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PolenDie antideutsche Karte ausgespielt

Die polnische Aussennministerin Anna Fotyga wettert mal wieder gegen Berlin. Damit will sie im Wahlkampf punkten.

Deutschlands Politik will Polen erniedrigen, glaubt Anna Fotyga. Bild: dpa

WARSCHAU taz Dass Polen sich weder in der Nato noch in der EU sicher fühle, liege an den Deutschen, klagte Polens Außenministerin Anna Fotyga gegenüber der britischen Tageszeitung International Harald Tribune. Während Russland seine Rohstoffquellen als Waffe einsetze, stelle Deutschland Eigentumsforderungen an Polen. Warschau müsse sich daher sowohl in der EU als auch in der NATO gegen "seine historischen Feinde" verteidigen und darum kämpfen, dass dort seine Interessen berücksichtigt würden. Deutschlands Politik ziele darauf ab, Polen zu erniedrigen und in der EU zu dominieren.

Ganz Europa weiß inzwischen, dass Polens nationalpopulistische Regierung antideutsch eingestellt ist. Die Litanei über die angebliche Geschichtsvergessenheit der Deutschen ist ebenso bekannt wie Klagen über die geplante deutsch-russische Gaspipeline durch die Ostsee. Statt aber das direkte Gespräch zu suchen, überzieht Fotyga Deutschland seit Tagen mit einem verbalen Trommelfeuer, das seinesgleichen sucht. So scharf wie in der International Harald Tribune ist sie aber noch nie geworden.

Daher hat nun die Deutsche Botschaft in Warschau zum ersten Mal seit der Regierungsübernahme durch die nationalpopulistische Recht und Gerechtigkeit (PiS) vor zwei Jahren offiziell auf die Vorwürfe reagiert. "Wir sind sehr traurig und erstaunt über dieses Interview", erklärt Jutta Frasch, die stellvertretende Botschafterin. "Seit dem Fall der Berliner Mauer haben sowohl Bundeskanzler Helmut Kohl als auch Außenminister Dietrich Genscher und die nachfolgenden Regierungen alles getan, um Polen den Weg in die EU und die NATO zu ebnen."

Auch innerhalb von EU und NATO habe kein Land mehr getan, um den Interessen Polens Rechnung zu tragen. "Völlig unverständlich ist mir auch der Vorwurf, dass Berlin zu eng mit Moskau zusammenarbeiten würde", so Frasch weiter. "Polen ist unser strategischer Bündnispartner. Das ist ein ganz anderes Niveau der Zusammenarbeit als mit Russland". Was die Eigentumsforderungen einiger Vertriebener in Polen angehe, so habe die Bundesregierung mehrfach erklärt, dass sie diese Forderungen nicht unterstütze.

Fotyga wirft den Deutschen vor, Polen nicht als ebenbürtigen Partner ernst zu nehmen. Als Beispiel nennt sie die heftige Kritik der Deutschen am geplanten Bau eines amerikanischen Raketenabwehrschirms in Polen. "Briten und Dänen haben auch eine Raketenabwehr. Warum sollen wir Polen nicht die gleichen Rechte haben?", empört sie sich gegenüber dem britischen Korrespondenten. "Wie kommt es, dass so viele Länder darüber diskutieren, ob wir Polen ein Recht auf dieses System haben oder nicht? Es ist der Versuch, unsere Position als ebenbürtiger Partner zu unterminieren."

Ähnliches gelte für die Forderungen Deutschlands nach Rückgabe von kriegsbedingt verlagerten Kulturgütern. "Uns gegenüber hat Berlin klare Forderungen. Warum nicht auch gegenüber Frankreich?", fragt Fotyga und setzt hinzu: "Es waren die Nazis, die das Kulturerbe Polens fast völlig vernichtet haben."

Für Polens liberalkonservative Opposition hat das Interview bereits Wahlkampfcharakter. "Fotyga warnt vor einer deutschen Gefahr, weil das bei einem Teil der Wähler gut ankommt", sagt Dariusz Rosati, Ex-Außenminister und heutiger EU-Parlamentarier. "Nichts verbindet mehr als das Gefühl einer gemeinsamen Gefahr". Grzegorz Schetyna, der Generalsekretär der liberalen Bürgerplattform, meint: " Gute Beziehungen zu Berlin sind für unser Land unumgänglich, wenn wir Polen wieder aus der selbst gewählten internationalen Isolation herausholen wollen."

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2 Kommentare

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  • H
    Hartmut

    Kleine Korrektur: Es ist der "International Herald Tribune" (nicht "Harald"), und diese Zeitung ist keine britische, sondern eine amerikanische.

  • M
    Martin

    Ich würde mich freuen, wenn bei solchen Artikeln ein Link auf die Primärquelle (hier: International Herald Tribune) zu finden wäre, falls das Interview elektronisch veröffentlicht ist. Sonst muss man immer selbst danach suchen.