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Piratenpartei konstant bei 4,5 ProzentFreibeuter auf Stimmenfang

Frischer Wind fürs Parlament: Die Piratenpartei hat nach aktuellen Umfragen realistische Chancen auf den Einzug ins Abgeordnetenhaus - und glaubt nun selbst dran.

Auf Kurs Bild: Reuters

Eric und Fabian kommen noch einmal zurück zum U-Bahnhof Turmstraße. In den Flyern der Piratenpartei, die ihnen dort vor einer halbe Stunde in die Hand gedrückt wurden, haben sie einzelne Abschnitte unterstrichen oder durch Fragezeichen markiert. Jetzt wollen sie Antworten von den Wahlkämpfern, denn die Partei stehe bei ihnen bereits im "engeren Kreis", sagen die beiden Studenten.

Die Piratenpartei hat in den vergangenen zwei Wochen einen rasanten Schub bekommen. Am Mittwoch dieser Woche sah mit Infratest dimap bereits das dritte Forschungsinstitut die Partei in Umfragen bei 4,5 Prozent. Die Piraten können sich realistische Hoffnungen auf den Einzug ins Abgeordnetenhaus machen. "Wir sind inzwischen optimistisch, dass wir es schaffen", sagt Martin Delius, Landeslistenplatz 4, an der Turmstraße. Vor einem Monat sei das noch ein "träumerischer Gedanke" gewesen.

Mit der rechten Hand hält er einen Stapel der Parteizeitung Kaperbriefe, in der linken eine orangefarbene Fahne der Piraten, die hinter seinem Kopf im Wind weht. Man dürfe sich von den Umfrageergebnissen nicht zu sehr beeindrucken lassen, sagt Delius weiter, "die heiße Phase des Wahlkampfs" fange jetzt erst an und seine Partei müsse noch bekannter werden. Dazu sei der direkte Kontakt zu den Bürgern notwendig.

Neue Umfragen

Die SPD ist laut einer neuen Umfrage um einen Prozentpunkt auf nun 30 Prozent gesunken. CDU und Grüne bleiben bei je 22 Prozent, heißt es in der Infratest-Umfrage im Auftrag von Berliner Morgenpost und RBB-"Abendschau". Auch die Linkspartei sinkt um einen Punkt auf nun elf Prozent. Die FDP würde mit drei Prozent nicht wieder ins Abgeordnetenhaus einziehen. Für die Piratenpartei ist dagegen das Parlament in greifbare Nähe gerückt: Sie legt um 1,5 Punkte zu und bringt es auf 4,5 Prozent.

Eine von der B.Z. veröffentlichte Umfrage des Emnid-Instituts sieht die FDP hingegen erstmals seit Monaten bei 5 Prozent. Die CDU liegt hier mit 24 Prozent deutlich vor den Grünen, die bei nur noch 19 Prozent gesehen werden. Die SPD kommt auf 33, die Linke auf 11 Prozent.

Die beiden Umfragen sehen rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien weit unter der 5-Prozent-Hürde. (dpa, taz)

Nils Diederich, Professor am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität, findet den Zuwachs in den Umfragen "erstaunlich". Es sei denkbar, dass die Partei Zuspruch von "jungen und Wählern mittleren Alters" bekomme. Die großen Parteien seien beim Thema Internet noch immer sehr schlecht aufgestellt, die Piratenpartei spreche hier Wähler an. Ob es die Piraten am Ende tatsächlich ins Parlament schaffen, hänge von der Wahlbeteiligung ab: Je höher diese sei, desto geringer die Chancen für die Piraten.

An der Treppe zur U-Bahn sprechen die Wahlkämpfer Passanten an: "Was zu lesen?", "Wahlinfo?" Einige bleiben stehen. Lars Dietrich aus Moabit unterhält sich eine Viertelstunde mit Delius über das Europaparlament, die Situation des Mittelstandes und Steuerpolitik. "Ich wähle aber die SPD", sagt Dietrich im Anschluss. Die sei "thematisch gut aufgestellt" und bei den Piraten frage er sich immer noch: "Was können die eigentlich leisten?" Manche ihrer Ansätze und Ideen unterstütze er, sagt Dietrich. Es sei jedoch ein langer Prozess, bis eine Partei eine solide Basis habe. Die Umfrageergebnisse kennt der 29-Jährige nicht und meint: "Umfragen müssen nichts sagen."

