Pläne für Checkpoint Charlie: Zurück auf Start
Grüne und Linke wollten den Checkpoint Charlie nicht einem dubiosen Investor überlassen. Jetzt lenkt auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) ein.
„Nach Jahren verschiedener provisorischer Nutzungen“, so steht es noch auf der Webseite des Planungsbüros Urban Catalyst, „ist wieder Bewegung in die Entwicklung am Checkpoint Charlie gekommen.“ Ab Dienstag sollte das Büro, das im Auftrag von Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) die Bürgerbeteiligung am ehemaligen Grenzübergang organisierte, die Seite am besten löschen. Denn im Senat wird Lompscher heute den Auftrag bekommen, das bisherige Verfahren abzuwickeln. Dann heißt es am Checkpoint Charlie wieder: Zurück auf Start.
Es hatte sich schon im Sommer angedeutet. In einem offenen Brief hatten Exkultursenator Thomas Flierl (Linke) und die Architektin Theresa Keilhacker die Bürgerbeteiligung als „Farce“ bezeichnet, weil der Senat mit dem Investor Trockland bereits einen Letter of intent unterzeichnet hatte. In dem ist vereinbart, dass das von Kultursenator Klaus Lederer (Linke) gewünschte Museum des Kalten Krieges bei Trockland als Mieter einziehen kann – für stolze 25 Euro den Quadratmeter.
Zweiter Querschuss: Landeskonservator Jörg Haspel stellte das ganze Areal unter Denkmalschutz. Der ehemalige Grenzübergang sei zu wichtig, um ihn komplett zu bebauen. Stattdessen sollten tausend Quadratmeter Freifläche entstehen, um daran zu erinnern, welchen Eingriff in das Stadtbild der Checkpoint Charlie bedeutete.
Dennoch ging die Bürgerbeteiligung weiter. Am 2. August wurden sieben Entwürfe ausgestellt, die den Spagat zwischen den Anforderungen eines Erinnerungsortes und den Vorgaben von Trockland-Projektmanager Heskel Nathaniel leisten sollten. Auch diese Entwürfe sind ab Dienstag Makulatur.
Als Erstes hatten sich die Grünen aus der Deckung gewagt. „Ich fühle mich verschaukelt“, sagte deren kulturpolitischer Sprecher Daniel Wesener und kündigte Widerstand gegen die bis heute nicht öffentlich gemachte Verabredung an, die der Investor mit den Staatssekretären der Finanz-, Kultur- und Bauverwaltung unterzeichnet hatte. Bekannt allerdings war zu diesem Zeitpunkt schon das Firmengeflecht von Trockland.
Zu den Geldgebern der Firma gehört unter anderem die Familie des ehemaligen turkmenischen Autokraten Saparmurad Niyasov. Außerdem ist das Firmengeflecht derart verschachtelt, dass sich nun auch in der Senatskanzlei des Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) die Erkenntnis durchgesetzt hat: „Wir haben uns diesen Investor nicht ausgesucht. Es ist nicht der Investor, den wir uns gewünscht haben.“
Zuvor hatten bereits die Grünen ein Ende der Zusammenarbeit mit Trockland gefordert und angeregt, das Museum des Kalten Krieges solle nicht, wie von Trockland gewünscht, westlich, sondern östlich der Friedrichstraße entstehen. An der Stelle, an der der Investor sein Flaggschiff, ein Hard-Rock-Hotel, geplant hatte.
Senatskanzlei Berlin
Auch die Linke war inzwischen auf Konfrontationskurs mit ihrem Kultursenator gegangen. „Die Finanzkonstruktion wirft Fragen auf“, sagte die stadtentwicklungspolitische Sprecherin Katalin Genburg der taz. Dass das Museum des Kalten Krieges bei Trockland Mieter wird, lehnte Genburg ab. Am heutigen Dienstag soll die Fraktion darüber abstimmen, ob das Museum in kommunaler Trägerschaft betrieben werden soll. Auch das ist ein Abrücken vom Letter of intent auf Seiten einer Koalitionsfraktion.
Selbst in der SPD, heißt es inzwischen, habe die Zusammenarbeit mit Trockland keine Mehrheit mehr. „Wir stellen fest, dass der Senat als Ganzes mit Trockland nicht mehr zusammenarbeiten will“, sagt ein führendes Mitglied der Senatskanzlei der taz. Deshalb solle Bausenatorin Lompscher auf der Senatssitzung am Dienstag beauftragt werden, „einen Plan vorzulegen, wie man ohne Trockland am Checkpoint Charlie weitermacht“.
Für Lompscher ist das ein vergifteter Auftrag. Denn es gibt zahlreiche Unwägbarkeiten bei diesem Plan B. Einmal, weil unklar ist, wie der Insolvenzverwalter auf die Blockade der Trockland-Pläne reagieren wird. Denn Nathaniel hat bislang nur die Grundschuld auf dem Gelände gekauft, die bei 90 Millionen Euro liegen soll. Der Grundstückspreis selbst ist darin gar nicht enthalten. Das ist auch der Grund, warum der Senat das Vorkaufsrecht am Checkpoint Charlie nicht ziehen will. Zu teuer.
Gut möglich, dass sich Trockland vom Checkpoint verabschiedet und der Insolvenzverwalter einen neuen Investor sucht. Der aber muss dann die Voraussetzungen erfüllen, die der Senat in einen neuen Bebauungsplan schreiben will. Es ist deshalb nicht unwahrscheinlich, dass die Brache, entgegen der frohen Botschaft von Urban Catalyst, noch viele Jahre erhalten bleibt. Genau das aber wollte die regierende SPD vermeiden. „Dem Regierenden Bürgermeister war es immer wichtig, den unwürdigen Zustand dort zu beenden“, so die Senatskanzlei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren