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Pisa-NachfolgetestBessere Leistung, schlechtere Chancen

In Deutsch und Fremdsprachen liegen süddeutsche Neuntklässler vorn, zeigt der Pisa-Nachfolgetest. Allerdings wird dort der Zugang zum Gymnasium am stärksten von der sozialen Herkunft bestimmt.

Ein deutliches Nord-Süd-Gefälle und eine soziale Schieflage – das sind die Ergebnisse des Pisa-Nachfolgetests. Bild: dpa

BERLIN taz | Schüler und Schülerinnen, die im Süden der Bundesrepublik leben, können besser lesen und schreiben als ihre Mitschüler im Norden. Dafür haben Neuntklässler im Norden der Republik weitaus bessere Aussichten, am Gymnasium das Abitur zu machen, zumal wenn sie aus dem Nichtakademikermilieu stammen. Der Ländervergleich der Fähigkeiten von Neuntklässlern in den Fächern Deutsch, Englisch und Französisch zeigt ein deutliches Nord-Süd-Gefälle und eine soziale Schieflage.

Die Kultusministerkonferenz (KMK) und das Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) haben die Ergebnisse des Ländervergleichs am Mittwoch vorgestellt. Um zu überblicken, wo die Schüler im zergliederten deutschen Bildungssystem stehen, hatte die KMK vor sechs Jahren einheitliche Bildungsstandards definiert. Diese legen fest, was Neuntklässler können sollen, um einen mittleren Schulabschluss zu schaffen. Nun wurden die Schüler erstmals daran gemessen.

Rund 36.000 Schüler haben Tests in Deutsch und Englisch absolviert, in sechs Ländern auch in Französisch. Gänzlich außen vor blieben Förderschüler, die etwa in Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt rund 10 Prozent der Schülerschaft bilden.

Die Bildungsstandards lösen die bisherigen Pisa-Bundesländervergleiche ab. Sie bestätigen allerdings deren Befunde. Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen liegen vorn, die Stadtstaaten Hamburg, Berlin und Bremen bilden die Schlussgruppe. Nach den aktuellen Ergebnissen trennen die Bremer Schüler im Durchschnitt 40 Punkte oder ein ganzes Schuljahr vom Tabellenersten Bayern.

Gleichzeitig klaffen die Leistungsunterschiede vor allem in den Stadtstaaten weit auseinander. In Berlin etwa liegen fast 350 Punkte oder über 8 Schuljahre zwischen den besten und den schwächsten Schülern.

Bestätigt wurde auch das verstörendste Ergebnis der ersten Pisa-Studie von vor 10 Jahren: Immer noch bestimmt die Herkunft über die Zukunft der Schüler. Spitze sind Bayern und Baden-Württemberg auch in der sozialen Auslese: Bei gleich guter Leseleistung hat ein Kind aus einer Beamtenfamilie dort fast siebenmal bessere Chancen, das Gymnasium zu besuchen, als ein Kind aus einer Arbeiterfamilie. Einzig in Berlin scheint die soziale Herkunft keinen Einfluss mehr auf die Chancen zu haben, ein Gymnasium zu besuchen, ausgehend von der Leseleistung.

In Ländern wie Bayern oder Baden-Württemberg, in denen ein geringerer Anteil der Schüler aufs Gymnasium geht, erzielen die Gymnasiasten jedoch bessere Leistungen als in Ländern, die mehr Schülern den Expresszugang zum Abi öffnen. "Wenn in Bayern 10 Prozent mehr Schüler aufs Gymnasium gingen, würde das zu einem Absinken der Leistungen führen", schlussfolgert der ehemalige Leiter des IQB, Olaf Köller.

Es bestätigte sich auch: Jugendliche mit Migrationshintergrund haben, selbst wenn sie in Deutschland aufgewachsen sind, in allen Bundesländern im Mittel deutlich schlechtere Leistungen als Jugendliche, deren Eltern aus Deutschland stammen.

"Die größte Herausforderung bleibt es, Leistungsfähigkeit und Chancengleichheit miteinander in Einklang zu bringen", meinte die Sprecherin der SPD-regierten Länder, die rheinland-pfälzische Kultusministerin Doris Ahnen. Die Sprecherin der CDU-regierten Bundesländer und niedersächsische Kultusministerin Johanna Wanka pries hingegen den Wert des Bestehenden. Es zeige sich, dass Länder mit stabilen Schulsystemen, wie Bayern und Sachsen, erfolgreicher seien, sagte Wanka.

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13 Kommentare

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  • B
    Berliner

    Hallo Thilo- nach allem was ich in meinem Umkreis höre, wäre das massenhafte Gründen von privaten Schulen in Berlin, eine tragfähige Geschäftsidee.

     

    Aber was nicht ist, kann eben nicht sein.

     

    Ich denke nur an JÜL. Es sollte gerade den Kindern aus bildungsfernen Familien nutzen. Und was ist? Diese bleiben massenhaft sitzen (sorry: verweilen). Die Mittelschichtskinder profitieren.

