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Piratenprozess in Hamburg„Bitte geben Sie mir eine Chance“

Im Prozess gegen somalische Piraten in Hamburg haben die Angeklagten emotionale Schlussworte gehalten. Sie schilderten Zukunftsängste und Sorgen um ihre Familien.

Baten um Milde: somalische Piraten im deutschen Gericht. Bild: dpa

HAMBURG dpa | Die Angeklagten im bundesweit ersten Piraten-Prozess in Hamburg haben am Mittwoch emotionale Schlussworte gehalten. „Ich denke oft an Selbstmord“, sagte ein Somalier am 104. Verhandlungstag unter Tränen. „Wenn hier alles vorbei ist, dann weiß ich einfach nicht weiter.“ Er mache sich große Sorgen um seine Kinder im zerrütteten Somalia: „Ich weiß nicht, wann ich sie wiedersehen werde, und ob ich sie lebend wiedersehen werde.“

Auch seine Mitangeklagten schilderten Zukunftsängste und Sorgen um ihre Familien. Ein Somalier bat das Gericht zudem, Milde walten zu lassen: „Bitte geben Sie mir eine Chance, mein Leben neu zu gestalten.“

Die zehn Angeklagten sollen am Ostermontag 2010 den Hamburger Frachter „Taipan“ vor der Küste Somalias beschossen und gekapert haben. Die 15-köpfige Besatzung wurde Stunden später von einem niederländischen Marinekommando befreit. Verletzt wurde niemand.

Am Mittwochnachmittag sollten die anderen fünf Angeklagten das letzte Wort ergreifen können; im Anschluss dürfen alle zehn Somalier in einer weiteren Runde noch einmal ein Schlusswort halten, um auch auf die Aussagen ihrer Mitangeklagten reagieren zu können. Am Freitag will das Landgericht aller Voraussicht nach das Urteil verkünden.

Die Verteidiger des jüngsten Angeklagten forderten in den letzten beiden Plädoyers, das Verfahren einzustellen. „Wir maßen uns hier an, Recht zu sprechen nach unseren deutschen Vorstellungen über Menschen, deren Lebenssituation wir nicht mal annähernd nachvollziehen können“, sagte Anwalt Rainer Pohlen.

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9 Kommentare

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  • S
    Seegerichtshof

    @Pink

    Als Bundesbürger werde ich in demokratische Beugehaft für diese kriminell, mafiösen Inhalte genommen. Richter Urteilen in irgendwelchen hierarchischen Namen, irgendwelcher Versicherungsgötter.

    Das Wirtschaftssystem in dem ich lebe, ist nur noch widerlich und hierarchiebedingt mit den entsprechenden Personen besetzt.

    Wer immer noch glauben sollte das wir in einer Demokratie leben, sollte endlich aufwachen.

     

    Erst wird hochtoxisch, radioaktiver Giftmüll vor Somalia verklappt, um später zu sagen sie wollten eine schmutzige Bombe bauen, deswegen wird die Freiheit in Somalia mit Waffen verteidigt werden müssen. Dieser Aspekt wurde noch nie betrachtet, schmutzige Bombe. Es ist egal ob diese Müll tief im Meer oder oberhalb ist. Die IAEO wäre eigentlich für diesen Müll der somalischen Endlagerstätte zuständig.

     

    Juan Falque hat einige Aspekte künstlerisch, look like Hollywood umgesetzt.

    http://www.archive.org/details/Piratas_968

     

    Giftmüll, ja, nachdem Tschernobyl Europa radioaktiv verseucht hat, wurde hoch radioaktive Trockenmilch tonnenweise den afrikanischen Müttern als edle Spende gegeben.

    Wer sich wehrt, aus diesem flüchtet, wird verhaftet, wenn er vorher nicht ertrunken oder für die Schönheitsindustrie ausgeweidet wurde.

    Dystopia grüßt mit neuen Gesetzen.

  • R
    Rizo

    @ Weiße Rose:

     

    Die Quintessenz meiner Botschaft war, dass Sie keinen Plan von der Sache haben, ganz einfach!

     

    1. Es liegt nicht an irgendeiner imaginären Überfischung der Gewässer.

     

    2. Somalia wird von außen geschädigt, aber nicht so, wie Sie denken.

     

    3. Auch unter solchen Umständen ist Piraterie nicht akzeptabel oder gar legal.

     

    War das jetzt einfach genug für Sie, oder waren in meinem "Gebrabbel" immer noch zu viele verwirrende Nebensätze?

