Politiker wollen Roma abschieben: Rückkehr in den sicheren Tod
Innenbehörde und Petitionsausschuss kennen bei Roma-Familien keine Gnade und sehen keine humanitären Gründe, eine Abschiebung zu vermeiden.
Der heutige Donnerstag ist der Tag ihrer letzten Chance. In den Abendstunden wird die Bürgerschaft über die Zukunft von insgesamt elf Roma-Familien entscheiden. Sie alle sollen, geht es nach dem Willen von Innenbehörde und Petitionsausschuss, in eine unsichere Zukunft abgeschoben werden.
Kein einziger Fall sei "positiv beschieden" worden, klagt der Hamburger Flüchtlingsrat. Mehmet Yildiz, Abgeordneter der Linksfraktion ergänzt: "Die Abschiebepolitik des SPD-Senats ist noch rigider als die von Schwarz-Grün."
Bedroht von der Abschiebung sind 50 Personen. Einer von ihnen ist der krebskranke Boban R., der "keinerlei medizinische Versorgung" nach einer Rückkehr nach Serbien zu erwarten hätte, was für ihn eine "Abschiebung in den sicheren Tod" bedeute.
Da ist die junge Nerzat B., die nach einer Abschiebung "von Verschleppung und Zwangsverheiratung" bedroht wäre, da ihr Vater hoch verschuldet sei.
Da ist Zlatko R., der erstmals 1992 nach Deutschland kam, seine Kindheit und Jugend hier verbrachte und seine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann abgeschlossen hat.
"Wir wollen uns hier integrieren und arbeiten, dem Staat nicht auf der Tasche liegen", betont der heute 25-Jährige. Und da ist Marija K., deren drei Kinder in Hamburg geboren wurden, hier die Schule besuchen und vorbildlich integriert seien. "Sie haben keinen Bezug zu Serbien, Deutschland ist ihr Heimatland", betont die heute 36-Jährige.
Das gelte, betont die Rechtsanwältin Sigrid Töpfer, "für fast alle der 33 Kinder und jugendlichen Roma", die mit ihren Familien abgeschoben werden sollen. Zahlreiche Schreiben ihrer Lehrerinnen und Lehrer, die das bestätigen, lagen dem Eingabeausschuss vor, spielten dort aber bei der Entscheidung keine Rolle.
Noch im Mai hatte sich Innensenator Michael Neumann (SPD) mit einigen der Familien getroffen und eine "ernsthafte Einzelfallprüfung" und "humanitäre Lösungen" zumindest für einige von ihnen in Aussicht gestellt.
Da nun keine der Familien bleiben soll, geraten Neumann und die SPD-Bürgerschaftsmehrheit unter Druck. So wandte sich Hamburgs Ver.di-Chef Wolfgang Rose, selbst SPD-Bürgerschaftsabgeordneter, mit der Bitte an den Eingabeausschuss, "sich zu einer Entscheidung im Sinne dieser Menschen durchzuringen".
Eine "humanitäre Perspektive" und "die persönlichen Integrationsleistungen dieser Menschen", von denen er sich teils persönlich überzeugt habe, sprächen für eine "wohlwollende Prüfung ihrer Begehren".
Sein Gewerkschaftskollege, GEW-Chef Klaus Bullan, appelliert an Schulsenator Thies Rabe (SPD): "Setzen Sie sich sich für einen sofortigen Abschiebestopp der hiervon bedrohten Kinder und Jugendlichen mit ihren Eltern beim Senat ein."
Alle betroffenen Familien hätten bei einer Rückkehr in ihre Heimatländer, mit "Diskriminierungen, die Gewalt und daraus resultierende Vertreibung mit einschließen" zu rechnen.
Und Pastorin Fanny Dethloff, Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen Kirche, findet es nur noch "beschämend, wenn eine weltoffene Stadt wie Hamburg hier keine Abhilfe zu schaffen vermag".
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