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Piraten-Geschäftsführer Ponader„Ich habe genug“

Johannes Ponader ist Geschäftsführer der Piratenpartei. Als Reaktion auf das Politikum seines Hartz-IV-Bezugs inszeniert er den „Rücktritt vom Amt“.

Durchaus auch ein Schelm: Der Politische Geschäftsführer der Piraten, Johannes Ponader. Bild: dapd

BERLIN taz | Die Nachricht verbreitete sich schnell. Johannes Ponader, Politischer Geschäftsführer der Piratenpartei, schrieb am Mittwochnachmittag auf Twitter: „Ich habe genug. Warum ich mich mit sofortiger Wirkung vom Amt zurückziehe.“ Dazu schickte er den Link zu einem Artikel, den er auf der Webseite der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlicht hatte.

Sein politisches Amt sei mit dem Bezug von Arbeitslosenhilfe nicht vereinbar, steht im Teaser. Den langen Text darunter dürften viele gar nicht gelesen haben. Wieder hat ein Pirat aufgegeben, ist die Nachricht, die sich verbreitet.

Die Fluktuation ist groß in der jungen erfolgsverwöhnten Partei, immer wieder scheiden Piraten aus ihren Ämtern aus. Wegen Burnout oder internen Streitigkeiten. Mitunter auch nach sehr kurzer Amtszeit. Nun also Ponader. Manche Twitter-User reagieren hämisch, einer kommentiert traurig: „Ein großer Verlust, auch für Nicht-#Piraten.“

In der öffentlichen Wahrnehmung wurde Ponader bislang vor allem mit zwei Dingen verknüpft: seinem Schuhwerk und seiner Arbeit – beziehungsweise Nicht-Arbeit. Exemplarisch für diese Zuschreibung steht sein erster großer Fernsehauftritt im Parteiamt, eine Woche nach seiner Wahl Ende Mai.

Sandalen und Hartz-IV

Am Abend, als die Piraten den Einzug in den Landtag von Schleswig-Holstein feiern, ist bei „Günther Jauch“ vor allem eines Thema: Ponaders Sandalen. Und die Frage, ob er wirklich von „Hartz IV“ lebt. Ponader mag den Begriff nicht und kann es nicht ausstehen, als Empfänger von Sozialleistungen reduziert zu werden.

Er ist Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens. „Gesellschaftskünstler“ nennt er sich selbst, er arbeitet freiberuflich unter anderem als Theaterpädagoge. Wenn das Geld nicht reichte, ging er zur Arbeitsagentur, um mit Arbeitslosengeld II aufzustocken.

Ein paar Tage später bekommt Bernd Schlömer, Bundesvorsitzender der Piraten, einen Anruf von Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Arbeitsagentur. Alt fragt, ob die Partei Ponader nicht bezahlen könne, spricht von öffentlichem Druck. So erinnert sich zumindest Schlömer. Alt bestreitet gegenüber Journalisten, dass es in dem Telefonat um Ponader ging.

Der Spiegel bringt eine große Geschichte. Tenor: Die Arbeitsagentur macht Ponader Ärger, weil er zwar „Hartz IV“ beziehe, aber eigentlich hauptberuflich Politik mache. Ponader regt sich unheimlich auf. Darüber, dass das Bild vermittelt wird, er würde nur ausnamsweise seinen Lebensunterhalt selbst verdienen, dabei sei es in den vergangenen zweieinhalb Jahren in zwei Dritteln der Zeit der Fall gewesen. Darüber, dass suggeriert werde, er erschleiche sich Leistungen. Und dann schlägt der Gesellschaftskünstler zurück. Mit dem langen Artikel, der scheinbar die Nachricht vermittelt, Ponader gebe sein Amt als Politischer Geschäftsführer auf.

Aber in Wahrheit, das steht ganz am Schluss, verlässt er nicht sein politisches Amt, sondern das Arbeitsamt. Zuletzt habe er etwas mehr als 1.800 Euro im Monat verdient und „so wie es aussieht, werde ich in Kürze genug Einkommen haben, um vom Jobcenter unabhängig zu sein.“ Bis dahin würden ihn Freunde unterstützen.

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18 Kommentare

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  • CW
    C. Weber

    Rücktritt vom Amt? Herr Ponader weiss aber schon, dass er zum Amt gegangen ist und einen Antrag gestellt hat? Darin hat er erklärt, dass er Hilfebedürftig ist und seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten kann. Deshalb bekommt er Grundsicherung.

     

    Soweit, so sachlich.

