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Piep-piep Satellit: Bye-Bye Blümchen

■ Ein gerade noch rechtzeitiger Abschied

Da war der Kollege in Berlin aber zynisch (taz vom 19.1.). Gleich mit Rex Gildo verglich er das leicht gealterte Blümchen, und ihre Musik nannte er „Deppentechno“. Unter dem Publikum in der Berliner Columbiahalle machte er „Päderasten“ aus und ihr Dauerlächeln – ja, da hatte er sogar recht, das wirkte auch bei ihrem Auftritt im Modernes am Freitagabend leicht angestrengt. Aber ansonsten war in Bremen die Blümchen-Welt noch in Ordnung.

Der Laden war voll, und die meisten Fans waren unter 1 Meter 60, sodass sich auf den etwas erhöhten Ebenen die Kinder und Eltern drängelten, während die biertrinkenden Jungs an den Rändern oder auf der Tanzfläche vor der Bühne versuchten, Jasmin Wagner tief in den Ausschnitt zu gucken.

So war es immer. Diese Mischung aus Teenie-Sex und großer Schwester macht Blümchen zu einer deutschen Ausgabe von Britney Spears. Und es ist klug, jetzt aufzuhören, denn Image und Person drohen sich zu spalten: Frau kann nicht ewig die unschuldige Nymphe spielen. Mit 21 schafft es Jasmin Wagner hier gerade noch, ihre Liedchen wie „Bumerang“, „Heut ist mein Tag“ und „Verrückte Jungs“ halbwegs glaubwürdig zu präsentieren. Das ist kein Deppen- sondern Kindertechno, und hat als solcher durchaus seinen naiven Charme.

So wird er auch präsentiert. Selbst die Kinder werden wohl kaum noch ernsthaft glauben, dass die beiden Frauen auf der Bühne, die sehr dekorativ auf die Keyboards drücken, dabei tatsächlich Töne produzieren, und ob Blümchen wirklich jeden von ihr gehörten Ton auch live ins Mikro gesungen hat, muss arg bezweifelt werden. Ist aber auch egal! Wichtiger war, dass die vier strammen Jünglinge (von denen einer dem Big-Brother Alex verflixt ähnlich sah) schön synchron um Blümchen herumtanzten; wichtiger war, dass sie sehr gut in ihren vier verschiedenen Glitterkostümen aussah, und dass sie, obwohl alles um sie herum letzlich völlig synthetisch wirkte, dann doch wie ein richtig nettes, unter der dicken Schminke immer noch lebendiges Mädchen wirkte.

Doch die Brüche waren da, und gerade durch sie war der Auftritt nie langweilig: Das Lied „Lass mir noch Zeit“, das von der Angst „vor dem ersten Mal“ handelt, konnte Jasmin Wagner nun wirklich nicht mehr eins zu eins präsentieren, und so wurde daraus ein romantisches Schunkellied mit leicht lateinamerikanischem Einschlag. Und eine bombastische Bühnendramaturgie mit Symphonieorchester auf den Videoschirmen und Blümchen-Fahnen, die die vier Tänzen schwenkten, gebar schließlich das Liedchen „Piep, piep, kleiner Satellit, du und ich, ich und du, Astronauten-Rendevous“. War da etwa Ironie zu spüren? Machte Jasmin Wagner sich da etwa über Blümchen lustig? Das wäre natürlich fatal. Es war höchste Zeit, aufzuhören! Wilfried Hippen

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