■ Gewerkschaftsfrei: Pizza mit Beigeschmack
Der von Bundespräsident Roman Herzog geforderte „Ruck durch die Gesellschaft“ ist bei den Pizzabäckern längst angekommen. „Geringfügig Beschäftigte“ dürfen sich die Call-a-Pizza-Mitarbeiter nennen – unter der Hand reden sie von Ausbeutung.
Das Kozept ist einfach: Die sogenannten Pizza-Franchiser übernehmen das Unternehmenskonzept des Markenbesitzers und zahlen dafür Gebühren. Dann backen sie Pizza auf eigene Rechnung und holen sich abrufbare Tagelöhner, die weder in die Arbeitslosenversicherung noch in die Renten- und Krankenversicherung zahlen müssen. Lediglich eine geringe Lohnsteuer führen sie ab. Nur dürfen sie offiziell nicht mehr als 620 Mark im Monat verdienen. Die Pizzakuriere bekommen acht Mark die Stunde. Wenn wenig los ist, werden sie nach Hause geschickt.
Längst ist Realität, daß viele der dienstbaren Geister ihre geringfügige Beschäftigung gleich zweimal ausüben, um sich über Wasser zu halten. Abrechnungswege finden sich immer. Inzwischen werden diese Billigjobs haufenweise angeboten. In der Call-a-Pizza-Kette arbeiten 95 Prozent der Abrufkräfte auf 620-Mark-Basis, bei den Berliner Franchisern sind das zwischen 30 und 40 Jobber pro Filiale. Sie müssen ein eigenes Auto mitbringen, bekommen aber Benzingeld. Die Gewinne, die die Markenbesitzer der Franchiseketten einstreichen, zwingen andere Unternehmen, Beschäftigte gegen sozialabgabenfreie Jobber auszutauschen. Peter Sennekamp
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