     

    Das ist der Unterschied zwischen Theorie und Praxis.

  • T
    thilo

    @Berliner: Na eben nicht! Das entscheidende Argument ist doch, daß man wegen der unterschiedlich strengen Auswahl der Schüler die Ergebnisse überhaupt nicht vergleichen darf! Würdest du die Leistungen bayerischer Gymnasiasten mit denen von Berliner Hauptschülern vergleichen wollen? Hätte das überhaupt einen Sinn, abgesehen von der im Jahresrhythmus wiederkehrenden Behauptung, die Südländer wären "klüger" als der Rest? Nein! Ich behaupte, daß die "Klugheit", Schrägstich Dummheit, in Deutschland ziemlich gleichmäßig verteilt ist.

    Mathematisch ist beides möglich: die Bayern können wegen der schärferen sozialen Selektion mit ihren Noten vorne liegen, und gleichzeitig können die Studien rechthaben, die zeigen, daß längeres gemeinsames Lernen allen Schülern nützt. Das klingt wie ein Widerspruch, ist aber keiner!

  • B
    Berliner

    Das Problem für Berlin besteht doch wohl darin, dass zwar alle "gleicher" sind, unglücklicherweise aber gleicher "dumm".

     

    Da solle mal noch einer sagen, die Schwächeren würden von den Stärkeren profitieren und die Stärkeren würden nicht runtergezogen.

     

     

    Diese These wird doch hier eindeutig widerlegt.

  • T
    thilo

    Ich wette mit euch, daß die besten 10% der Schüler in Berlin signifikant bessere Leistungen haben als die besten 30% der bayerischen Schüler. Das Problem ist doch, daß man die Durchschnittswerte gar nicht vergleichen darf, solange die Stichproben sich derart unterscheiden.

    Wenn ich recht informiert bin, gibt es Studien, die zeigen, daß längeres gemeinsames Lernen sowohl für die schwächeren als auch die stärkeren Schüler von Vorteil ist. Was gibt es denn da noch zu überlegen?

  • T
    tobi

    @Bremer

     

    Dann kann man sich Studien wie PISA vollends schenken. Wenn der Vergleich zwischen Bayern und Bremen unzulaessig ist, welchen Sinn hat dann noch der Vergleich zwischen Deutschland und Finnland?

  • B
    Bremer

    Die bisherigen Kommentatoren scheinen auch nicht die beste Schulbildung genossen zu haben. Kritisches Hinterfragen von Studienergebnissen zumindest bleibt aus!

     

    Dem Populismus sei Dank, wird ständig ausgeklammert das es sich um Durchschnittswerte handelt. Vergleicht man einen Stadtstaat wie Bremen mit einem Flächenstaat wie Bayern, so entsteht aufgrund der konträren sozialen Strukturen ein verzerrtes Bild!!!

     

    Um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erzielen müsste Bremen eher mit einer vergleichbaren bayrischen Großstadt verglichen werden!

     

    Aber darüber verlieren die Kritiker des linken Schulsystems kein Wort!!

  • A
    augenblickmal

    Die Studie zeigt doch wieder mal – wie schon mehrfach von der OECD bestätigt – das Schulsystem in Deutschland ist ungerecht. Bayern schneidet doch nur so gut ab, weil sie die Schüler schon früh in ihre sozialen Schranken weisen. Warum haben denn die Kinder aus bildungsfernen Haushalten in Deutschland Probleme das Abitur zu machen? Weil sie dümmer sind? Man muss sich doch fragen, wer bringt unsere Gesellschaft weiter: ein etwas "dümmerer" Abiturient aus Hamburg oder ein Mitbürger ohne Hauptschulabschluss. Die Schulreform wird nicht alle Probleme lösen – aber es ist der Versuch das Problem anzupacken.

  • L
    Leser

    Ganz offensichtlich lesen die Komentatoren den Artikel erst garnicht. sonst würden solche dümlichen Kommentare nicht auftreten:

    "

    Die norddeutschen Bundesländer sollten sich lieber mal gründlich an den Kopf fassen und endlich mal erklären, warum sie es seit 10 Jahren nicht hinbekommen, auch nur halbwegs die Standards in BW, Bayern oder Sachsen zu erreichen. Von den Bayern zu lernen ist offenbar verboten."

     

     

    Warum es nicht sinnvoll ist von Bayern zu "lernen" ost im text sehr gut beschrieben. Bayern hat sein Ergbniss auf kosten der benachteiligten Schichten erstritten. Menschenfeindliche Kommetnare, die der meinung sind, dass Chancengleichheit,(Das grundpinzip einer DEmokrtie!!!) zur allgemeinen verdummung führt, zeugen von einer zutiefst ignoranten haltung zur Demokratie und zu Menschenrechten.

