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Politiker-Rücktritt in IndienHindunationalisten in der Krise

Der Rücktritt ihres historischen Führers Lal Krishna Advani ist ein weiteres Zeichen für den Niedergang der BJP als der größten Oppositionspartei. Der Kurs seiner Nachfolger ist noch unklar.

Lal Krishna Advani besucht den heiligen Sikh-Schrein im "Goldenen Tempel" in der nordindischen Stadt Amritsar. Bild: reuters

Noch vor einem Jahr sah er wie ein künftiger Regierungschef aus: Lal Krishna Advani, der heute 82-Jährige, dessen Name wie kein anderer mit dem Aufstieg der hindunationalistischen BJP (Bharatiya Janata Partei) zur zweitgrößten Partei Indiens verbunden ist. Doch im Mai verlor die BJP mit Advani als Spitzenkandidaten unerwartet deutlich die Parlamentswahlen.

Nun folgt der Generationswechsel an der Führungsspitze: Advani machte am Freitag als Fraktionschef Sushma Swaraj, 57, Platz, der ersten Frau an der BJP-Spitze im indischen Parlament. Zudem will die Partei noch am Wochenende den bisherigen BJP-Chef vom Bombay, Nitin Gadkari, 52, zum neuen Parteichef in Delhi küren. Advani behält auf dem neu geschaffenen Posten des BJP-Parlamentsvorsitzenden eine Art Ehrenvorsitz.

Hinter dem Personalwechsel verbirgt sich einer der erstaunlichsten Parteiniedergänge in der demokratischen Welt, der selbst deutschen Sozialdemokraten Mitleid einflößen könnte. Gestern noch erschien die BJP bei jedem Fehltritt der regierenden Kongress-Partei bereit zur Machtübernahme. Heute aber hat sie jede Machtperspektive eingebüßt und streitet nur noch unter sich. Das beweisen auch die neuen Führungsfiguren: Swaraj ist eine enge Vertraute Advanis. Gadkari kommt von der radikalen Parteibasis in Bombay, die Advani immer als zu gemäßigt kritisiert hat. Beide hatten bisher wenig Wirkung über ihre Partei hinaus.

Zudem wackeln auch die regionalen Hochburgen der Partei. Kürzlich musste die BJP-Führung in Delhi zusammentreten, um eine parteiinterne Rebellion im südlichen Bundesstaat Karnataka zu entschärfen. Der steht mit seiner Hauptstadt, der Software-Metropole Bangalore, für Indiens rasche Wirtschaftsentwicklung. Dass es der BJP hier seit 2006 gelang, als stärkste Partei erstmals einen großen südindischen Flächenstaat zu regieren, galt als Beleg für die erfolgreiche Vermählung von BJP-Nationalismus und Modernisierung.

Schon in den 80er- und 90er-Jahren war die BJP mit diesem Gefühl groß und schließlich an die Macht in Delhi gekommen: Dass Indien nicht mehr als sozialistisches Armenhaus gelten mag, sich stattdessen zur stolzen Weltmacht des Globalisierungszeitalter berufen fühlt. So regierte die BJP Indien von 1999 bis 2004 und weckte zudem Hoffnung auf ein stabiles Zweiparteiensystem auf nationaler Ebene.

Nun sieht es ganz anders aus: Wähler weg, Macht weg, Geld weg. Den BJP-Rebellen in Karnataka, politischen Zöglingen zweier Bergwerksmagnaten, ging es nur noch ums Geld: ein Zeichen, wie tief die BJP 2009 gefallen ist. Die Gründe für den Niedergang liegen tief. Sie glaubte an das "glänzende Indien" (BJP-Wahlslogan).

Am Ende aber siegte Bill Clinton: "Stupid, its the economy!" macht aus Sicht der mehrheitlich armen Inder derzeit mehr Sinn mit der Kongresspartei. Die Folgen sind weitreichend: "Das Ergebnis des stetigen Falls der BJP ist, dass wir die Möglichkeit einer Vorherrschaft der Kongress-Partei wie in den ersten vier Jahrzehnten nach der Unabhängigkeit ins Auge fassen müssen", schreibt die Times of India.

Zur Bekämpfung dieses Erbes war Advani mit der Gründung der BJP und einem radikalen Hindunationalismus in den 80er-Jahren angetreten. Welches Programm nun seine Nachfolger als Alternative zur Kongresspartei bieten wollen, ist völlig offen.

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