  • P
    Pink

    @Seegerichtshof:

    Doch, mich interessiert das Schicksal der somalischen Küstenbewohner !

    Dort wird der Dreck der Internationalen Geschäftemacher verklappt !

    Kinder kommen mit schwersten Handicaps zur Welt !

    Niemand hilft Ihnen !

    Die Mütter und Väter dieser Kinder sind verzweifelt !

     

    Einen weltweiten Aufschrei hätte es gebraucht, als ein Containerschiff voll Giftmüller wochenlang durch offenes Wasser dümpelte !

     

    Wo sind sie denn unsere Politiker ?

     

    No risk no fun ! ruft unser zwitschernder Hosenanzug ins Mikrofon !

  • TT
    Thomas Trasolt

    Das sind Gewaltverbrecher, deren Opfer, die einfachen Seeleute, bestimmt nicht für die Zustânde in Somalia verantwortlich sind.

  • WR
    Weiße Rose

    @Rizo

    Was ist denn nun die Quintessenz Ihrer Botschaft?

    Wenn also Somalier gar keinen Fisch essen und man ihnen Giftmüll aus den Industrieländern auf den langen Strand schmeißt, sollen sie gefälligst nicht aufmucken? Oder was brabbeln Sie da?

  • R
    Rizo

    @ Weiße Rose:

     

    1. Die meisten somalischen Volksgruppen essen - trotz ewig langer Küste - keinen Fisch. Warum? Aus dem gleichen Grund, aus dem Deutsche keinen Hund essen.

     

    2. Kommerziell-industrieller Fischfang? An der somalischen Küste? Ich lach mich tot! Somalia ist die illegale Sondermülldeponie der Welt geworden. Täglich werden Giftmüllfässer an der Küste angespült; was da an Fisch aus dem Meer gezogen wird ist gesundheitsgefährdend.

     

    3. Piraterie ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein sehr schweres Verbrechen. Fragen Sie doch mal die Besatzung der Frachter, wie die sich gefühlt haben.

  • S
    Seegerichtshof

    Dieser Seegerichtshof müsste sich wegen Untätigkeit selbst verklagen.

     

    "deren Lebenssituation wir nicht mal annähernd nachvollziehen können"

    Genau so ist es.

    Europa verklappt Gift-/Sondermüll vor den somalischen Küsten, es ist dort so herrlich tief.

    Auf dem Rückweg wird mal kurz die Ernährungsgrundlage gestohlen.

     

    Die internationalen Versicherungsunternehmen benötigen ganz dringend die Piraten, dieses hat 6.6 Milliarden Gründe.

    Brandeins die Welt in Zahlen:

    445 ist die Zahl der weltweiten Piratenangriffe im Jahr 2010

    Summe, die Reedereien bei Geiselnahmen als Lösegeld an Piraten zahlten, in Millionen Euro 113

    Summe, die Reedereien zahlten, um sich vor Piratenangriffen zu schützen und dagegen zu versichern, in Millionen Euro 6600

     

    Europa/Deutschland fing wegen weit weniger Gründe der "humanitäre Katastrophe" einen Krieg an. Kosovo, Afghanistan.

  • V
    viccy

    Mit der im letzten Absatz aufgezeigten "Argumentation" des Anwaltes (bzw. dem wiedergegebenen Bruchstück) ließe sich auch für die Einstellung in jedem sog. "Ehrenmord" denken.

     

    Auch wenn das nicht vergleichbar sein mag. Das ist ja grade das Problem dieser (wohl bewusst am Ende des Artikels untergebrachten) Phrase.

  • WR
    Weiße Rose

    Es ist wie eh und je: Die Kleinen hängt man - die Großen lässt man laufen!

    Natürlich sitzen hier NICHT die Vorstände, Eigner und Profiteure der riesigen Fischfangflotten, die auch vor den Küsten Somalias die Gewässer nicht nur leerfischen, sondern mit ihren Schleppnetzen den Meeresgrund nachhaltig zerstören. Den Küstenbewohnern Somalias wurde so die Lebensgrundlage entzogen! Doch das interessiert niemanden...

     

    Mal sehen, ob das Gericht zu einer weisen Entscheidung fähig ist, wenn schon nicht die Verursacher der Piraterie zur Verantwortung gezogen werden!