     

    Selbstverständlich müssen alle Menschen unabhängig ihres sozialen oder Klassenstatuses chancengleichheit erhalten. Das Deutsche Bildungssyetem ist dazu nicht in der Lage. Wir sollten nicht von bayern lernen sondern von Skandinavien, zb von Schweden.

    es sit falsch eliten schaffen zu wollen, es muss ein allgemeines hohes Bildungsniveau gefördert werden, denn jedes Kind ist wichtig und muss gemäß seiner jeweiliegn Talente und Interessen gefördert werden.

     

    Alles andere ist asozial und unbedacht.

  • T
    Theodor

    Der Test zeigt doch wohl vor allem eins: Die Leistungsfähigkeit von Schülern hängt von der sozialen Schicht ab. Die Tochter des Professors oder des Generaldirektors ist nunmal intelligenter als die Tochter des Müllfahrers, Hilfsarbeiters oder Journalisten. Vielleicht sollte man das erstmal akzeptieren, um dann wirkliche Chancengleichheit herstellen zu können.

  • H
    HamburgerX

    @Schweizer Buerger: Zustimmung

     

    Hier in Hamburg bin ich gerade Zeuge, wie der Bevölkerung das nächste "moderne" Schulexperiment eingeredet wird. Die Grünen wollten 10 Jahre Grundschule, die CDU 4 Jahre, heraus kommen 6 - und das soll jetzt der Stein des Weisen sein.

     

    Die norddeutschen Bundesländer sollten sich lieber mal gründlich an den Kopf fassen und endlich mal erklären, warum sie es seit 10 Jahren nicht hinbekommen, auch nur halbwegs die Standards in BW, Bayern oder Sachsen zu erreichen. Von den Bayern zu lernen ist offenbar verboten.

     

    Verhaltensnoten, Sitzenbleiben, differenziertes Schulsystem, Unterrichtsmethoden, die Konzentration auf den Schulstoff statt auf Spaßpädagogik ermöglichen - scheint wohl kein so schlechtes Rezept zu sein. Natürlich sollte bei den Bildungserfolgen von Arbeiterkindern nachgebessert werden. Hier liegt der Grund aber auch, wie schon die Zeit vor zwei Jahren festgestellt hat, an den Familien.

  • M
    Micha

    Linke Politiker erzählen nun wieder die Mär von Chancengleichheit und Gerechtigkeit. Dabei beweist die Studie mal wieder, das Chancengleichheit nur durch allgemeine Verdummung und damit auf niedrigem Niveau stattfindet.

     

    In Bayern hat ein Facharbeiterkind auch mit einem mittleren Bildungsabschluss bessere Chancen auf einen Job mit einem auskömmlichen Einkommen als in Berlin mit einem Abitur. Wo also ist der Vorteil der höheren Chancengleichheit in Berlin?

  • SB
    Schweizer Buerger

    War doch von den Grünen und sozialistischen Schulpolitikern nicht anders zu erwarten!

     

    Im Norden und Westen der Republik waren sie da sehr erfolgreich, im Süden bohren sie weiter - täglich! GEW, Sozialisten und Grüne möchten, daß auch im Süden von Deutschland alle gleich dumm bleiben wegen der Chancengleichheit und der sozialen Gerechtigkeit. Nebenbei gesagt darf man festhalten, daß Stuttgart einen größeren Ausländeranteil als Berlin oder Bremen aufweist!

     

    Sicherlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass auf Grund wissenschaftlicher Untersuchungen der Uni Maastricht islamische Schüler das Klassenniveau nach unten ziehen. vgl.:

     

    http://www.maastrichtuniversity.nl/web/Main/Sitewide/PressRelease/EthnicDiversityAtSchoolHasANegativeEffectOnLearning.htm

     

    Und das dreigliedrige System ist nicht undurchlässig. Es gibt genügend Möglichkeiten für Spätentwickler und andere Begabte, das Abitur nachzuholen oder als Handwerksmeister an Fachhochschulen zu studieren.

     

    Wer sich anstrengt und begabt ist, hat jede Chance!

     

    Wer dagegen in einem rotgrünen Gleichmacher-Biotop als Begabter an eine Schule kommt, strengt sich nicht an, weil er doch nicht weiterkommt, und ein solches Kind verdummt dann unweigerlich! Darum der Andrang zu Privatschulen im Norden, insbesondere für die Kinder von Sozialisten und Grünen Gutmenschen.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Es ist schon lange kein Geheimnis: Gute bis sehr gute Bildung an alle Schichten der Gesellschaft zu vermitteln, ist möglich. Obwohl viele höhere Schulen sogar von der Kirche gehalten werden ist Herzensbildung an den steuersubventionierten Reichenschulen noch nie vermittelt worden. Ein Beweis dafür, dass es Gott nicht gibt, denn der müsste bei einem so schreienden Unrecht doch dreinfahren und die schmierigen Pfaffen davonjagen. Sie sind wissend aber asozial, Bildung ist etwas ganz anderes. Die heutige soziale Bildungs-Apartheid muss überwunden werden. Das System ist das Problem!