Plan für Verantwortungsgemeinschaften: Noch ein wenig schwachbrüstig
Bei den Vorstellungen von Justizminister Buschmann zur Verantwortungsgemeinschaft ist noch Spielraum nach oben. Unsäglich ist indes die Kritik der Union.
M an kann über ein politisches Vorhaben sinnvoll diskutieren oder es machen wie die AfD. Der Unterschied war beim Vorschlag von Justizminister Marco Buschmann (FDP) für die Einführung von Verantwortungsgemeinschaften gut zu beobachten. Der Justizminister will Geschwistern, die zusammen alt werden, oder anderen Nähegemeinschaften das Leben leichter machen, indem sie beim Notar eine Verantwortungsgemeinschaft begründen können und dafür bestimmte rechtliche Vorteile, etwa bei der Organspende, erhalten.
Das ist eigentlich ein schönes und ehrenwertes Vorhaben, das Unterstützung verdient. Bisher ist es an manchen Stellen aber noch etwas schwachbrüstig. Welche WG wird beim Notar hunderte Euro ausgeben, damit etwa am Ende jedes WG-Mitglied berechtigt ist, den neuen WG-Kühlschrank zu kaufen. Hier wäre viel wichtiger, dass nach dem Tod oder Wegzug der Hauptmieterin der Mietvertrag nicht endet, sondern die anderen Mitglieder der Verantwortungsgemeinschaft automatisch nachrücken.
Solche konstruktive Kritik ist sinnvoll und wird sicher im Laufe der kommenden Verbändeanhörung vorgebracht werden. Vielleicht ist Minister Buschmann sogar großzügig und nimmt das eine oder andere auf.
Das Gegenteil ist eine Kritik, die nur ein Thema im Kopf hat: Wie könnte die Verantwortungsgemeinschaft von Ausländern missbraucht werden? Welchen unerwünschten Nutzen könnten Muslime aus dem Projekt ziehen? Tatsächlich schrieben viele Medien am Wochenende über die Sorge, dass die Verantwortungsgemeinschaft zur Anerkennung muslimischer Vielehen führen könnte.
Anlass der Berichte war diesmal allerdings kein Reflex der AfD, sondern die Reaktion der CDU/CSU auf Buschmanns Plan. Wer braucht eine Brandmauer, wenn die AfD-Imitatoren im „demokratischen Lager“ die AfD-Prioritäten bereits selbst so gut bedienen. Nur zur Beruhigung, rechts außen: Die Verantwortungsgemeinschaft wird ganz sicher nicht „Ehe“ heißen, also wird auch keine „Vielehe“ eingeführt, legitimiert oder gefördert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku