Plakataktion für einen toleranten Islam: Die Kuschelmuslime
Die Ahmadiyya-Gemeinschaft in Hamburg wirbt für einen toleranten Islam. Andere muslimische Gemeinden zeigen sich reserviert: die Gruppierung gilt bei ihnen als Sekte
HAMBURG taz | Das Plakat ist pink, und auf ihm steht in weißer Schrift ein Zitat des Propheten Mohammed: "Der Beste unter euch ist derjenige, der seine Frau am besten behandelt". Es ist eines von zehn Motiven, die ab Dienstag auf allen Hamburger U-Bahnstationen und einigen S-Bahnstationen zu sehen sein sollen.
Hinter der Plakataktion steckt die Hamburger Ahmadiyya Muslim-Gemeinschaft. "Der Islam wird seit Jahren immer nur angegriffen", sagt deren Pressesprecher Fazal Ahmad. Doch das Islam-Bild, das in der deutschen Gesellschaft vorherrsche, sei falsch. "Das, was man dem Islam vorwirft, ist vom Islam nicht gewollt", sagt Ahmad. Mit der Kampagne wolle man "die Diskussion auf eine andere Ebene bringen".
Die Mohammed- und Koran-Zitate, die die Hamburger Gemeinde ausgewählt hat, rufen etwa dazu auf, sich den Gesetzen des Wohnortes anzupassen und niemandem seinen Glauben aufzuzwängen: "Es soll kein Zwang sein im Glauben".
Die Ahmadiyya-Bewegung entstand 1889 in Indien.
Ihr Gründer Mirza Ghulam Ahmad sah sich selbst als Reinkarnation von Jesus, der nicht am Kreuz gestorben, sondern nach Indien ausgewandert sei. Er beanspruchte den Status eines Propheten zweiter Ordnung.
Den gewaltsamen Dschihad lehnen die Ahmadiyya ab, sie nahmen darum auch nicht am bewaffneten Unabhängigkeitskampf Indiens teil. Mirza Ghulam Ahmad handelte sich damit den Vorwurf ein, ein britischer Agent zu sein.
Die Hamburger Gemeinde trifft sich in der Fazle-Omar-Moschee in Stellingen. Sie wurde 1957 eröffnet und ist damit die zweitälteste Moschee in Deutschland.
"Die Ahmadiyya sind sehr religiöse Menschen. Sie sind politisch gemäßigt und lehnen jegliche Gewalt im Namen des Dschihad ab", sagt Professor Bülent Ucar von der Universität Osnabrück. Finanziert wurde die Plakataktion von den 300 Mitgliedern der Gemeinde. Im Spätsommer letzten Jahres kam die Idee auf, seitdem haben ungefähr 20 Mitglieder die Aktion ehrenamtlich organisiert.
Andere Gemeinden haben sich an der Aktion allerdings nicht beteiligt, was auch daran liegen könnte, dass die Ahmadiyya-Bewegung von vielen Muslimen als Sekte betrachtet wird. "Ihre theologischen Grundeinstellungen sind für orthodoxe Muslime nicht akzeptabel", sagt Mustafa Yoladas vom Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg (Schura). Die Ahmadiyya seien eine "Splitterbewegung".
Seit ihrer Gründung gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Indien wird die Bewegung von anderen Muslimen bekämpft - vor allem, weil sie an weitere Propheten neben Mohammed glaubt. Im Jahr 1974 wurden die Ahmadiyya von der "Islamischen Weltliga" zur Sekte erklärt, im Mai des Jahre 2010 richteten muslimische Extremisten ein Blutbad in einer pakistanischen Ahmadiyya-Moschee an.
"Wir akzeptieren die Ahmadiyya als Religionsgemeinschaft ihrer eigenen Art, aber nicht als Teil der islamischen Religionsgemeinschaft", sagt Ahmet Yazici vom Bündnis der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland, in dem sich die Milli-Görüs-nahen Moscheen organisiert haben. Ahmadiyya-Pressesprecher Fazal Ahmad sagt, dass man mit muslimischen Gemeinden in Hamburg in Kontakt stehe. Das Verhältnis sei nicht immer freundlich, "feindlich wäre aber auch zu viel gesagt".
Dennoch ist Ahmad überzeugt, dass er mit der Plakataktion die Meinung aller Muslime in Deutschland widerspiegelt: "Es sind Zitate aus dem Heiligen Koran. Da kann kein Muslim sagen, dass es nicht zutreffend sei", sagt er.
Die ausgewählten Slogans seien "sehr schöne Sprüche", sagt der Hamburger Schura-Vorsitzende Yoldas, und wenn "die Aktion dazu dient, ein positiveres Image des Islam zu bekommen", habe er nichts dagegen.
Ahmet Yazici ist da allerdings skeptisch: "Wir leben in einem schnellen Zeitalter", sagt er. "Ich glaube, dass Vorurteile gegenüber Religionsgemeinschaften nicht mit solchen Slogans abgearbeitet werden können."
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