Pflegekammer in Niedersachsen: Klage gegen den Zwang

Eine Krankenschwester klagt vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg gegen ihre Mitgliedschaft. Die Kammer sei verfassungswidrig.

Pflegekammer gab es nicht: Schwarz-Weiß-Foto einer Krankenschwester mit kleinem Jungen

Früher war alles besser? Eine Pflegekammer gab es jedenfalls nicht Foto: New York Public Library/Unsplash

Hamburg taz | Ist es verfassungswidrig, dass Pflegekräfte in Niedersachsen gezwungen sind, Mitglied der Pflegekammer zu werden? Darüber muss am Donnerstag das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg entscheiden. Eine Krankenschwester, die als stellvertretende Pflegedienstleiterin arbeitet, hatte bereits im Juni 2017 dagegen geklagt.

Ihre Argumentation: Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts seien Zwangsverbände nur dann zulässig, wenn sie legitimen öffentlichen Aufgaben dienten. Doch die Vertretung der Pflegenden hätten Gewerkschaften und Verbände bisher auch ohne die Kammer hinbekommen.

Der Zwangsverband, für den die Mitglieder 0,4 Prozent ihres Gehalts als Beiträge zahlen müssen, sei deshalb überflüssig. Das Verwaltungsgericht Hannover sah das anders und hatte in seinem Urteil die Klage der Krankenschwester abgewiesen. Am Donnerstag findet die Berufungsverhandlung vor dem OVG statt.

Dabei hatte es das Land Niedersachsen gut gemeint: Die damalige rot-grüne Koalition hatte die Einrichtung der Pflegekammer 2016 beschlossen, damit Pflegekräfte in Niedersachsen eine Vertretung haben.

Große Hoffnungen, viel Gegenwind

Ziel sei es, „das Selbstverständnis und die gesellschaftliche Anerkennung des pflegerischen Berufsstandes positiv zu verändern“, heißt es auf der Seite des Gesundheitsministeriums. Die damalige Landtagsabgeordnete Filiz Polat (Grüne) sagte in einer Rede hoffnungsfroh: „Die Kammer wird einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, die Pflege zu einem der attraktivsten Berufe in Niedersachsen zu machen.“

Ohne die Kammer würden Themen, die die Pflege betreffen, maßgeblich von Ärzten, Einrichtungs- und Kos­tenträgern erörtert, sagte Polat. Nun sollte die Pflege eine Stimme bekommen.

Trotzdem gab es große Proteste gegen die Zwangsmitgliedschaft. Mehr als 50.000 Menschen unterschrieben eine Online-Petition für die Abschaffung der Kammer. Das Sozialministerium will die Arbeit der Pflegekammer ab Herbst evaluieren. Dabei werde auch die in der Petition formulierte Kritik einfließen, sagte eine Ministeriumssprecherin.

Der FDP und der Gewerkschaft Ver.di dauert all das zu lange. Sie fordern, dass die Pflegenden in Niedersachsen selbst gefragt werden, ob sie die Kammer wollen. Stefan Birkner (FDP) sagte dazu bereits im März: „Haben Sie doch keine Angst vor dieser Befragung, sondern trauen Sie den Pflegenden zu, selbst entscheiden zu können.“

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