     

    Jetzt verdient er Geld bzw. erwirtschaftet Honorare und reduziert seine Hilfebedüftigkeit oder diese fällt weg. Toll, ich kann Herrn P. dazu nur gratulieren, dass er nun keine Unterstützung mehr benötigt und seinen Lebensunterhalt selbst tragen kann. Andere beneiden ihn darum.

     

    Was soll diese Debatte und Selbstinszenierung vom armen Hascherl? Er hat ein Orchideenfach studiert (was ja auch toll ist), aber was erwartet er?

  • MB
    Matthias Blümke

    Es ist schon erhellend, dass man (Amt wie auch manche Kommentatoren hier) meint, nun auch noch entgegen aller elementaren Bürgerrechte die politische Betätigung von Unterbeschäftigten verhindern zu wollen, ja gar zu dürfen.

    Wenn die TAZ jetzt wenigstens noch zentrale Inhalte des Ponader-Textes wiedergegeben hätte, so z.B. die Rechtsbrüche von Amts wegen und die unsägliche Rolle der Medien bei der Hexenjagd auf Ponader, dann, ja dann hätte man gar wieder an einen Qualitätsjournalismus bei der TAZ glauben können.

    Lieber aber reiht sich der Beitrag in die Reihe der anderer Medien ein, die die Assoziation zwischen Herrn Ponader und Hartz-IV bzw. nterbeschäftigung aufrecht erhalten. Weiter so, weiter so unsäglich auf die Abschaffung der Republik hinarbeiten!

    Manchmal wünschte ich mir, man könnte nicht nur flattern, sondern durchaus auch Schmerzensgeld für die beinahe körperlich fühlbaren Schmerzen beim Lesen mancher TAZ-Artikel erhalten, zumindest aber Entschädigung für vertane Zeit.

    Es bleibt einem nur, weiterhin FAZ statt TAZ zu lesen, wenn man Ponaders Anliegen erfahren möchte.

  • V
    @vic

    Ja, ja, immer die gleiche Leier. Aber die Sozialleistungen, Gesundheitsversorgung usw. sollten natürlich erhalten bleiben.

  • GN
    Graf NItz

    Ich finde, es sollten viel mehr Menschen Hartz 4 beantragen und dann was nettes aus ihrer Freizeit machen.

     

    Ich arbeite gerne dafür, um das Steueraufkommen aufzubringen.

  • RA
    ralf ansorge

    an agtrier:die frage warum jemand die "linke"wählt stelle ich mir ständig ohne eineantwort zu finden,aber das nur nebenbei.

    wenn die piraten funftionsträger vom AA bezahlen lassen,ist das nicht fortschrittlich,sondern korrupt,und schon sind sie bei denen ,die sie so anprangern.denn dann bezahle auch ich als wähler einer anderen partei diese leute mit.wer in einem anderen job sein geld verdient oder es von vati und mutti bekommt kann ja gern auf das geld der partei verzichten,aber seine zeit schön für die partei nutzen und die kohle von der gesellschaft nehmen ,das geht gar nicht

  • DJ
    doc johnson

    Typische Inszenierung eines Politikers. Ich dachte, die Piraten wollten nur Sacharbeit machen und sich von den anderen unterscheiden?

  • V
    viccy

    @ Notefe

    Wenn ich so drüber nachsinniere: Es ist wohl auch grade der Witz, dass die taz den Artikel einfach wiederkäut. Wie ja generell Zeitungen voneinander abkupfern, ohne eigenes zu machen.

     

    Diese "Faulheit" in Verbindung mit der Schlagzeilen-Hörigkeit von "uns Lesern" potenziert sich zu einem ziemlich üblen Übel.

     

    So gesehen: Respekt auch an die taz!

     

    Das war mal eine erhellende Aktion.

     

    @ Vic

    Staatenlos in Deutschland ist schwierig, vielleicht magst Du ja auswandern. Wo wäre es wohl angenehmer zu leben? Die Grenzen sind offen, was hält Dich. Deine sagen wir mal "thematisch kontinuierlichen" Einzeiler kannst Du auch von Russland aus posten.

  • V
    viccy

    @ Notfefe

    Ich denke, hier steht das Verbreiten im Vordergrund und weniger eine großartige zusätzliche Eigenleistung erbringen zu müssen.

     

    Man kann Dinge ja auch verschlimmbessern.

     

    @ reblek

    Wird dir das nicht auch langweilig?

  • V
    vic

    Ich würde gern zurücktreten als Bürger dieses Landes.

    Staatenlos in Deutschland leben, und in Ruhe gelassen werden- geht das?

  • N
    Nordwind

    Is ja nett.

