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Pistolenhymnen von Stahlnetz bis Derrick

■ Die Vorschau: Heute und Samstag stellen die „Telstars“ ihre neue CD mit deutschen Kriminalfilmmusiken vor. Bandleader Thomas Milowski sprach vorher mit der taz

Vor fünf Jahren wäre es noch unmöglich gewesen, dass vier Jazzmusiker sich ernsthaft mit Filmmusiken auseinandersetzen. Nichts weniger als eine Ehrenrettung dieser als eher trivial eingeschätzten Gebrauchsmusik versuchen seit einiger Zeit der Bassist und Bandleader Thomas Milowski, Alexander Seemann an der schönen alten Hammond-Orgel, Gitarrist Peter Apel und Schlagzeuger Martin St. Kruzig. „Ironisch wollte ich dabei nie werden, dafür ist die Musik zu schön“, erklärt Milowski, der nicht nur die Idee für dieses Projekt hatte, sondern auch am meisten daran arbeitet. Denn der erste Schritt besteht darin, sich die Stücke immer wieder anzuhören, und die Noten herauszuschreiben: „Ich sammle diese Musiken schon ganz lange, ich mag einfach die schönen Themen. Aber alle Edgar-Wallace-Filme habe ich mir dann doch nicht angetan. Da reichen die ersten fünf Minuten, da ist es noch spannend, und dann spielten sie auch schon die beste Musik. Doch wenn dann Eddie Arendt auftaucht, ist die ganze Stimmung futsch.“

Vor drei Jahren gründete er die Band, die in letzter Zeit immer mal wieder in Bremen auftrat, und dabei von James Bond über Winnetou bis zu Orion die schönsten Filmmusiken mit viel Talent und Schmiss spielte. Auf ihrer ersten CD „Die langen Nächte der Ilso Rehbein“ (deren Veröffentlichung heute Abend im Moments gefeiert wird) beschränken sie sich aber auf deutsche Kriminalfilmmusiken. „Ich wollte ein Konzept für die CD, und nicht nur Wischi-Waschi von allem etwas.“ So kann man jetzt von Stahlnetz über Edgar Wallace, Jerry Cotton, Fu Manchu (englisch/deutsche Koproduktion), den Kommissar bis zu Derrick all die Pistolenhymnen hören, mit denen man als normaler Deutscher im mittleren Lebensabschnitt groß geworden ist. Zuerst hatte Milowski das Konzept, bei den Auftritten zur Musik jeweils das passende Video zu projizieren, aber dabei gab es urheberrechtliche Schwierigkeiten. Dafür lassen nun die vier Musiker in ihrer Bühnenshow die Sau raus: Bei dem Stück „Organ in Handcuffs“ wird Alex Seemann tatsächlich mit Handschellen an sein Instrument gekettet, nach dem ersten Set werden alle Musiker mit einer Maschinenpistole umgenietet, und es gibt „eine Ratte am Kragen von Fu Manchu“. Musikalisch müssen sich die vier dagegen mehr zurücknehmen als in den anderen Jazz- und Bluesformationen, in denen sie auch zusammenspielen.

Denn soviel nach Noten spielen wie hier tun sie sonst nirgends. „Das Material ist eben sehr komplex. Die Stücke sind kurz, Stahlnetz dauert etwa nur zwei Minuten elf Sekunden, und da bringen die Komponisten unheimlich viel an Emotionen und Informationen unter“, sagt Milowski. Dass die Band im Ton und Stil leicht retroesk angehaucht ist, ergibt sich daraus, dass die besten Filmmusiken in den 60er und 70ern entstanden. „Das war keine Absicht, hat sich aber so ergeben, denn nach Derrick war dann einfach Schluss. Und die alte Hammondorgel von Alex oder die Twäng- und Fuzz-Effekte von Peter Apel passen dazu ideal.“

Bei den früheren Programmen versuchten die vier noch, mit allerhand zusätzlicher Instrumentierung den Sound zu erweitern. Aber Xylophon, Waldhorn, Zither und Mundharmonika bleiben bei den deutschen Krimis zu Hause. „Wir spielen jetzt mehr Beatmusik, und das Quartett kann in diesem Rahmen alles darstellen.“

Wilfried Hippen

Die Telstars spielen heute ab 21 Uhr im Moments, und am 9.10. im Kulturzentrum PFL in Oldenburg

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