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Politikerwechsel Berlin-BrandenburgEine Art Vorauskommando?

Franziska Giffeys Staatssekretär und langjähriger Vertrauter Severin Fischer will Oberbürgermeister von Potsdam werden. Das lässt aufhorchen.

Einst „Bridge of Spies“, heute idyllische Verbindung zwischen Berlin und Brandenburg – auch für Politiker: Die Glienicker Brücke Foto: Patrick Pleul/dpa

Berlin/Potsdam taz | Keine Wechsel aus der Berliner Landespolitik ins Brandenburgische? Von wegen. So abstrus die kolportierte Idee erst einmal wirkt, dass Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) in Potsdam ihren Parteifreund Dietmar Woidke als Ministerpräsident ablösen könnte, so real ist ein anderer Wechselwunsch dorthin. Denn der Berliner Severin Fischer will dort Oberbürgermeister werden.

Die Potsdamer müssen neu wählen, weil der bisherige OB – Fischers SPD-Parteikollege Mike Schubert – nach einem Bürgerentscheid sein Amt aufgeben musste. Am Wochenende kürte die SPD Potsdam den gebürtigen Franken aus Berlin mit großer Mehrheit zum sozialdemokratischen Spitzenkandidaten für die Wahl des neuen Stadtoberhaupts am 21. September. Seine Chancen stehen nicht schlecht. Potsdam gilt nach wie vor als SPD-Hochburg.

Ein Blick auf Fischers bisherigen Werdegang lässt einen dabei überlegen, ob das mit dem gerade noch als abstrus bezeichneten Wechsel-Gerücht um Giffey wirklich so abwegig ist. Denn Fischer ist nicht nur Staatssekretär in Giffey Senatsverwaltung. Er begleitet seine Chefin durchweg seit 2018: erst im Bundesfamilienministerium unter Giffey, dann von 2021 bis 2023 als Chef der Senatskanzlei im damals von Giffey geführten Roten Rathaus.

Zieht man das in Betracht, könnte Fischer eine Art brandenburgisches Vorauskommando für Giffey darstellen und ein Wechsel seiner Noch-Chefin eben doch in Betracht kommen. Das eine ist zwar Kommunal-, das andere Landespolitik. Aber wenn ein enger Vertrauter die wichtigste Stadt eines Bundeslandes anführt, ist so etwas in einer Staatskanzlei alles andere als ein Nachteil.

Vor Fischer hatte es außerhalb der SPD durchaus einige prominente, wenn auch teils nur kurze Wechsel von Berlin nach Brandenburg gegeben. Der CDU-Politiker Jörg Schönbohm beispielsweise war erst zwei Jahre Innensenator in Berlin, bevor er 1998 nach Brandenburg wechselte. Dort war er zehn Jahre lang Innenminister in Brandenburg und fast ebenso lang auch CDU-Landesvorsitzender.

Die Berliner Grünen übergaben Wieland

Auch die Berliner Grünen versuchten sich schon an einem Wechsel: 2004 übergaben sie ihren langjährigen Fraktionschef und kurzzeitigen Justizsenator Wolfgang Wieland an der Glienicker Brücke – später in einem Tom-Hanks-Film als „Bridge of Spies“ verewigt – agentenmäßig an ihre Brandenburger Parteifreunde.

Wieland wurde Spitzenkandidat bei der Landtagswahl und sorgte zwar für Stimmenzuwachs, doch der reichte nicht. 3,6 Prozent waren am Wahltag nicht ansatzweise genug, um die Brandenburger Grünen über die 5-Prozent-Hürde und ins Parlament zu bringen. Wieland ging zurück nach Berlin und zog 2005 in den Bundestag ein, die Grünen schafften es erst 2009 wieder in den Potsdamer Landtag.

Umzüge in die andere Richtung sind weniger bekannt. Kürzlich aber wechselte tatsächlich eine CDU-Politikerin von Brandenburg nach Berlin – und nahm dafür sogar einen Karriererückschritt in Kauf: CDU-Politikerin Susanne Hoffmann, 2019 ein halbes Jahr lang brandenburgische Generalstaatsanwältin und dann in der dortigen rot-schwarz-grünen Koalition bis 2024 Justizministerin, heuerte zu Monatsbeginn als Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Justiz an. Wobei es bei ihr streng genommen eine Rückkehr ist: Hoffmann ist in Berlin geboren, studierte später an der FU und arbeitete lange für die Justiz in der Stadt.

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1 Kommentar

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  • Auch so entsteht Politikverdrossenheit und Skepsis gegenüber dem bestehenden System: Politikerinnen und Politiker, die nicht unbedingt erfolgreich waren (Spahn, Dobrindt, Klöckner und nun Frau Giffey), werden immer wieder auf neue, einflussreiche Positionen gesetzt.

    Wieso eigentlich? Ist die Personaldecke denn so dünn? Gibt es in der brandenburgischen SPD niemanden, der für eine Nachfolge in Frage kommt?

    Warum die von den Wählerinnen und Wählern abgewählte und wegen ihrer schlampigen Arbeit bei ihrer Doktorarbeit ihrer Ämter verlustig gegangene Frau Giffey?

    Ich kann sie nicht wählen, da ich nicht dort lebe, aber eine Spitzenkandidatin Giffey wäre für mich allein ein Grund, die SPD dort nicht zu wählen.