: Pleitegeier über Zockerfirma
Hatte der Vorstand der ASS-Spielkartenwerke zu hoch gepokert? / Ein Drittel der Belegschaft entlassen / Aktionäre fordern Köpfe / Vier Millionen Mark Defizit in einem Jahr / Die Zocker-Aktie geriet vom Börsenrenner zum Konkurspapier ■ Aus Stuttgart Dietrich Willier
Die Aktionäre der Altenburg Stralsunder Spielkartenfabrik, in Stuttgart gleich neben der Autobahn, müssen von der Liebe nur so verwöhnte Leute sein. Denn was sich am vergangenen Mittwoch auf der Aktionärsversammlung der Ass -Spielkartenbetriebe im größten Saal des Hotels Stuttgart International an Pech, Wut und Enttäuschung äußerte, paßt längst nicht mehr auf eine Kuhhaut. Wo man sich sonst zu Bankett, Ball oder ganz privat im Club London trifft, war Zoff angesagt. Vier Millionen Mark Defizit bei 28 Millionen Mark Umsatz im vergangenen Jahr, sei schon ein starkes Stück, meinten die Aktionäre.
Schon im Frühjahr dieses Jahres wurde über Europas größten Spielkartenhersteller gemunkelt. Ganz ohne Vorwarnung geriet die Ass-Aktie zum Börsenrenner. Und als dann im Juni gar noch gemeldet wurde, Daimler-Benz interessiere sich für das Spielkartengrundstück, gab es kein Halten mehr. „Barbarossa und die Rätselmeister“, ein preisgekröntes Spiel des Verlags, schien Realität geworden - auch im eigenen Haus.
Dann kam der Crash. Daimler dementierte Kaufabsichten, Gerüchte sprachen von einem bevorstehenden Konkurs, aus der Vorstandsetage des Spielkartenherstellers sickerte durch, man wolle die Aktien auf die Hälfte ihres Werts beschneiden
-eine Art Währungsreform des Grundkapitals.
Zocker, Zinker, Spielverderber, diese Vorwürfe kamen schnell. Seither sind ASS-Spielkarten Renner der Schlagzeilen auf den Wirtschaftsseiten. Wer aber bei der Hauptversammlung am Mittwoch auf Aufklärung der Vorwürfe hoffte, blieb enttäuscht. Daß der alerte Vorstandsvorsitzende Hans Jany selbst oder dessen Clan nach erneuter Baisse Aktien horteten, bleibt vorerst unbewiesen.
„Top-Aktionär“ heißt ein anderes Gesellschaftsspiel des Verlags neben Skat und Pokerkarten, stolz und symbolisch hat man es auf den Umschlag des Bilanzberichts gedruckt. Was jetzt aber dem ASS-Vorstand in der Bilanzdebatte an unternehmerischen Winkelzügen vorgeworfen wird, kommt darin nicht vor.
Bis auf die vorläufige Tatsache, daß es die ASS -Spielkartenwerke noch gibt, scheint der Rest verschoben. Grundstück und Gebäude des Unternehmens gehören zu 96 Prozent einer ASS-Tochter, der Firma Aktium, für jährlich 1,1 Millionen Mark Miete. 2,1 Millionen Mark hat der Spielkartenverlag allein im vergangenen Jahr an uneinbringlichen Forderungen abgeschrieben, Schuldner waren meist zahlungsunfähige Firmen der Hans-Jany-Gruppe. Als dann noch bekannt wird, daß der Vorstandsvorsitzende Hans Jany in Zeiten, in denen er gar nicht Vorstand war, zinslose Darlehen fürs eigene Portefeuille erhalten hat, platzt den Kleinaktionären der Kragen. „Ausbeuter“ schallt es durch den vornehmen Genfer Saal des Stuttgart International, „Täuschung“ und „bodenlose Schweinerei“. Und all das für ein Jahressalär von immerhin 300.000 Mark.
Der renommierteste Spielkarten-Verlag, jammerten die Aktionäre, sei zur Melkkuh seines Vorstands und zum Spekulationsobjekt verkommen. Hans Jany habe sich bereichert, Schadenersatz fordere man in Millionenhöhe!
Doch Hans Jany, seit sieben Jahren Vorstandsvorsitzender des Unternehmens, lassen derlei Angriffe kalt. Noch keinen Pfennig habe er heuer für seine Bemühungen, das Unternehmen wieder auf die Beine zu stellen, erhalten. Und als Großaktionär habe er schließlich mehr Geld verloren als alle anderen zusammen. Von der vorbildlichen Sanierung des Betriebs - 70 von 200 Mitarbeitern sind entlassen, die Produktivitätssteigerung pro Kopf stieg um fast 100 Prozent
-ganz zu schweigen. Zuversichtlich wolle er jetzt noch weitere Aktien des maroden Verlags erstehen.
Schuld an der ganzen Misere sei schließlich nicht er, der Vorstand oder Aufsichtsrat, sondern die Presse. Gegen eine Stuttgarter Journalistin ist Strafanzeige wegen illegal beschaffter Informationen gestellt worden. Die Vorwürfe gegen ihn selbst, genannt werden kriminelle Machenschaften, Bilanzfälschung, und daß die Stuttgarter Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittele, wischt Jany mit lockerer Handbewegung lächelnd zur Seite.
So ist der Kapitalismus nun mal, meint Jany, wer die Mehrheit hat, hat auch das Sagen. Jany und sein Clan, das vermuteten die meisten Aktionäre, hatte versucht, sich die Mehrheiten zu sichern. Aber weit gefehlt. Am Ende der elfstündigen Debatte in der Hauptversammlung um die Entlastung des Vorstands war für ihn der Pott verloren. Weder wurde der Vorstand entlastet noch einigte man sich auf die Halbierung des Grundkapitals. Wütend weist ein Aktionär auf den Umschlag der Jahresbilanz. „Gehen sie aus dem Feld“ heißt eine Position im Spiel „Der Top-Aktionär„; die Untersuchung der Börsenkommission läuft. Das letzte As im Ärmel Janys hat nicht gestochen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen