Pleitegeier über Griechenland: Zahlen ohne Ende
Die EU prüft weitere Nothilfen für Griechenland. Drei Modelle sind derzeit im Gespräch. Einen Ausstieg aus der europäischen Währungsunion lehnen die Griechen strikt ab.
BRÜSSEL taz | Nun ist es raus: Die Europäische Union (EU) denkt doch über neue Hilfen für das überschuldete Griechenland nach. Tagelang wurde dies in Brüssel und in Berlin geleugnet, alle Berichte wurden ins Reich der Spekulation verwiesen. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker belog sogar die Öffentlichkeit, wie sein Sprecher jetzt einräumte, um ein Krisentreffen der EU-Finanzminister in Luxemburg geheim zu halten.
Ausgerechnet Bundeskanzlerin Angela Merkel, die bisher eisern geschwiegen hatte, lüftete gestern das Geheimnis. Über die Erleichterung der Hilfsbedingungen könne erst entschieden werden, wenn die Ergebnisse aus der laufenden Prüfung durch die Troika aus EU, IWF (Internationalem Währungsfond) und EZB (Europäischer Zentralbank) vorlägen, sagte Merkel. Indirekt räumte sie damit ein, dass die EU neue Notmaßnahmen für Griechenland erwägt.
Noch weilen die Experten in Athen, um die griechischen Staatsfinanzen zu prüfen. Doch gleich nach ihrer Rückkehr, möglicherweise schon beim Eurogruppen-Treffen am kommenden Montag in Brüssel, könnten Entscheidungen fallen, die dann noch vom EU-Gipfel im Juni abgesegnet werden müssten.
Die Rede ist von niedrigeren Zinsen auf die EU-Hilfskredite, längeren Laufzeiten und frischem Geld. Zwischen 25 und 60 Milliarden Euro könnte Athen brauchen - zusätzlich zu den bereits 2010 gewährten 110 Milliarden.
Griechenland erweist sich als Fass ohne Boden - und als Risiko für die gesamte Währungsunion. Denn wenn die Rettung in Athen scheitert, geraten nicht nur Irland und Portugal ins Taumeln, die ebenfalls auf Milliardenhilfen angewiesen sind.
Die Schuldenkrise könnte zudem Spanien und Italien erfassen, die seit Langem auf der Abschussliste der Spekulanten stehen, sich bisher aber noch recht gut behauptet haben.
Nur in Deutschland will man Athens Euro-Ausstieg
Unter Experten hat denn auch längst eine Debatte über die Frage eingesetzt, ob der griechische Patient noch zu retten ist - und wenn ja, wie. Dabei stehen sich zwei Lager gegenüber. Die einen, zu denen etwa der Chef der Liberalen im Europaparlament, Guy Verhofstadt, und der grüne Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit zählen, glauben, dass eine Rettung nur möglich ist, wenn Europa zusammenrückt und eine politische Union gründet.
Ohne echte Wirtschaftsregierung und solidarische Transferunion, so die Europhilen, werde das griechische Drama böse enden. Dies ist allerdings eine Minderheitenmeinung. Die Mehrheit glaubt, dass die Lösung nicht in Brüssel, sondern in Athen zu finden ist.
Drei Modelle werden diskutiert: eine schlichte Anpassung des bisherigen Rettungsplans, eine Umschuldung oder der Ausstieg Griechenlands aus der Währungsunion.
Das dritte Modell findet bisher nur in Deutschland Befürworter. Ein Ausstieg aus dem Euro sei das "kleinere Übel", glaubt etwa Ifo-Chef Hans-Werner Sinn. Die Wiedereinführung der Drachme werde zwar zum Kollaps der griechischen Banken und zu einer schweren Wirtschaftskrise führen. Durch die dann mögliche Abwertung werde Griechenland aber die benötigte Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen.
Die Chancen auf Umsetzung sind gleich null, da Griechenland diese Lösung entschieden ablehnt. Anders sieht das bei der Umschuldung aus – sie wird nach Medienberichten seit einiger Zeit auch in Athen erwogen. Die Möglichkeiten reichen von einem Teilerlass der Schulden ("Haircut") über einen garantierten Umtausch von Anleihen ("Brady Bonds") bis hin zu längeren Laufzeiten und niedrigeren Zinsen für die bereits gewährten Kredite.
Allerdings wollen Berlin und Brüssel bisher nichts von einer Umschuldung wissen. Sie könnte die Märkte verunsichern und deutsche Banken belasten, die noch nicht alle griechischen Anleihen abgeschrieben haben. Die verstaatliche Pleitebank Hypo Real Estate gilt als solch ein Wackelkandidat, auch die Commerzbank könnte Probleme kriegen.
Bleibt als letzte – und wahrscheinlichste – Variante eine schlichte Anpassung des bisherigen Rettungsplans. Zum Beispiel könnten die Zinsen auf die laufenden EU-Hilfen gesenkt werden, wie bereits im März geschehen. Als Gegenleistung müsste Griechenland aber wohl weitere Kürzungen und Privatisierungen vornehmen. In gewisser Weise wäre dies auch eine Umschuldung – aber eine, bei der vor allem die Griechen draufzahlen.
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