen werden wollen.

    Nicht einmal mehr auf dem platten Land und kaum bei notorischen cdu-Vasallen greift das noch - die Zeiten haben sich geändert.

    Manche merkens später - und wer zu spät kommt...siehe Machtverlust der cdu in BW.

  • GM
    Gerda Müller

    Das Beispiel Elbphilharmonie trifft den Nagel auf den Kopf. Auch für die Hamburger Deckelverlängerung (den Lärmschutzdeckel in Bahrenfeld und Stellingen zahlt der Bund)gibt es keine vollständige und aktuelle Kostenzusammenstellung.

    Der Bürgerschaft wurden die Gesamtkosten nicht verraten. Die BSU nennt immernoch die geschätzten Kosten aus 2009 ohne Zwischenfinanzierung, Umzugskosten der Sportplatzvereine, Gestaltungswettbewerbe, Öffentlichkeitsarbeit, Kosten für den Planungsstab im Landesplanungsamt von 6-7 Leuten und und... Abgesehen von der normalen Kostensteigerung....

  • H
    hannah

    den gleichen Zirkus hat man doch in Stuttgart auch betrieben, wobei sich das reiche Stuttgart das einige Millionen Euro kosten ließ. Das Problem ist nicht die Meinungsmache, das Problem ist die Mitbestimmung der Bürger bei Großprojekten, die mit ihrem in der Regel sauer verdienten Steuergeld finanziert werden! Und Mitbestimmung ist auch in Hamburg nicht vorgesehen.

  • SN
    Saskia Neuner

    Liebe taz, ich bin ganz entsetzt von so viel Naivität bei Euch!

     

    Könnt ihr mir mal erklären, was daran verwerflich ist, wenn sich die Stadt bei so großen Projekten von einer Kommunikationsagentur beraten lässt?! Zumal in Altona, wo es nun weiß Gott genug Gründe gibt, nichts falsch machen zu wollen, bei dem aufgeregten Klima, das hier herrscht.

     

    Oder glaubt Ihr ernsthaft, in allen Behörden würden Dutzende von festangestellten Kommunikationsprofis sitzen, so dass man ja keine Dienstleister bräuchte?!

    Oder stellt Ihr Euch vor, dass jeder Stadtplaner zugleich automatisch ein gewiefter und erfahrener Öffentlichkeitsarbeiter ist?!

     

    Erschreckend naiv finde ich das!

  • E
    Ex-PR-Profi

    Dieses Gutachten von fischerappelt verwundert gar nicht, wenn man weiss, wie dort mit kritischen Mitarbeitern umgegangen wird. Aber so einfach wie unliebsame Angestellte lassen sich muendige Buerger nicht aus dem Weg schaffen.

  • MS
    Max Schulz

    Es ist hammermäßig lustig, dass die nassgekämmten PR-Profis meinen, dass Taxifahrer-Gemecker zur positiven Meinungsbildung beitragen soll.Das offenbart ein Fehlen von jedweder Bodenhaftung.

     

    Weniger amüsant ist, dass ausgerechnet eine grüne Senatorin mit einer Firma wie Fischer/Appelt zusammenarbeitet, deren Führungsetage zu 90 Prozent aus Männern besteht und die aufgrund ihres Umgangs mit Angestellten zu den Stammgästen vor den Hamburger Arbeitsgerichten gehören.