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Pläne der BundesregierungGrenzkontrollen wieder eingeführt

Keine Züge mehr: Innenminister Thomas de Maizière kündigt an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich wieder Grenzkontrollen an.

Neuer Plan Abschottung? Polizisten am Münchner Hauptbahnhof am 5. September 2015. Foto: dpa

Berlin/BRÜSSEL dpa/afp | Die Bundesregierung führt angesichts des starken Andrangs von Flüchtlingen vorerst wieder Grenzkontrollen ein. Das kündigte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Sonntagabend in Berlin an. Ziel sei es, die starke Zuwanderung nach Deutschland zu begrenzen und zu einem geordneten Verfahren zu kommen. Das sei auch aus Sicherheitsgründen nötig.

Nach geltendem europäischen Recht sei Deutschland für den größten Teil der Schutzsuchenden gar nicht zuständig, betonte der Minister. Die Regeln des Dublin-Abkommen seien unverändert gültig. De Maizière forderte alle EU-Mitgliedsstaaten auf, sich wieder daran zu halten, also die in die EU einreisenden Flüchtlinge nicht nur zu registrieren, sondern auch das Asylverfahren für sie durchzuführen.

Die Hilfsbereitschaft dürfe nicht überstrapaziert werden. Der Schritt sei auch ein Signal an Europa. Deutschland stelle sich seiner humanitären Verantwortung, betonte der Minister. Die Lasten müssten aber solidarisch verteilt werden. Die Einführung der Grenzkontrollen werde nicht alle Probleme lösen.

Die Deutsche Bahn hat den Zugverkehr zwischen Deutschland und Österreich für zwölf Stunden eingestellt. Dies sei auf Weisung der Bundesbehörden geschehen, teilte das Unternehmen am Sonntag in Berlin mit. Der Stopp gilt demnach bis Montagmorgen um 05.00 Uhr. Zuvor hatte bereits die österreichische Bahn mitgeteilt, dass der Zugverkehr seit 17.00 Uhr unterbrochen sei.

Auch Tschechien kündigte am Sonntagabend an, Kontrollen an der Grenze zu Österreich einzuführen. Weitere Maßnahmen würden je nach Entwicklung der Lage ergriffen, sagte der tschechische Innenminister Milan Chovanec am Sonntag im Fernsehen.

Keine Einwände von Brüssel

Die EU-Kommission hat zunächst keine Einwände gegen die vorrübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen in Deutschland. Die derzeitige Lage in Deutschland sei nach erstem Eindruck von den Regeln des Schengener Grenzkodex‘ gedeckt, teilte die Behörde am Sonntagabend in Brüssel mit.

Demnach können solche Kontrollen zwischen Mitgliedstaaten unter besonderen Umständen wiedereingeführt werden. Das Schengen-Abkommen regelt den freien Reiseverkehr zwischen den Mitgliedstaaten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe Behördenchef Jean-Claude Juncker über den Schritt informiert. Die Kommission werde die Lage nun genau beobachten. Ziel sei es, „so rasch wie machbar zu dem normalen Schengen-System mit offenen Grenzen zwischen Schengen-Mitgliedstaaten zurückzukommen“, hieß es in der Erklärung.

Die Entscheidung zeige, wie wichtig es sei, dass die EU-Staaten sich auf die Kommissionsvorschläge zur Flüchtlingskrise einigten, so die Kommission. Juncker hatte unter anderem die Verteilung von 120 000 weiteren Flüchtlingen vorgeschlagen – die EU-Innenminister werden am Montag darüber beraten.

Der starke Andrang von Flüchtlingen hatte Deutschland zuletzt vor immer größere Herausforderungen gestellt. Allein in München trafen am Samstag mehr als 12.000 Menschen ein. Viele Länder sehen die Belastungsgrenze erreicht. SPD-Chef Sigmar Gabriel mahnte im Tagesspiegel, die europäische Untätigkeit bringe auch Deutschland „an den Rand seiner Möglichkeiten“.

