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Pflegeausbildungen werden nicht anerkanntPolnische Pfleger bleiben weg

Ab 1. Mai können Fachkräfte EU-weit arbeiten. Experten erwarten jedoch keine ausländischen Pflegekräfte, da die Berufsabschlüsse nicht anerkannt sind.

Ausbildung zur Pflegehilfe in Flensburg. Bild: dpa

BERLIN taz | Ab 1. Mai können ArbeitnehmerInnen aus acht östlichen EU-Staaten, darunter Polen, Tschechien, Slowenien, überall in der EU sozialversicherungspflichtig arbeiten. Dann tritt das sogenannte Arbeitnehmerfreizügigkeitsgesetz in Kraft. Für ausgebildete Pflegefachkräfte trifft das zunächst aber nicht zu. Ihre Berufsabschlüsse sind in Deutschland nicht anerkannt.

"Hinsichtlich der Arbeitnehmerfreizügigkeit ist die Pflege ein Sonderfall", sagt Steffen Ritter, Pressesprecher des Bundesverbandes privater und ambulanter Pflegeeinrichtungen (BPA). Das könnte sich erst ändern, wenn das Anerkennungsgesetz ausländischer Berufsabschlüsse greift, das Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) im März vorlegt und das im Sommer noch Bundestag und Bundesrat passieren muss. "Dann wären examinierte Pflegefachkräfte auch hier anerkannt", sagt Steffen Ritter.

Ausgebildete Kranken- und Altenpfleger aus dem EU-Ausland können zwar auch jetzt schon in Deutschland arbeiten, aber nur als Hilfskräfte. Sie können sowohl in Krankenhäusern und bei Pflegediensten als auch in Privathaushalten beschäftigt werden, gelten aber aufgrund der fehlenden Berufsanerkennung als Hilfspersonal oder als Haushaltshilfe. Dementsprechend werden sie bezahlt: Pflegehilfskräfte erhalten einen Stundenlohn von 8,50 Euro im Westen und 7,50 Euro im Osten. Das entspricht dem Pflegemindestlohn. Examinierte Pflegefachkräfte verdienen monatlich zwischen 2.100 und 2.300 Euro brutto.

Pflegehilfskräfte übernehmen in der Regel betreuende Tätigkeiten wie Waschen, Füttern, Umbetten. Die medizinische Versorgung im Krankenhaus üben Krankenschwestern und Krankenpfleger aus, zu Hause übernehmen das die Fachkräfte der ambulanten Pflegedienste.

400.000 fehlende Fachkräfte?

Aufgrund der Situation ist nicht mit einem Pflegekräftezustrom aus dem Ausland zu rechnen. Steffen Ritter vom BPA mutmaßt, dass ausländische Fachkräfte eher in die Schweiz, nach Österreich und in die skandinavischen Länder gehen werden: "Dort sind ihre Berufsabschlüsse nämlich schon jetzt anerkannt." Das belegt auch eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg.

Herbert Brücker, Migrationsexperte des IAB, rechnet mit einem nur geringen Zuzug: Insgesamt könnten etwa 100.000 Arbeitskräfte kommen, darunter wenige Pflegekräfte. Darüber hinaus hätten die Länder, aus denen die Pflegekräfte erwartet werden, ebenfalls mit dem demografischen Wandel zu kämpfen und "brauchen ihre Arbeitskräfte selbst", sagt Ritter.

2,25 Millionen Menschen in Deutschland sind derzeit pflegebedürftig, 1,53 Millionen werden zu Hause betreut. Demografen rechnen damit, dass es in vierzig Jahren doppelt so viele Pflegebedürftige gibt. Gleichzeitig schrumpft die Zahl junger Menschen, also derjenigen, die die Alten pflegen können. In den kommenden zehn Jahren werden rund 100.000 Fachkräfte fehlen, prognostizieren Experten. Die BPA spricht sogar von 400.000 fehlenden Fachkräften.

Derzeit beschäftigen Privathaushalte Schätzungen zufolge 120.000 Hilfskräfte, die zum Teil im Haushalt wohnen und dort auch verpflegt werden. Die Hilfskräfte sind rund um die Uhr für die Pflegebedürftigen da, füttern und waschen sie und stehen nachts auf, wenn es nötig ist.

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3 Kommentare

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  • MG
    Michael Gwosdz

    Der Artikel ist zwar schon zwei Jahre alt und inzwischen ist tatsächlich das dort erwähnte Anerkennungsgesetz verabschiedet worden - aber da sich da immer noch Leute darauf beziehen:

     

    Auch im Mai 2011 galt schon die automatische Anerkennung von Ausbildungen in der Krankenpflege, sofern diese im Anhang V.2.2 der Richtlinie 2005/36/EG aufgeführt sind. Dieser Anhang der Richtlinie wurde bereits 2007 in das deutsche Krankenpflegegesetz als Anlage (zu § 2 Abs. 4 Satz 1) eingeführt und kann unter http://www.gesetze-im-internet.de/krpflg_2004/anlage_40.html nachgelesen werden.

     

    Ein Lesebeispiel: wer in der Tschechischen Republik das "Diplom o ukončení studia ve studijním programu

    ošetřovatelství ve studijním oboru všeobecná sestra

    (bakalář, Bc.)", zusammen mit der Bescheinigung: "Vysvĕdčení o státní závĕrečné zkoušce" nach dem 1. Mai 2004 erworben hatte, wurde - vorausgesetzt, das Führungszeugnis und die Sprachkenntnisse waren okay - in Deutschland automatisch als Gesundheits- und Krankenpfleger/in anerkannt.

     

    Das gilt auch heute noch weiter, daran hat das Anerkennungsgesetz vom 1. April 2012 gar nichts geändert.

  • S
    Spike

    PatientInnen und BewohnerInnen in Altenheimen werden nicht gefüttert!

    Ihnen wird das Essen gereicht.

  • T
    THOR

    Ausserdem werden in Skandinavien, der Schweiz und Österreich auch weitaus bessere Löhne gezahlt, dies gilt auch für Helfer. Zudem erfahren diese Berufe dort gesellschaftlich eine im vergleich zu Deutschland exorbitante Wertschätzung und eine hervorragende Anerkennung.

    Hier wir der Altruismus derer die in solchen Berufen tätig sind schamlos ausgebeutet und unter aller Sau bezahlt. Nur die Heimleiter und Einrichtungsbesitzer verdienen sich eine goldene Nase nach der anderen und pressen die sozialen Sicherungssysteme schamlos aus, wobei beim Pflegepersonal und den zu pflegenden nichts ankommt!

    Zudem werden Milliarden Euro verschwendet weil Unmengen an Psychopharmaka in die Pflegebedürftigen gepumpt werden, nicht weil eine wirkliche Indikation vorliegt, es geht darum diese Menschen ruhig zu stellen um wiederum Personal einsparen zu können, somit fließt noch mehr Kapital sinnlos aus den Krankenkassen ab.