Podolskis Rückkehr nach Köln: Der Prinz soll gekrönt werden
Am Donnerstag bekommt die Stadt der Narren ihren Strahlemann zurück und verdrängt tapfer, dass der 1.FC Köln mit Lukas Podolski zweimal absteigen musste.
Lukas Podolski ist zurück beim 1. FC Köln. Der verlorene Dom-Prinz, der Volksheld, Liebling aller. Am Donnerstag um um 18 Uhr ist Trainingsauftakt. Zehn Millionen Euro haben es möglich gemacht. Und eine Volksbewegung, heftig befeuert vom Club, von Politik und Wirtschaft. Viele Fans gaben Kleinbeträge, etwa über die Aktion Pixelkauf: Da konnte man sich auf der Clubwebsite in ein Stückchen Poldiposter einkaufen, Minimum 25 Euro. Unter den Gönnern waren Heiner Brand, Michael Schumacher, viele Firmen, Einzelfans und das Galopprennpferd Egon. Die Grußbotschaften mäanderten von "Poldi is Kölle" bis "Poldi, Du bis e Jeföhl".
Das Gefühl ist zurück. Und alle erwarten Wunderdinge, mindestens. Was Lukas Podolski, mittlerweile auch schon postpubertäre 24 und Vater von Louis (1), wirklich kann außer technisch vehement schießen, bei Sönke Wortmann lustig laienschauspielern und so herrlich unbedarft klugscheißern, weiß man bis heute nicht genau. Ein Spieler zwischen Lethargie und Explosion. Als er 2003 unter Marcel Koller, dem gefühlt zehntletzten FC-Trainer, zu seinen ersten spektakulären Profieinsätzen kam, sagte er: "Ich laufe hier so auf, als ob ich in der A-Jugend spiele." Unbekümmertheit war immer sein Trumpf-As.
Manchmal hat es den Eindruck, als spiele er immer noch wie in der A-Jugend. Jürgen Klinsmann machte ihn wegen taktischer Unfertigkeiten zum Bayern-Bänker. Vor den Münchner Jahren hatte der junge Lukas gut zweieinhalb Spielzeiten in Köln verbracht. 2004 stieg er ab. Es folgte ein Zweitligajahr mit grausamem Huub-Stevens-Ergebnisfußball und dem Aufstieg. In der Saison 2005/06 stieg der FC mit Podolski postwendend wieder ab. Vereinzelt überragende Vorstellungen zeigte er nur am Saisonende, als der Abstieg schon weitgehend feststand.
Monatelang las man von andauerndem Formtief, von abgetaucht, mangelhaft, unsäglicher Vorstellung, vom "Sorgenkind Poldi", einmal auch von seiner "Erlösung durch Auswechslung". Das haben alle in Köln verdrängt. Karneval 2006 war Podolski großes Thema auf den Motivwagen, in der kölschen Traum-Elf kickte er als Pappfigur neben Adenauer, Tünnes, Schäl und Willi Millowitsch. Auf dem Platz war "unübersehbar, dass Podolski die Fertigkeit eingebüßt hat, seinem in der Vergangenheit verblüffend unfehlbarem Instinkt für das in jeder Situation jeweils Richtige zu folgen", notierte der Stadt-Anzeiger und folgerte über den Medien- und Werbestar: "Die Produktwerdung von Podolski hat dem Spieler Podolski geschadet."
Die Rückrufaktion mitfinanziert hat Frank Asbeck, Chef der Bonner SolarWorld AG und ein alter FC-Infizierter, mit einem siebenstelligen Betrag. Allerdings stammte die Millionensumme, betonte Asbeck schnell, aus seiner Privatschatulle, seiner Firma könne er das nicht antun. Die aber sponsert ab sofort den FC als "Exklusivpartner im Bereich Photovoltaik". Der Spieler mit dem Sonnenscheinlächeln soll eine zentrale Rolle bei der SolarWorld-Vermarktung spielen. Asbeck berichtet stolz, Podolski wollte zuerst "die Solarenergie von mir mal richtig erklärt haben". Dann habe er gesagt, das sei ja genau wie aufm Platz: Hier müsse der Ball ins Netz und dort die Sonnenstrahlen. Asbeck: "Das wird gleich zum Slogan gemacht." Allzweckwaffe Sönke Wortmann soll die Filmspots drehen.
Alle lieben Poldi, auch Kölns neuer Trainer Zvonimir Soldo. Er nennt Podolski "eine Riesen-Verstärkung" und wollte ihn erst sogar zum Kapitän machen. "Lukas wird ein Führungsspieler sein", der "die Richtung vorgibt und Verantwortung übernimmt". Also König statt launiger Prinz. Eine Rolle, in der man den Schweini-Kumpel nicht kennt. Sein bekanntestes Leader-Zitat allerdings: "Die Köpfe müssen jetzt hochgekrempelt werden - und die Ärmel auch."
"Jetzt kommt das Glück - in die Domstadt zurück", heißt es in der neuen Poldi-Hymne, die zum Trainingsauftakt vorgestellt wird. Dieser wird hypebedingt im Stadion stattfinden. Der Boulevard spekuliert auf mindestens 20.000 Zuschauer. "Und sein linker Fuß schießt uns nach Europa", wird die Poldi-Hymne donnern. Der Express fragte schon 2003: "Ist der FC eine Krankheit?"
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