Delius verteilt fleißig seine Flyer. Einige Leute würden die Piraten nur als Spaßpartei wahrnehmen, sagt er. Deren Name und selbst auferlegte Wortspielereien wie "Kaperbrief" oder "Dein Haken zum Ändern!" begünstigten das, aber: "Ich kann einfach nicht mehr im Piratenkostüm auf einem Floß rumfahren, wenn ich womöglich demnächst im Abgeordnetenhaus sitze und ernsthaft Politik machen möchte", sagt Delius. Die Aussicht auf politische Verantwortung erfordert Seriosität.

"Ich wähle eine der alternativen Parteien", sagt eine Frau mit Kinderwagen. Eigentlich habe sie bisher die Grünen gewählt, aber ihr gefalle nicht, wie das bei denen gerade ablaufe. Was genau sie meint, sagt sie nicht.

Nach einer Stunde Diskussion mit den Piraten Simon Weiß und Merle von Wittich ziehen Eric und Fabian ein Fazit: Sie seien "sehr überrascht", dass die ihnen zu allen Punkten Rede und Antwort stehen konnten. Für Eric kommt es nicht in Frage, eine der großen Parteien zu wählen. Er wolle seine Stimme "nicht verschenken". Mit den Piraten hingegen könne man vielleicht ein Signal setzen, anstatt die Machtverhältnisse der großen Parteien einfach nur umzuverteilen.

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11 Kommentare

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  • E
    Eric

    Jetzt erst bemerkt, dass es den Artikel auch online gibt, hab ihn hier zu Hause noch rumliegen. Hach freut mich das, dass es die Piraten dann tatsächlich auch geschafft haben :)

  • A
    agtrier

    Wie das andere hier auch schon erkannt haben: der wichtigste Grund, die Piraten zu unterstützen ist der Ansatz, mehr Transparenz in die Politik bringen zu wollen.

     

    Das wird nicht von einen Tag auf den anderen gehen, und Am Ende ist es wahrscheinlich, dass die "etablierten" Parteien das Kopieren, wenn sie sehen, dass das letztlich Wählerstimmen bringt.

     

    Darüber sind einige Details des Wahlprogrammes (ich bin kein großer Freund der Freigabe von "weichen" Drogen!) verschmerzbar, diese würden höchstens bedeutsam, wenn die Piraten mal die absolute Mehrheit hätten... aber das ist wohl weit hin.

     

    ag.

  • N
    Nicht-Berliner

    @Sebastian: Bundesthemen sind nur Neben-Thema bei Landtags oder Bürgermeister-Wahlen.

    - Von Lehrern selbstgemachte Schulbücher für viele Themen und alle Eltern sind dabei.

    - Alle Verträge möglichst öffentlich.

    - wer will, darf sich am WiFree-Internet (We-Free) beteiligen. Hotels usw. müssen dann notgedrungen wegen Ihrer Kunden. Denn jeder Smartphoner connectet WiFree sobald das Stadtschild sichtbar wird. UMTS und LTE werden in Berlin praktisch abgebaut.

    - Kein Schwarz-Gelb ist vielleicht der wichtigste Grund

    - Gamer (und Migranten) stinken nicht wäre ein anderer Motivator speziell für Nichtwähler und RTL-Hasser.

     

    Ob die Piraten die schnelle Lernkurve beherrschen und jeder die Geschichte der Schillpartei und Establishmentisierung der Grünen (Flugmeilen, Pöstchen, Beförderungen, ... ) aktiv kennt um besser zu sein, ist leider angesichts des Liquid-Democracy-Scheiterns nicht zu erwarten.

    Besser als die anderen ist ja auch nicht schwer.

     

    @AWG: rotgrün-Trittin-Schröder, Birma, ExGUS, Ukraine, Afghanistan, Haiti, Tunesien, Ägypten, Libyen zeigen, das politischer Analphebitsmus weit verbreitet ist. Und Dr-Titel-Schwemme wie woanders sind bei den Piraten nicht unbedingt vorhanden.

     

    @Wohnen ist Menschenrecht: Und welche Parteien bleiben bei Dir übrig ?

    Wer hat denn den Wohnungsbau abgeschafft oder CheckPoint-Charly an eine Bank verkauft ? Wer hat den Sozialen Wohnungsbau nicht wieder eingeführt sobald er die Macht hatte ? Da bleiben wohl nicht mehr viele Parteien übrig allein wenn man nur Frage25 beachtet. Da hättest Du Deine Auswahl ja auflisten können.

  • A
    A.W.G.