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7 Kommentare

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  • Es geht also nur um Stabilisierung der Staaten, nicht um die Sicherheit der Einwohner?

    Die Stabilisierungspolitik des Massenmord-Regimes in Damaskus wird also weiterverfolgt?

  • Ich glaube, die meinen immer noch, sie könnten den Lauf der Geschichte aufhalten. Es sind die Rechnungen für die Verfehlungen der letzten Jahrzehnte, die begangen wurden, die nun präsentiert werden. Niemand kann sich auf die Dauer entziehen.

     

    Den Kopf in den Sand stecken und nichts tun, das war immer die Parole. Wird schon gut gehen ... Aber das geht nicht gut und die Rache folgt auf dem Fuß. Meint einer, der noch bei klarem Verstand ist, daß man die Millionen von verzweifelten Flüchtlingen, denen keine andere Wahl bleibt, mit Zäunen zurückhalten könnte?

     

    Diese bemitleidenswerten Menschen werden in Kürze aufgrund des Wintereinbruchs als Leichen vor den Grenzzäunen liegen. Kann dann immer noch weggeschaut und zur bürokratischen Praxis übergegangen werden?

     

    Entweder wird die häßliche Fratze des feudal-EU-Bürokratie-Wirtschafts-Kapitalismus dies sanktionieren und als Alternativlosigkeit anpreisen oder sie müssen endlich zu den Prinzipien ihrer selbstverfaßten hehren Demokratie zurückfinden.

     

    Ich bin da aber sehr skeptisch und nicht sehr hoffnungsvoll. Noch gespannter bin ich allerdings, wie lange sich die Mehrheit der EU-Bürger

    diese Infamie noch bieten läßt oder ob der rechtsradikale Mob die Überhand gewinnt.

    • @Peter A. Weber:

      Richtig. Und was jetzt an Problemen hockommt, ist erst der Anfang. Neoliberalisierung, Deregulierung, Neoimperialismus, Globalisierung, Remilitarisierung tragen nun Früchte: Es rollt eine Katastrophe an.

  • wie nennen wir das nun ?

     

    Geschichte wiederholt sich ?

     

    oder wo sind die alle hin die mal gerufen haben

     

    " die Mauer muss weg"

  • Ich habe das Gefühl, dass die Bundesregierung ein bisschen mit ihrer Eisenbahn spielt.

     

    Und jetzt ist eben de Maiziére wieder dran mit spielen, die Woche davor durfte Merkel, nächste Woche dann sicher Seehofer...

     

    Und vielleicht spielen sie auch ein wenig Krieg, Monopoly und anderes, was einem so die Zeit vertreiben kann und Spannung bringt. Aber System dahinter? Ich kann es nicht finden.

    • @Hanne:

      Notgedrungenermaßen entwickelt sich die Europäische Union bald selbst ab. Dann braucht es keiner Misére unter Merkel mehr. Sie hat gerade mit diesem Eiertanz ihre unbedarfte Entscheidung durch ihren ohnehin angeschlagenen Innenminister geradebiegen lassen. Wir reden seit einiger Zeit von einer "durchdachten" Misère und wissen wahrlich nicht mehr, wo dies alles hinführt.

       

      Befürchten muß man einmal mehr, denn sie wissen wirklich nicht wie Politik für ihre Schafe aussieht. Gut dastehen und andere machen lassen, hatte nur eines, Mittel zum Zweck.

       

      Merkel, ein heller Angel a priori nur als Aushängeschild christlich demokratischer Langeweiler.

  • Die Stunde der nationalistischen Abschottungsreformer hat geschlagen. Es ist klar, daß es weder beim teilweisen noch beim vorübergehenden Charakter der Grenzschließung bleiben wird, wenn diese erst mal durchgesetzt ist.

     

    IM de Misére reibt sich die Hände, sein heimliches Hauptprojekt "DDRisierung des bundesdeutschen Staatssicherheitsapparates und der Außengrenzen" scheint weitere bedeutende Fortschritte zu machen.