Piratenpartei diskutiert über Außenpolitik: Leopard ist nicht transparent genug
Wenn die Piraten in den Bundestag wollen, brauchen sie ein außenpolitisches Profil. Sie streiten um Cyberwar, Rüstungsexporte und Entwicklungshilfe.
POTSDAM taz | Raimond Heydt sagt, er habe ein klares Bild von der Außenpolitik der Piraten. Ein globaler Interessensausgleich müsse her, eine Demokratisierung der internationalen Organisationen, eine globale Verfassung. „Wenn wir nationalstaaliches Denken überwinden, das würde uns von anderen Parteien unterscheiden“, sagt er. Heydt, 38, ist viel gereist, einmal ist er bis nach Pakistan getrampt. Ihn interessiert, was in der Welt passiert.
Am Samstagnachmittag sitzt er mit einem Dutzend Parteikollegen im Tagungshaus „Treffpunkt Freizeit“ in Potsdam um einen Tisch. Er habe das Ziel, sagt Heydt, dass nach anderthalb Stunden ein Konsens da sei, „mit dem die Piratenpartei in die Öffentlichkeit gehen kann“.
In vier Landtagen sitzen die Piraten, und auch wenn ein zwischenzeitlicher Höhenflug in den Umfragen zunächst gedämpft wurde, haben sie gute Chancen, in einem Jahr in den Bundestag einzuziehen. „Aber wenn wir in den Bundestag wollen, brauchen wir doch ein außenpolitisches Programm“, sagt Fotios Amanatides. Der 42-jährige Politikwissenschaftler ist seit 2009 in der Partei, schnell hat er die Koordination der AG Außenpolitik übernommen, in der sie sich alle zwei Wochen per Telefonkonferenz besprechen. Er hat die Potsdamer Konferenz der Piraten mitorganisiert.
Zum zweiten Mal treffen sich hier Piraten, um ein Wochenende lang über Außen- und Sicherheitspolitik zu diskutieren. Rund 80 Teilnehmer sind es dieses Mal, Referenten sprechen über Themen wie Entwicklungszusammenarbeit und Cyberwar.
„Uns fehlt nur noch der Südpol“
Aleks Lessmann, politischer Geschäftsführer der Piratenpartei Bayern, hält es für naheliegend, sich mit Außenpolitik zu beschäftigen. Es gebe „kaum eine Bewegung, die internationaler ist als die Piraten“, sagt er in seiner Eröffnungsrede. In mehr als 60 Staaten gebe es die Piraten, auf fast allen Kontinenten, „uns fehlt nur noch der Südpol“.
Aber mit außenpolitischen Positionen sind die Piraten bislang trotzdem nicht aufgefallen – sie haben keine. Auch jetzt wurden keine Beschlüsse gefasst. Erst auf dem Parteitag Ende November soll ein Programm verabschiedet werden. Piratenchef Bernd Schlömer glaubt, dass es nur für ein Wahlprogramm reicht, nicht für ein außenpolitisches Grundsatzprogramm.
Pointierte Vorschläge gibt es, etwa von der Frau, die von der Moderatorin als „Highlight“ angekündigt wird und von der Schlömer sagt: Sie ist wichtig für die Partei, weil sie außenpolitische Erfahrung hat. Angelika Beer, 55, frühere Chefin und Verteidigungsexpertin der Grünen, die jetzt für die Piraten im Landtag in Schleswig-Holstein sitzt, spricht im großen Saal über Rüstungsexporte: „Wir haben in diesem Bereich null Transparenz“, sagt sie. „Wir müssen den Bundessicherheitsrat abschaffen und neue Gremien vorschlagen, die transparent sind.“ Die Piraten im Plenum applaudieren, einer sagt: „Wir könnten doch den Antrag stellen, dass Voranfragen ins Internet gestellt werden.“
Lautstark streiten die Piraten dann über militärisch-zivile Zusammenarbeit, das Für und Wider von militärischen Interventionen. Sie diskutieren online wie offline. Doch von verbindlichen gemeinsamen Positionen sind sie weit entfernt.
Gegen Ende der Runde zu „Grundzügen piratiger Außenpolitik“ sitzen nur noch eine Handvoll Piraten im Raum. Sie sind sich uneins, was ins Grundsatzprogramm kommt und was zu konkret dafür ist. Sie haben über Demokratisierung gesprochen, die UN, WTO und IWF, den Begriff der Empathie, die Umsetzung von Menschenrechten und die Frage, ob nicht das Patentrecht einbezogen werden müsste. „Verzetteln wir uns nicht gerade in Details?“, fragt Aleks Lessmann. Ein anderer Pirat will wissen: „Schreibt eigentlich jemand die Ergebnisse mit?“
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