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Piratenpartei im Inhaltecheck„Freie“ Bildung für alle

Für ihre Bildungsprogramme bedienen sich die Piraten bei den Ideen anderer Parteien. Sie fordern kostenlose Ganztagsbetreuung und alternative Schulkonzepte.

Gutes altes Notizbuch – auch wenn die Piraten Netbooks für Schüler wollen. Bild: dpa

BERLIN taz | Auf der Liste der Arbeitsgemeinschaften im Piratenwiki ist die AG Bildung, Nummer 037, eingeklemmt zwischen der AG Bedingungsloses Grundeinkommen und der AG Datenschutz. Auf der Themenliste steht Bildung aber ganz obenan. „Bildung ist unser Thema Nummer 1“, sagt Monika Pieper.

Die Förderschullehrerin ist Piratin in Nordrhein-Westfalen und arbeitet in der dortigen Arbeitsgemeinschaft Bildung mit. Die nordrhein-westfälischen Piraten wollen am 13. Mai den Einzug in den Landtag schaffen. Auch bei den Saar-Piraten war die Schul- und Hochschulpolitik ein wichtiges Thema. „Wir müssen vieles noch konkretisieren“, sagt der saarländische Pirat Ralf Petermann.

Die Piraten feilen bundesweit und in den Ländern an ihren bildungspolitischen Forderungen. „Jeder Mensch hat das Grundrecht auf freien Zugang zu Information und Bildung“, so der Grundsatz der Piraten. Darüber hinaus ähnelt das Bildungsprogramm derzeit noch einem Zettelkasten, wobei sich die Piraten großzügig bei den Ideenarchiven anderer Parteien bedienen.

Generell scheinen alle Forderungen mit dem Label „frei“ für die Piraten geeignet. Von SPD und Linken finden sich die Forderung nach kostenloser Ganztagsbetreuung ab dem 1. Lebensjahr und die nach Abschaffung von Studiengebühren im Bundesprogramm. Das Bekenntnis zu autonomen, selbst verwalteten Schulen und Hochschulen steht ähnlich auch bei CDU und FDP.

Außerdem befürworten die Piraten, dass alternative Schulkonzepte auf kommunaler Ebene und in privater Trägerschaft parallel zu bisherigen Schulformen existieren. Das wollen auch die Grünen. Der „Einsatz von freier Software und Lehrmitteln mit freien Lizenzen“ darf im Bundesprogramm nicht fehlen.

Der Piratencheck

Die Piraten – nur eine Ein-Themen-Partei? Die taz überprüft das Vorurteil und betrachtet in einer Serie die inhaltlichen Vorstellungen der Piratenpartei jenseits der Netzpolitik. In loser Folge geht es um die Positionen der Piraten bei den Themen Bildung, Umwelt und Verkehr, Migration etc. Heute: Bildungspolitik.

Kein Einfluss auf die Inhalte

Dass freie Bildung indes nicht gratis zu haben ist, darüber sind sich die Piraten auch im Klaren, weshalb es in ihrem Bundesprogramm – analog zu dem der Freien und Christdemokraten – heißt: „Die private Finanzierung von Bildungseinrichtungen ist grundsätzlich zu begrüßen.“ Allerdings wollen die Piraten ausdrücklich nicht, dass private Finanziers Einfluss auf die Inhalte des Unterrichts nehmen. „Dass Coca-Cola eine Schule unterstützt, heißt nicht, dass dort auch ein Cola-Automat aufgestellt wird“, sagt Pieper.

So richtig ins Detail gegangen sind die NRW-Piraten bisher nur beim Thema IT-Initiative. Im Wahlprogramm 2010 haben sie detailliert aufgeschlüsselt, wie viel es Staat und Eltern kosten soll, alle Schüler ab Klasse 5 mit Note- oder Netbooks auszustatten. Im April wollen sie beim Programmparteitag auch andere Forderungen konkretisieren. „Gute Bildung ist teuer, aber was kostet keine Bildung?“, heißt es auf einer aktuellen Piraten-Postkarte. Gute Frage.

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6 Kommentare

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  • DQ
    Der Querulant

    „Jeder Mensch hat das Grundrecht auf freien Zugang zu Information und Bildung“

     

    Na dann, tschüß GEZ, oder?

  • S
    Stefan

    "If you think education is expensive, try ignorance" Derek Bok. Geklaut bis zum letzten Zitat - was nicht schlimm ist, wenn es wahr ist.

    Aber die Vorstellung, man könnte die Gesellschaft partiell von den Bildungskosten entlasten, indem man sich vom guten Willen diverser Konzerne abhängig macht, ist naiv und lässt mich glauben, dass die Piraten die Geschichte der letzten dreißig Jahre, seit der neoliberalen Wende, gar nicht zur Kenntnis genommen haben. Die von den Piraten vorgeschlagene Struktur lässt genau die unbestimmten Grauzonen bestehen, die ein sich als Elite verstehender Geldadel nutzt, um Standesprivilegien zu etablieren und zu verteidigen.

    Soziologische Naivität und Geschichtsvergessenheit sind begleitet von pädagogischem Unverständnis. Dies wird in der Fixierung auf Netbooks deutlich. Im Netz findet man zwar so gut wie alles, aber den Schülern fehlt die Fähigkeit, das (Halb-)Wissen, mit dem man dort konfrontiert ist, einzuschätzen und damit konstruktiv umzugehen.

  • I
    ivan

    Wie bitte?

     

    Schulsponsoring?

     

    Warum nicht das Geld per Steuern einziehen, es so von den Interessen einzelner Unternehmen befreien und es "entideologisiert" für die Schulfinanzierung benutzen???

  • R
    reblek

    "Für ihre Bildungsprogramme bedienen sich die Piraten bei den Ideen anderer Parteien." - So ein Unsinn. Als ob Parteien je kreativ und originell gewesen wären. Nach meiner, vielleicht täuschenden, Erinnerung sind fortschrittliche Gedanken immer erst lange, lange außerparlamentarisch ventiliert worden, bevor irgendeine Partei auf die Idee gekommen ist, sie aufzugreifen.

  • M
    michiA

    Die Piratenpartei sind für die Anhänger der Altparteien einfach nicht zu verstehen. Das sieht man auch wieder an diesem Artikel. Es wird erwartet, daß eine Partei auf jede Frage eine Antwort geben kann, egal ob diese Sinn macht oder nicht, selbst platte Lügen sind ok. Aber ein ehrliches "das ist nicht so einfach" oder "da müssen wir erst mal drüber nachdenken" ist ganz, ganz schlecht. Den Anhängern von Grünen, SPD, FDP und CDU geht es also nicht darum, daß sich etwas ändert, sondern nur darum, daß die Regierung beruhigende Sachen sagt.

  • R
    Racket

    Note- bzw. Netbooks im Unterricht sind so nötig wie ein Kropf. Hier offenbart sich die technokratische Sicht der Piraten: Personalmangel und fachliche Inkompetenz in der Schule mit mehr Kram ausgleichen zu können. Das Geld kann sollte besser investieren, auch wenn einem da betont moderne Lehrkräfte was anderes vorschwadronieren werden.

     

    (Das sagt jemand der die Einführung eines Notebook- Klassensatzes und den "Nutzen" davon als Schüler selbst erlebt hat.)