    -"Ich kann einfach nicht mehr im Piratenkostüm auf einem Floß rumfahren, wenn ich womöglich demnächst im Abgeordnetenhaus sitze und ernsthaft Politik machen möchte", sagt Delius. Die Aussicht auf politische Verantwortung erfordert Seriosität.-

     

    Na dann ist der Herr Delius ja bestens aufgestellt in seiner Meinung... oberflächlicher kann man Politik wirklich nicht mehr betreiben. Seriös ist jemand, der in Anzug und Krawatte im Parlament sitzt aber schön jeden neoliberalen Humbug salonfähig macht während jene unwählbar sind, die sich dem grauen Mainstream der Politikerkaste verwehren, aber immerhin vernünftige Dinge im Programm haben wie den gläsernen Staat und das bedingungslose Grundeinkommen... armes Deutschland, wenn Deine geistige Elite einen solchen politischen Analphabetismus auch noch offen zur Schau stellt.

  • WI
    Wohnen ist Menschenrecht

    Tja, leider sagt mir der Wahlomat der Bundeszentrale für politische Bildung, dass die Piraten den sozialen Wohnungsbau nicht unterstützen. Damit geht meine Stimme auf jeden Fall an eine andere Partei.

     

    "Berlin soll den sozialen Wohnungsbau wieder unterstützen" (Frage 25)

  • A
    alcibiades

    Was gar nicht erwähnt wird: die Wahlplakate. Die "Grossen" zeigen Passfotos oder eher kryptische Slogans, die Plakate der Piraten preisen ein paar Dinge an, die ja nicht nur von ihnen schon eine Weile diskutiert werden. Die Leute werden einfach konkreter als diejenigen, die ja angeblich viel mehr davon verstehen. Nicht zu unterschätzen. Ich will nämlich kein Berlinversteher sein.

  • AK
    anja kettinger

    A. KETTE

     

    Wenn die Piratenpartei Erfolg hat, dann lass ich mich zur Gegenpiratin küren und gründe eine eigene feministische Partei, die diesen pseudo-fortschrittlichen, zutiefst bieder-pronvinziellen Chauvinisten den Kampf ansagt! Wenn die könnten, wie sie wollten, würden sie als erstes die Frauen zurück an den Herd schicken. Eine Ansammlung von Möchtegern-Coolen, die tief in ihrem Herzen langweilige, herzlose Machos sind. Bitte nicht mit echten Männern verwechseln - die überlegen sich nämlich auch wie sich ihre Programme auf das Leben von Frauen auswirkt. nicht so die blöden piraten. bitte nicht wählen! nicht drauf reinfallen auf den schwindel!!!!!

  • S
    Schnassl

    So falsch dürfte frischer Wind nicht sein.

     

    Mir erscheinen einige der Ansätze der Piraten frisch. Vielleicht für manchen zu frisch, aber es ist ein Ansatz aus einer anderen Ecke, der sich durchaus interessant entwickeln könnte.

     

    Es müssen neue Konzepte her, vollkommen neue und unbelastete welche.

     

    Ein kräftiges Daumendrücken für die Piraten und ab ins Abgeordnetenhaus mit euch.

  • JM
    Joachim Merkel

    Eric hat recht. Solange wir immer nur die Stimmen anders auf die Parteien verteilen, wird sich nie was ändern.

     

    Aus ihrem Wahlprogramm habe ich herausgelesen, daß die Piraten nicht nur eine andere Politik wollen - sie wollen durch Transparenz und Bürger-Beteiligung die Art und Weise verändern, mit der Politik gemacht wird!

     

    Und genau darum werde ich sie wählen...

  • C
    crackpille

    Lieber Namensvetter, ein schöner Artikel. Daher eine kleine Insiderinformation zur Wortwahl: Freibeuter und Piraten sind bei der Piratenpartei zwei Paar Schuhe:

     

    Piraten sind Parteimitglieder, Freibeuter dagegen werden Personen genannt, die aus Überzeugung mithelfen, ohne Mitglied zu sein.

     

    Und gemeinsam sind dann Freibeuter und Piraten auf Stimmenfang ;-)

  • S
    Sebastian

    Von Berlin aus könnten mit der Piratenpartei endlich wieder neue Impulse ausgehen!

     

    Ich wähle sie nicht nur, um Schwarz-Grün zu verhindern, sondern auch weil Sie (auf Bundesebene) klare Konzepte gegen Vorratsdatenspeicherung haben. Auch sind sie für freien Zugang zu Bildung und Wissen. (Dies wird leider von der Verlags-Lobby blockiert!)

     

    Fehlentwicklungen wie "Depublikation" öffentlich-rechtlicher-Medienbeiträge und oder der Abschluss von Geheimverträgen der Berliner Wasserwirtschaft wird die Piratenpartei entgegentreten.

     

    Viel Erfolg!