     

    Aber die eigentliche Frage ist doch eine ganz andere.

     

    Bis zu welchem Grad kann es sich ein Hartz-IV-Empfänger leisten politisch (meist ehrenamtlich) aktiv zu sein bevor ihn die üblichen Repressionen ereilen?

     

    Hier zeigt sich klar eine weitere Möglichkeit der Ausgrenzung vom gesellschaftlichen Leben durch unsere Demokratieverächter.

  • R
    reblek

    "Darüber, dass das Bild vermittelt wird, er würde nur ausnamsweise seinen Lebensunterhalt selbst verdienen..." - Klar, ein solcher "Ausname" ist erwähnenswert.

  • N
    Notfefe

    Bester Nacherzähljournalismus. Es gibt keinerlei Eigenleistung sondern nur nacherzähltes aus dem Artikel den Ponader schrieb. Auch das wird von Herrn Ponader angesprochen, is es ihm doch ähnlich ergangen. Ein ganz, ganz armes Bild das die taz hier abgibt.

  • W
    willy

    Schön, wenn man solche Freunde hat!

  • V
    viccy

    Genial, der Mann!

     

    Führt uns en passant vor, wie sehr wir "alle" uns von Schlagzeilen blenden lassen, aus denen unser ggf. akademisch geschulter Verstand dann irgendwelche Szenarien und Geschichten konstruiert.

     

    Hut ab!

     

    (Wer nicht weiß, was ich meine, liest den allerletzten Absatz hier im Artikel sowie im verlinkten Artikel)

  • M
    Melebert

    So hat er mit einem einfachen Mittel, einem einfachen Wortspiel die Lesekompetenz von Journalisten und Bloggern unter Beweis gestellt. Er hat einfach mal der Journalie einen Spiegel vorgehalten. Allein dafür verdient er meine Anerkennung.

  • S
    Schneidegger

    Das Schlechte an einem guten Beitrag wie dem Ponaders ist, dass nur darüber gesprochen wird, wie gut er ist, nicht darüber, was drinsteht.

  • D
    Detlev

    Es wäre ja eine Riesenehre, wenn ein Arbeitsloser bzw. Empfänger von ALG II (Hartz) tatsächlich die Aufmerksamkeit von Heinrich Alt, Mitglied im Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, erhielte. Bei dieser Geschichte ist allerdings zu berücksichtigen, dass ein Bezieher von ALG II dem Arbeitsmarkt von 9 bis 17.00 Uhr zur Verfügung stehen muss.

     

    Das bedeutet, dass wenn Johannes Ponander tatsächlich in dieser Zeit hauptamtlich für die Piraten gearbeitet hätte, hätte er gegen die Auflagen verstoßen und ihm hätte sein ALG II im ersten Zug gekürzt werden müssen. Insofern ist es schon möglich, dass Alt da wirklich angerufen hat, weil ein prominenter Fall von Sanktionen schlecht für die PR der Arbeitsagentur und persönlich auch schlecht für Alt gegewesen wäre.

     

    Insofern finde ich es gut, dass hier dieser Sachverhalt mal angesprochen wird, aber es steht nur die Hälfte im Artikel.

     

    Es ist genau der Fall, der sich für viele Arbeitslose und ALG-II-Bezieher ständig wiederholt: Sie machen irgendwo mit, engagieren sich, machen ein Praktikum etc., aber sie verstoßen gegen die Auflagen ihrer Vereinbarung mit dem Jobcenter (ARGE, Hartz-Behörde) und werden von dort nun unter Feuer genommen. Denn diese Behörde entstendet 'Arbeitslose' fast ausschließlich in die Zeit- und Leiharbeitsbranche, der 'Arbeitslose' muss jede zumutbare Arbeit annehmen. Und da wäre ein fancy-Amt bei den Piraten absolut nicht nach Gusto der Behörde gewesen. Ein Prominenter als Fall von Sanktionen wahrscheinlich aber auch problematisch für Alt gewesen, der ja beharrlich Hartz-IV bagatellisiert oder kleinreden möchte.

  • A
    agtrier

    Eine besonders peinliche Nummer hat übrigens Bodo Ramelow, seines Zeichens Fraktionsvorsitzender einer Partei, die sich ausgerechnet "Die Linke" nennt, abgegeben. Der sprach in diesem Zusammenhang ALG-2-Empfängern schlichtweg komplett das Recht ab, sich ehrenamtlich in einer Partei zu engagieren.

     

    Das sind so die Moment, wo man sich fragt, warum man die früher mal gewählt hat. Die Linke, meine ich.