Piraten in der Krise: Die Mitmachpartei schrumpft
Die Krise ist an der Parteibasis angekommen: Den Piraten laufen erstmals Mitglieder davon. Fast 2.000 Mitglieder weniger sind es seit August 2012.
BERLIN taz | Der Bundestagskandidat ging ohne große Worte. „Guten Abend. Ich bin aus der Piratenpartei ausgetreten“, verkündete Stephan Urbach auf Twitter. „Von Glückwunschschreiben bitte ich Abstand zu nehmen.“
In seinem Blog ergänzte der Berliner Netzaktivist knapp: Auch den Platz auf der Landesliste zur Bundestagswahl gebe er auf. Das war’s. Nachfragen zu seinen Motiven? Beantworte er zurzeit nicht, lässt Urbach wissen.
Ein Pirat wirft hin. Nicht irgendeiner. Der 32-Jährige, Mitarbeiter der Piratenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, gehört zu den namhaften Nerds in der Netzwelt. Doch das Echo auf seinen Austritt klingt so abgeklärt, als hätte man sich unter Piraten an derlei Abschiede gewöhnt.
Dieser Text stammt aus der neuen taz.am wochenende vom 20./21. April. Mit großen Reportagen, spannenden Geschichten und den entscheidenden kleinen Nebensachen. Mit dem, was aus der Woche bleibt und dem, was in der nächsten kommt. In der ersten Ausgabe lesen Sie auch ein Porträt der grünen Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt und ein Gespräch mit dem FAZ-Herausgeber und Bestseller-Autor Frank Schirrmacher. Und jetzt auch mit Hausbesuch: die taz klingelt mal in Raubling. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo.
Urbach ist schließlich kein Einzelfall. Mobbing, inhaltliche Gräben, miese Umfragewerte – die Krise der Piraten hat Spuren in deren Mitgliederdatei hinterlassen. Vorbei das rasante Wachstum. Inzwischen habe die Partei 1.920 Mitglieder weniger als im August 2012, teilt der Generalsekretär Sven Schomacker auf taz-Anfrage mit. Damals standen 34.322 Namen in seiner Mitgliederdatei. Nun sind es 32.402.
„Hinter unseren Erwartungen“
Damit hat die Partei immerhin noch gut halb so viele Mitglieder wie die Grünen. Andererseits stellt sich die Frage, wie viele Piraten sich innerlich bereits verabschiedet haben – aber zu bequem sind, einen Austrittsbrief zu schreiben.
Bisher haben nach Auskunft der Parteispitze nur geschätzte „40 bis 50 Prozent“ der Piraten überhaupt ihren Jahresbeitrag gezahlt. Das heißt: Bestenfalls die Hälfte aller Mitglieder der Mitmachpartei dürfen gegenwärtig ihr Stimmrecht wahrnehmen – also im engeren Sinne mitmachen.
Damit liege die Partei „hinter unseren Erwartungen“, räumt Schomacker ein. Erfahrungsgemäß steige die „Zahlerquote“ aber über das Jahr hin noch. Er hoffe auf 80 Prozent am Jahresende. Um den Druck zu erhöhen, solle Nichtzahlern von Juni auch an der Zugang zur Abstimmungsplattform Liquid Feedback gesperrt werden.
Mehr als den Entzug ihrer Online- und Offline-Stimmrechte haben säumige Piraten allerdings nicht zu befürchten. Im Gegensatz zur politischen Konkurrenz verzichtet die Partei auf Klauseln in ihren Satzungen, die den automatischen Rauswurf chronischer Nichtzahler ermöglichen. Selbst wer nie seinen Mitgliedsbeitrag überweist, darf dennoch Pirat bleiben.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart