Podcast über Leonard Cohen: Hoffnung ohne Siegeslärm
Ein neuer Podcast zeichnet das Werk und Wirken des Schriftstellers und Musikers Leonard Cohen nach. Zu hören ist, was es kostet, ein Genie zu sein.
Die Dunkelheit lichtet sich, wenn man älter wird. Allein für diesen von der kanadischen Legende vermittelten Hoffnungsschimmer lohnt sich der Podcast „So long, Cohen“ – denn wirklich bestätigen kann ich das als Mitt-50er derzeit jedenfalls nicht.
Doch das war ja vielleicht immer das „Amt des Dichters“ – so eine Formulierung seines Poetenkollegen Rainer Kirsch –, wie Leonard Cohen es verstanden hat: Hoffnung ohne Siegeslärm zu verbreiten, Melancholie nicht als spinnerten Quatsch abzuwerten, sondern darauf zu bestehen, dass es beim Leben und Überleben am Anfang und am Ende um den Einzelnen geht.
Denn wenn der es nicht schafft, seiner Existenz die nötige Portion Glück abzugewinnen – wie soll es der aus Einzelnen bestehenden Gemeinschaft gelingen?
Insofern ist der Zugang über das kleinkindliche Ich, das auf dem Plattenspieler der Mutter mit fünf Jahren zum ersten Mal einen Cohen-Song hört, den Podcast-Host und Autorin (zusammen mit Denise Fernholz) Diviam Hoffmann gewählt hat, schlüssig; und gut ist aber ebenso, dass sie sich in den weiteren Folgen zumindest etwas mehr zurücknimmt und anderen Stimmen mehr Raum lässt, insbesondere natürlich Leonard Cohen selbst. Denn der ist so groß, dass die eigenen Geschichtchen dagegen doch arg klein wirken.
„So long, Cohen“, fünf Folgen bei allen Podcatchern
Nicht gut genug
Zur Größe, zum Individualismus gehört auch, dass es unfair zugeht in der Welt, dass es Begabung gibt, und dass der vielleicht wesentliche Teil jede Begabung gar nicht so sehr die jeweilige handwerkliche Fähigkeit ist, sondern die charakterliche, sie auch mit Rücksichtslosigkeit gegen sich und andere durchzusetzen. Cohen hat das praktiziert und erlitten. Sein Song „Halleluja“ wurde von seiner Plattenfirma zunächst abgelehnt: „Sie dachten, er sei nicht gut genug.“
Nun, da haben sie sich getäuscht. Und getäuscht sah sich Cohen, als er 2004 von seinem buddhistischen Retreat in Kalifornien herabstieg und bemerken musste, dass seine Managerin sein Vermögen veruntreut hatte: für ihn und seine Fans der Beginn eines wundervollen Alterswerks, das der Popkultur noch viel Material zur Zweitverwertung geben wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Krieg in Nahost
Israels Dilemma nach Assads Sturz
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Missbrauch in der Antifa
„Wie alt warst du, als er dich angefasst hat?“