Polit-Affäre in Berlin-Lichtenberg: Kevin nicht mehr allein zu Haus
Der skandalbehaftete SPD-Stadtrat Kevin Hönicke darf zurück ins Bezirksamt Lichtenberg. Die eigentlichen Vorwürfe gegen ihn sind aber nicht vom Tisch.
Hönicke steht im Verdacht, Amtsinterna verraten zu haben. Ende Oktober vergangenen Jahres wurde er deshalb von CDU-Bezirksbürgermeister Martin Schaefer vom Dienst freigestellt, ein Hausverbot im Lichtenberger Rathaus inklusive. Der alles andere als öffentlichkeitsscheue Stadtrat klagte sich durch mehrere Instanzen. Mit Erfolg, zumindest vorläufig.
Er sei „unendlich“ froh und danke allen „die an mich geglaubt haben und mich unterstützt haben“, sagte Hönicke nach der Gerichtsentscheidung. Faktisch darf er nun an seinen Schreibtisch zurückkehren – wenn auch als Schulstadtrat.
Im Dezember hatte das um den SPD-Vertreter geschrumpfte Bezirksamt beschlossen, die Geschäftsbereiche der Stadträt:innen neu zu verteilen. Der weder entlassene noch zurückgetretene, aber eben auch nicht anwesende Hönicke bekam den Schulbereich zugeschoben, der seither kommissarisch von Grünen-Verkehrsstadträtin Filiz Keküllüoğlu verwaltet wird.
Alles andere als ein Freispruch
Die Entscheidung des OVG ist dabei keineswegs als Freispruch für Hönicke zu verstehen, im Gegenteil. Wie das Gericht klarstellt, wird der Bezirksstadtrat weiterhin beschuldigt, Anfang 2023 dem Tagesspiegel anonym interne E-Mails über ein Jahr zurückliegende Vorwürfe von Dienstmissbrauch und angeblicher sexueller Belästigung gegen einen Mitarbeiter des Bezirksamts zugeschickt zu haben.
Das dazugehörige Anschreiben bezichtigte vor allem den damaligen Linken-Bezirksbürgermeister Michael Grunst der Untätigkeit in einem vermeintlichen MeToo-Fall. Es war Wahlkampfzeit, und Hönicke wollte selbst auf den Chefsessel im Rathaus. Hönicke sagt, er habe mit den Dokumenten und dem Anschreiben nichts zu tun. Alle Gerichtsinstanzen haben das bislang anders gesehen.
Der Grund, weshalb die Freistellung durch den Bürgermeister aber „erforderlichenfalls“ eben doch „aufzuheben“ ist, ist laut OVG ein anderer: Seitdem der Tagesspiegel im Herbst 2023 den Briefinhalt „zu thematisch begrenzten Vorgängen in der Vergangenheit“ veröffentlicht hat, sei das Kind ohnehin in den Brunnen gefallen, alles liege auf dem Tisch.
Durch eine Rückkehr Hönickes sei daher in der Lichtenberger Schmutzaffäre „weder eine Verdunkelungsgefahr noch andere erhebliche Gefahren für den künftigen Dienstbetrieb“ zu befürchten. Das heißt für Hönicke aber auch: „Eine Vorwirkung für den Ausgang eines Disziplinarverfahrens ergibt sich aus dieser Entscheidung nicht.“
SPD-Spitze fordert Umbildung des Bezirksamts
Die Berliner SPD-Spitze ficht das nicht an. „Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ist für Kevin Hönicke ein wichtiger Erfolg. Endlich darf er wieder als Bezirksstadtrat seine Dienstgeschäfte führen und als für die SPD demokratisch gewähltes Mitglied des Bezirksamtes Lichtenberg tätig sein“, erklärten am Dienstagabend die Parteivorsitzenden Franziska Giffey und Raed Saleh. Die SPD erwarte jetzt, „dass das Urteil so schnell wie möglich umgesetzt wird und die Veränderungen in der Bezirksamtsstruktur unverzüglich rückgängig gemacht werden“.
Das sei ja schön, dass die SPD-Granden das fordern, sagt am Mittwoch Lichtenbergs Rathauschef Martin Schaefer zur taz: „Aber das steht für uns gar nicht auf der Tagesordnung.“ Ansonsten bitte er um Verständnis, dass er sich vorerst zum OVG-Urteil nicht äußern werde. „Wir werten das gerade aus.“
Dass eine nur halbwegs konfliktfreie Zusammenarbeit zwischen Schaefer und Hönicke in dem nur fünfköpfigen Bezirksamt künftig überhaupt möglich ist, darf freilich bezweifelt werden. Noch im Januar hatte Hönicke in der taz gefordert, der Bezirksbürgermeister müsse endlich „Konsequenzen“ ziehen – ein wenig subtiler Aufruf zum Rücktritt.
Sich selbst sah Hönicke vor allem als Opfer in einem Intrigenspiel, weil er sich stets nur für die angeblich von dem Bezirksamtsmitarbeiter belästigten Frauen eingesetzt habe. Erst in der vergangenen Woche hatte das Landgericht Berlin in einer anderen Klage entschieden, dass die Anschuldigungen gegen den Mitarbeiter nicht öffentlich verbreitet werden dürfen, weil dafür jegliche Belege fehlen würden.
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