Politiker am Sonntag: Konsequenter gegen rechts
Immer mehr Politiker fordern ein NPD-Verbot. Innenminister Schäuble plädiert für eine Fokussierung auf gewalttätige rechtsextreme Gruppierungen, schließt ein neues NPD-Verbotsverfahren aber nicht aus.
PASSAU/MÜNCHEN/BERLIN dpa Nach dem Mordanschlag auf Passaus Polizeichef Alois Mannichl wird der Ruf nach einem konsequenteren Vorgehen gegen Rechtsextremisten immer lauter. SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier (SPD) forderte, den Fahndungsdruck auf die rechtsradikale Szene zu erhöhen. Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer betonte: "Wir müssen der rechtsextremistischen Krake jetzt Paroli bieten." Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) rief dazu auf, weniger über ein NPD-Verbot zu diskutieren und stärker die gewalttätigen rechtsextremen Organisationen ins Visier zu nehmen.
Bei öffentlichen Veranstaltungen der Neonazis wie Fackelumzügen und Konzerten "muss schneller eingegriffen werden", forderte Seehofer in der "Bild am Sonntag". Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kündigte an, schärfer gegen rechtsradikale Internetseiten vorzugehen, auf denen in der Vergangenheit auch Mannichl geschmäht wurde. Mit einer großen Lichterkette wollen die Bürger in Fürstenzell bei Passau, dem Wohnort von Mannichl, an diesem Montagabend ein Zeichen gegen den Rechtsextremismus setzen.
"Die Gewalttaten nehmen zu", sagte Schäuble am Sonntagabend im "Bericht aus Berlin" der ARD. "Wir sind immer in der Gefahr, zu sehr politisch nur über das NPD-Verbot zu diskutieren", warnte er. "Wir müssen uns stärker auf diese gewalttätigen Organisationen konzentrieren. Die müssen wirklich mit allen Mitteln polizeilich bekämpft werden."
Der 52 Jahre alte Polizeidirektor war vor einer Woche vor seinem Haus in Fürstenzell niedergestochen worden. Vermutet wird der Racheakt eines Neonazis, da Mannichl in der Vergangenheit konsequent gegen Rechtsextremisten vorgegangen war. Am Freitag hatte er das Krankenhaus wieder verlassen können. Nach dem Täter wird weiter gefahndet.
Steinmeier sagte der "Bild am Sonntag": "Polizei und Verfassungsschutz müssen mit aller Härte jede rechtsextremistische Äußerung und Handlung verfolgen." Er sprach sich für ein Verbot der rechtsextremen NPD aus. "Mit dem Passauer Vorfall steigen die Gründe für ein Verbot", sagte Steinmeier. Ein neuer Anlauf beim Bundesverfassungsgericht müsse dieses Mal aber Erfolg haben.
Ähnlich äußerte sich Innenminister Schäuble. Der "Bild am Sonntag" sagte er: "Wir dürfen nicht ein Verbotsverfahren gegen die NPD beantragen, ohne sicher zu sein, dass wir es auch gewinnen können." Die Linken-Abgeordnete Petra Pau plädierte dafür, die V-Leute aus der NPD abzuziehen, um damit den Weg für ein erfolgversprechendes Verfahren frei zu machen. "V-Leute sind keine netten Informanten. Sie sind gekaufte Agenten und bezahlte Provokateure", betonte Pau in einer Mitteilung.
Seehofer kündigte eine länderübergreifende Bundesratsinitiative an, um einen neuen Versuch zu prüfen: "Die Innenminister Bayerns und von Rheinland-Pfalz werden dazu Vorschläge machen." In der vergangenen Woche hatte ein entsprechender Vorstoß bei Bund und Ländern jedoch keine Mehrheit gefunden.
In einer Emnid-Umfrage für "Bild am Sonntag" sprachen sich 65 Prozent der 500 interviewten Bürger für ein Verbot der NPD aus und 29 Prozent dagegen. In den ostdeutschen Ländern sind demnach sogar 77 Prozent für ein Verbot, lediglich 22 Prozent lehnen es ab.
Die Fahndung nach dem Täter des Anschlags auf Mannichl und möglichen weiteren Komplizen, die alle auffällige Tätowierungen tragen sollen, blieb bisher ohne Erfolg. Es seien mehrere Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen, die nun nach und nach abgearbeitet werden müssten, hieß es am Wochenende bei der Passauer Polizei. Ein aus der rechten Szene stammendes Münchner Ehepaar, das der Mittäterschaft beschuldigt wird, sitzt wegen Beihilfe zum versuchten Mord bereits in Untersuchungshaft.
In Nürnberg gingen am Samstag nach Polizeiangaben rund 1500 Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße. Sie protestierten vor allem gegen ein Bekleidungsgeschäft, das eine bei Rechtsextremen beliebte Marke vertreibt. Die Veranstaltung verlief nach Angaben der Beamten friedlich, erst nach der Abschlusskundgebung kam es zu vereinzelten Flaschenwürfen. Fünf Personen aus dem linken Spektrum und neun teilweise betrunkene Störer aus der rechten Szene wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen.
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