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Plötzlich wird es in Ruanda eng

Die Massenrückkehr von Ruandern aus Tansania trifft ein Land, das gerade noch den Rückkehrstrom aus Zaire vor einem Monat zu verdauen hat. Ökonomische Engpässe sind die Folge  ■ Aus Kigali Andrea König

Die Rückkehr von Hunderttausenden ruandischen Hutu-Flüchtlingen aus Tansania in ihre Heimat ist nicht problemlos. Wie bereits vor einem Monat an der Grenze zu Zaire werden die Rückkehrer nicht registriert. Das vom UN- Flüchtlingshilfswerk UNHCR bereitgestellte Transitlager bleibt leer. Das UN-Menschenrechtsbüro in der ruandischen Hauptstadt Kigali ist besorgt: Ohne eine Registrierung der Rückkehrer an der Grenze ist eine Überprüfung ihres Schicksals unmöglich.

Die Regierung will, daß die Menschen so rasch wie möglich in ihre Heimatgemeinden zurückkehren. Erst dort werden sie registriert. Von den Rückkehrern aus Zaire wurden bis Anfang Dezember nach UN-Angaben mehr als die Hälfte, rund 300.000 Menschen, in ihren Gemeinden registriert – und der Prozeß ist noch nicht abgeschlossen. Die Gemeindebehörden sollen sich strikt an Vorgaben von oben halten: Ankömmlinge dürfen nicht ohne vorherige Rücksprache verhaftet werden, und eine Verhaftung ist erst möglich, wenn eine polizeiliche Untersuchung stattgefunden hat und ein Dossier existiert. Mit einer Ausnahme: Vor einer Woche veröffentlichte Ruandas Regierung eine Liste mit über 2.000 Namen. Wer da draufsteht, kann sofort verhaftet werden.

Nicht überall haben sich die Gemeindebehörden an die Vorgaben gehalten. Nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), das in Ruanda Gefängnisse besucht, ist die Zahl der Verhaftungen seit der Massenrückkehr aus Zaire massiv gestiegen. Allein in den Präfekturen Kigali-Stadt und Kigali-Land hat das IKRK in den letzten zwei Wochen über 400 neue Häftlinge registriert. Es ist kaum anzunehmen, daß über alle Häftlinge Dossiers existieren.

So mancher Rückkehrer aus Tansania mag angesichts der Erfahrungen der Rückkehrer aus Zaire befürchten, ins Gefängnis zu kommen, weil in seinem alten Haus inzwischen Soldaten wohnen. „Würden Sie sich erlauben, einen Soldaten der ruandischen Armee aus Ihrem Haus zu weisen?“ fragt ein Mann besorgt. Die Regierung gibt unrechtmäßigen Hausbewohnern vierzehn Tage Zeit, um das Haus an die zurückgekehrten Alteigentümer zurückzugeben und sich etwas Neues zu suchen – doch viele der Rückkehrer aus Zaire sind noch einen Monat nach ihrer Ankunft ohne Häuser. Obdachlose gibt es jedoch keine. Die Wartenden bleiben bis zur Klärung der Lage geduldig bei Verwandten und Freunden. Die Angehörigen des einstigen Fotografen Fidèle sind vor einem Monat aus Zaire zurückgekehrt und haben ihr Haus noch nicht wieder. „Wir werden uns gedulden müssen und beten“, sagt er. Solange lebt die Familie mit ihm in seinem kleinen Zweizimmerhaus. Die Lebensmittelrationen reichen nur noch eine kurze Zeit. Ein Vertreter eines Hilfswerkes erklärt: „Wir haben erst jetzt gemerkt, daß viele Leute ihre Häuser anderen übergaben, bevor sie flüchteten, und nun leben sie mit diesen Leuten oft in sehr engen Verhältnissen.“

Angesichts der Probleme greift Ruandas Regierung zu autoritären Mitteln aus vergangenen Zeiten. Vor einer Woche rief sie nach alter Tradition einen Tag der „Umuganda“, der obligatorischen gemeinnützigen Arbeit, aus, an dem alle Ruander Ziegelsteine für die Rückkehrer herstellen mußten. Alle Minister müssen ihren Dezemberlohn für die Reintegration der Rückkehrer hergeben. Staatsangestellte, die keine „Umuganda“ leisten wollen, müssen 15 Prozent ihres Lohns abgeben.

Die Rückkehr von mittlerweile bald einer Million Flüchtlinge in ihre Heimat ist eben nicht nur ein freudiges Ereignis. Abgesehen vom Mißtrauen, daß vielen entgegenschlägt, werden sie auch als ökonomische Belastung empfunden. Ein Angestellter der Präfektur von Kigali-Land stöhnt: „Ich muß eine neue Arbeit finden. Wir werden sehr schlecht bezahlt, und nun müssen wir auch noch Geld abgeben. Bald kann ich meine Familie nicht mehr ernähren. Wo soll das noch hinführen?“

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